Drei Wochen liegt die NC bereits zurück, und in ein paar Tagen startet schon das JFFH! Höchste Zeit also, das größte Festival für japanischen Film nochmal Revue passieren zu lassen und ein kurzes Fazit zu ziehen.
Während meiner drei Tage in Frankfurt habe ich 10 Filme gesehen, die ein sehr breites Spektrum abdeckten und von denen ich erfreulicherweise keinen einzigen unter „Reinfall“ abschreiben musste. Vom experimentellen Animationsfilm über Bildorgien aus dem Hause Shion Sono und romantische Komödien bis zum gesellschaftskritischen Episodenfilm war alles dabei, und meistens auch richtig gut. Der einzige Durchhänger war aus meiner Sicht Hero Show, aber auch der war nicht eigentlich ein schlechter Film, eher irgendwie unausgereift.
So erfreulich das allgemein hohe Niveau einerseits auch ist, habe ich andererseits doch keinen wirklich herausragenden Film gesehen, der mich komplett von den Socken gehauen hätte. So fällt es mir extrem schwer, die traditionelle After-Festival-Hitliste auf die Beine zu stellen. Vielmehr sehe ich ein Quartett aus Arrietty, Sweet Little Lies, Cold Fish und Permanent Nobara gleichauf als filmische Höhepunkt der NipponConnection 2011, die mir alle sehr gut gefallen haben und die sich wenig schenken.
Neben den Filmen gab es natürlich wieder ein umfangreiches kulturelles Rahmenprogramm, von dem ich allerdings ziemlich wenig bis nichts mitbekommen habe. Ich fahre eben wegen der Filme nach Frankfurt, das drumherum ist mir weniger wichtig. Eines ist mir aber aufgefallen und zwar positiv: Die japanische Cheerleader-Truppe von Gamushara Oendan, die mit unglaublicher Begeisterung und Ausdauer die Stimmung angefeuert haben! Der Hammer die Jungs, siehe das Video von der Abreise am Frankfurter Flughafen.
Persönliche Highlights für mich waren natürlich besonders die Begegnungen mit einigen hochverehrten Blogger-Kollegen! Ein Wiedersehen gab es mit Tobias, endlich mal persönlich kennenlernen durfte ich Groschi und Cathy und neue Bekanntschaft wurde geschlossen mit dem NC-Chefblogger Gary sowie Ciprian und Elisabeth von Negativ-Film. Leider war die Zeit etwas knapp bemessen, um sich wirklich ausführlich zu unterhalten, aber ich bin sicher, dass sich nächstes Jahr die Gelegenheit wieder ergibt. Ich freu mich schon drauf! 🙂
15 Mai
Original: Pâmanento Nobara (2010) von Daihachi Yoshida
Nach ihrer Scheidung lebt die junge Naoko (Miho Kanno) mit ihrer Tochter wieder bei ihrer Mutter in einem kleinen, gottverlassenen Fischerdorf. Der Friseursalon ihrer Mutter ist der Treffpunkt für die Frauen des Dorfes, wo sie sich über ihre Männergeschichten austauschen, sich ihr Leid klagen und gegenseitig aufmuntern. Das Liebesleben sowohl der Kundinnen als auch von zwei alten Freundinnen Naokos stellt sich als mehr oder weniger große Katastrophe heraus. Im Vergleich dazu scheint Naokos heimliche Affäre mit einem Lehrer geradezu perfekt zu laufen – etwas zu perfekt, wie sich erweist.
Dass Regisseur Yoshida schräge Charaktere und Ereignisse wunderbar unaufgeregt und natürlich in Szene setzen kann, hat er bereits mit Funuke, show some love you losers gezeigt. Waren die Skurrilitäten damals aber eher zweischneidig angelegt, kommen sie jetzt durch und durch sympathisch und witzig daher. Besonders das erste Drittel des Films, in dem wir die verschiedenen Frauen und das Dorf kennen lernen, bietet daher allerhöchsten Unterhaltungswert und jede Menge Lacher.
Paradebeispiel dafür und für die Anlage des Films überhaupt ist der auf Don Quijotes Spuren wandelnde senile Großvater, der mit seiner Kettensäge einen ewigen Kampf gegen Strommasten zu führen scheint und damit immer mal wieder für spontane Stromausfälle im ganzen Dorf sorgt. Es stellt sich dann jedoch heraus, dass das Dorf früher so arm war, dass seine Familie manchmal nichts zu essen hatte. Dann zog er los und „fällte“ ein paar Strommasten, um das Holz und die Stromleitungen auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Bei den den hungrigen Kindern war er deshalb damals der Held, heute lässt ihn diese Erinnerung nicht mehr los.
Diese Darstellung und der Umgang mit dem Leben in dem kleinen Fischerdorf und der eingeschworenen, engen Gemeinschaft sind sehr gelungen: Manchmal etwas überzeichnet, sympathisch-verrückt und fast idealisierend, aber bevor es zu einer Romantisierung des „einfachen Lebens“ kommen könnte wird intelligent und ironisch hinterfragt und auf die Schattenseiten hingewiesen.
So ist auch der Umgang mit Naokos Charakter gestaltet. Zunächst wirkt sie trotz ihrer Scheidung im Vergleich zu den überdrehten Besucherinnen des Frisiersalons sehr ausgeglichen und glücklich. Die Beziehung zu dem Lehrer wirkt überaus harmonisch, die beiden verstehen sich wunderbar und lieben sich offenbar sehr. Da sie die Beziehung allen anderen verheimlicht, sehen die beiden sich aber nur selten.
Irgendwann wirkten diese Momente des Wiedersehens auf mich zunehmend irreal, wie reiner Eskapismus. Dass diese Beziehung so nicht lange gut gehen könnte, hatte ich erwartet, die Wendung die sie und damit der ganze Film am Ende nehmen, kam dann aber wie ein Schlag vor den Kopf! Die Offenlegung der Wahrheit kam völlig unerwartet und ist so clever inszeniert, da dürfte so ziemlich jeder im Kinosaal für einen Moment den Atem angehalten haben. Ein echter Gänsehaut-Moment, sehr genial!
So entwickelt sich der Film von der komödiantischen Eröffnung immer mehr hin zu einem Drama. Das Motiv des Gefangenseins in der Vergangenheit findet sich bei fast allen Charakteren mehr oder weniger ausgeprägt. Vom Großvater mit seinem Strommastenfällen über Naokos Freundinnen, die mit Erinnerungen an längt vergangene Beziehungen zu kämpfen haben, bis am Ende hin zu Naoko selbst: Die Vergangenheit lässt die Charaktere in Permanent Nobara nicht los. Und so kriegen wir natürlich auch reichlich Flashbacks in diesem Film zu sehen, die sich aber sehr schön einfügen.
Die Gründe für diese permanente Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die mal glorifizierende, mal verdammende Formen annimmt, sind vor allem Einsamkeit und ein ausgeprägter Wunsch nach Liebe. Bei aller Freundschaft und Zusammenhalten in der kleinen Dorfgemeinschaft sind die meisten der Frauen doch sehr allein. Ein eng damit verbundenes, immer wiederkehrendes Motiv ist die Verarbeitung von Verlust und Tod, die sich wie ein roter Faden durch den Film zieht, sei es anlässlich von tatsächlichen Todesfällen oder die häufigen symbolische Beerdigungen, die Naoko zusammen mit einer ihrer Freundinnen durchführt. Mit einer Botschaft des „niemals unterkriegen lassen“ schafft es der Film am Ende doch, mit einer positiven Note zu enden.
Für mich war Permanent Nobara eines der Highlights der diesjährigen Nippon Connection. Ein wunderbarer Film, großartig erzählt mit urkomischen, liebenswert-verrückten Typen, der sich wohl am besten mit „bittersweet“ beschreiben lässt und auf sehr beeindruckende Weise die Balance zwischen romantischer Komödie und Drama hält. Sehr sehenswert!
Auf der NipponConnection 2011 gab es mal wieder viel zu viel zu sehen und zu erleben, als dass ein Blog dafür reichen würde. Zum Glück haben eine Reihe alter und neuer Bekannter ihre Eindrücke der Filme und des höchst unterhaltsamen Rahmenprogramms ebenfalls in den Äther hinaus geschrieben, von denen ich einige dringend zum Lesen empfehlen möchte!
Los gehts mit den Filmkritiken, denn schließlich waren wir ja alle der Filme wegen dort (falls ich damit jemandem Unrecht tun sollte, bitte Handzeichen geben):
Neben den Filmen gehören die Begegnungen und Gespräche mit Filmemachern zu den Highlights eines Festivals. Wie sowas aussehen kann, lässt sich schön auf dem Nippon Connection Blog nachlesen, etwa am Beispiel eines Gesprächs mit Ishibashi Yoshimasa und Mr Hide. Absolut sehenswert auch das Interview mit Keiichi Hara, Schöpfer des Überraschungserfolgs Summer Days with Coo aus dem Jahr 2007, der auf der NC seinen neuen Film Colorful präsentierte.
Die NipponConnection hat ja sehr viel mehr zu bieten als nur die Beschäftigung mit Filmen. Einige schöne Impressionen zum Drumherum finden sich im Festival-Blog, beispielsweise vom Filmfrühstück, der Soup Lounge (sehr leckere Udon dort, aber verbunden mit heftiger Wartezeit), einem Kendo-Workshop und einem Sake-Workshop.
Original: Karigurashi no Arrietty (2010) von Hiromasa Yonebayashi
Der junge Sho verbringt den Sommer im alten Haus seiner Tante. Schon bald bemerkt er, dass das Haus ein Geheimnis birgt: Versteckt in den dunklen Ecken und Fundamenten lebt die winzige Borgerin Arrietty zusammen mit ihren Eltern und „borgt“ sich die Dinge des täglichen Bedarfs von den Menschen. Oberstes Gebot ist eigentlich, dass die Menschen von der Anwesenheit der Borger nichts bemerken dürfen. Doch Arrietty übertritt das Tabu und schließt Freundschaft mit Sho, dessen Ankunft und besonders die Neugier der Haushälterin Haru jedoch eine zunehmende Bedrohung für Arriettys heile Welt darstellen.
Seit Mitte der 90er Jahre war Hiromasa Yonebayashi beim Studio Ghibli tätig und in dieser Zeit als Animationskünstler an allen großen Filmen Hayao Miyazakis beteiligt. Diese Schule und die Prägung durch Miyazaki ist seinem Regiedebut Arrietty auf Schritt und Tritt anzusehen: Der Film zeichnet eine wunderschöne Welt der kleinen Dinge mit einer Vielzahl an liebevollen Details, ganz im Stil von Werken wie Kikis kleiner Lieferservice oder Mein Nachbar Totoro.
Ähnlich wie in diesen Filmen werden auch in Arrietty Geschichte und Charaktere nicht durch konstruierte Abenteuer und gut-gegen-böse Konstellationen vorangetrieben. Vielmehr dreht sich der Film um die kleinen Abenteuer, so dass schon eine in einem Moskitonetz feststeckende Krähe zu einem actiongeladenen Höhepunkt wird.
Die aus vielen Filmen Miyazakis bekannte Thematik der gestörten Harmonie im Miteinander von Mensch und Natur wird in Arrietty nicht so offensiv angegangen, findet sich aber wieder in der Kontrastierung des einfachen, an der Natur orientierten Lebens der Borger mit dem der großen Menschen. Dass die Möglichkeit eines echten Zusammenlebens von Borgern und Menschen für keine einzige Sekunde erwägt wird, wirft Fragen auf und gibt dem Film bei aller Freude und Schönheit einen melancholisch-pessimistischen Hauch.
Mit Arrietty ist Yonebayashi ein wunderbares Debut gelungen, ein Film für die ganze Familie, der Spaß macht, schön anzusehen ist aber auch unseren Umgang mit anderen Lebensformen und -weisen hinterfragt. Am 2. Juni kommt die kleine Borgerin auch in die deutschen Kinos, eine Gelegenheit die sich niemand entgehen lassen sollte!
30 Apr
Original: Jitensha toiki (1988) von Shion Sono
Keita (Masahiro Sugiyama) und Shiro (Shion Sono) sind nach dem Schulabschluss zuhause versackt und schlagen sich mit Zeitungsaustragen durch. Shiro verfolgt nebenbei die fixe Idee, einen 8mm Film zu drehen, doch Keita ist skeptisch und möchte sich lieber auf die Uni vorbereiten. Außerdem trauert er seiner großen Liebe Kyoko nach, die ausgerechnet jetzt, zum Silvesterabend, von der Uni nach Hause kommt und ihn damit völlig aus der Bahn wirft. Shiro versucht vergeblich, seinen Freund aufzurichten und gleichzeitig mit seinen eigenen Identitätsproblemen zurecht zu kommen.
Bicycle Sighs ist in vieler Hinsicht ganz anders als die Filme Shion Sonos, die ich bisher gesehen habe: Keine christliche Symbolik, keine klassische Musik, kein Blutbad, kein Ausleben sexueller Begierden, keine opulenten Bilder €“ stattdessen ganz einfach und minimalistisch gehalten und voll sehr abstrakter Metaphern, ein echter €žIndie€œ eben. Vielleicht hat er mir gerade deshalb so gut gefallen, weil er – eingezwängt zwischen die Vorführungen von Cold Fish und Strange Circus auf der Nippon Connection €“ so etwas wie eine Oase der Ruhe darstellte. Was aber keineswegs bedeuten sollte, dass Bicycle Sighs nicht verstörend wäre.
Stellvertretend für die Wirkung, die der Film wahrscheinlich auf viele Zuschauer haben dürfte, kann ich die ältere Dame heranziehen, die mit ihren beiden Freundinnen hinter mir saß. Vor dem Film hatte sie noch ganz stolz berichtet, was für tolle Filme sie auf der letzten Nippon Connection gesehen hatte, und als dann der Abspann lief waren ihre ersten Worte €žGottseidank ist es vorbei, so einen Film braucht doch kein Mensch€œ.
Die eigentlich recht simple Story von vier jungen Menschen an der Grenze zum Erwachsenwerden – das Quartett wird komplettiert von Shiros Schwester Katako – wird immer wieder in ihrem Fluss gebrochen. Zum einen durch zeitliche Sprünge und zum anderen durch Szenen aus dem unvollendeten 8mm-Film, dessen Handlungsebene immer stärker mit der Keita-Shiro-Ebene verschmilzt, was mehr als einmal für Verwirrung sorgt.
Dazu kommen dann noch die manchmal mehr manchmal weniger durchschaubaren Symbole und Metaphern. Wenn Shiros Schwester mit einer Fahne, auf die sie das Zeichen für „Ich“ gemalt hat, auf das Hausdach klettert und laut ihren Namen und Geburtstag ruft, kann man sich darauf noch einen Reim machen. Weniger offensichtlich erscheint mir dagegen die in mehreren Szenen immer weiter gezogene Begrenzungslinie des Baseballfelds aus dem 8mm-Film. Soll sie das Leben der Charaktere als ganzes symbolisieren? Oder die Grenze zwischen Realität und Imagination? Oder dass wir uns selbst Strukturen schaffen und uns darin selbst beschränken?
Ein großes Thema des Films ist jedenfalls das Aufbrechen vorgegebener Strukturen und die Selbstbehauptung des Individuums. Die bereits geschilderte Sequenz mit der „Ich“-Fahne wäre ein Beispiel dafür, ein weiteres eine großartige Einstellung in einer Schule am Ende des Films. Keita hat sich in der Ecke eines Klassenzimmers versteckt und Shiro schiebt die wie Wände wirkenden Tischreihen auseinander, bis der Blick auf Keita frei wird. Das hinter Strukturen verborgene, ja gefangene Individuum muss erst befreit werden. Eine grandiose, in ihrer Schlichtheit sehr mächtige Szene! Dass Keita kurz darauf Selbstmord begeht, lässt diese symbolische Befreiung aber sehr zwiespältig erscheinen…
Wie gesagt, ein sehr ruhiger, früher Film Sonos, der mich immer mehr begeistert, je mehr ich über ihn nachdenke. In seiner Schlichtheit ist er kaum vergleichbar mit seinen ausufernden, überbordenden Werken der letzten Jahre, weshalb ich besonders froh bin, dass ich ihn auf der Nippon Connection sehen konnte.
Das Japanische Filmfest Hamburg hat sich für seine 12. Ausgabe großes vorgenommen und wartet mit der Rekordzahl von fast 100 Filmen auf! Kaum habe ich mich aus der Organisation vom JFFH zurückgezogen, läuft es dort also richtig rund 😉
Das Filmfest startet am 25. Mai mit Surely Someday, Regiedebut des vor allem aus Schwertkampffilmen wie Azumi, Tajomaru oder Sukiyaki Western Django bekannten Shun Oguri. Der begibt sich mit seinem Debut aber auf neue Pfade und hat eine Highschool-Tragikomödie abgeliefert, die dem Schicksal einiger Jungs folgt, die eine Schuldband gründen.
Zu den weiteren Highlights gehören die bereits auf anderen Festivals präsenten Werke Heaven’s Story von Takahisa Zeze oder Arrietty aus dem Haus Ghibli. In den verschiedenen Kategorien werden außerdem die folgenden Filme zu sehen sein:
Noh: Arthouse
WANDERING HOME von Yoichi Higashi
BIRTHRIGHT von Naoki Hashimoto
LOVE+LOATHING+LULU+AYANO (LLLA) von Hisayasu Sato
ANDANTE von Satoshi Kaneda
NAGANOS KINDERLIEDER von Nadja Frenz
HEAVEN€™S STORY von Takahisa Zeze
HOTEL CHELSEA von Jorge Valdes Igo
A CROWD OF THREE von Tatsushi Omori
ISAMU KATAYAMA €“ ARTISANAL LIFE von Koichi Makino
OUR BRIEF ETERNITY von Takuya Fukushima
ASSAULT GIRLS von Mamoru Oshii
TEMPTATION von Masayuki Yonaha
OTHER WORLD von Yoshiko Takano
HASHISH GANG von Kazushi Ozawa
SUPERIORITY OF ADDICTS von Kenichi Aikawa
LUNAR CHILD von Akihiro Suzuki
KIRITORU von Joe Tanaka
LOST PARADISE IN TOKYO von Kazuya Shiraishi
GOOD BYE €“ HEBANO von Bunyo Kimura 2009
CAGE von Shinsuke Kurimoto
DRIFTING CLOUDS von Daisuke Hasebe
TETO von Hiroshi Gokan
SHEEP IN THE NIGHT von Paul Young
DOOR TO THE SEA von Reiko Ohashi
Kurzfilme:
NEW KIDS ON THE GUERILLA von Saori Abe und Nazuki Takahashi, 2010,
WHO OPENS THE DOOR? Von Hajime Izuki, 2010
PATERNAL WOMB von Megumi Tazaki, 2010
A DAY IN BABYLON von Ariko Kimura , 2010
FUNNY AT CLOSED von Gaku Kobayashi, 2010
NUKU NUKU von Shoh Kataoka, 2010
SO FAR AWAY von Satoru Hirohara, 2010
ON THE STREET von Kohei Yamakawa, 2010
DIY ENCOURAGEMENT von Kohei Yoshino, 2010
BURNING HEARTS von James Mc Fay, 2010
Anime: Zeichentrickfilm
ARRIETTY von Hiromasa Yonebayashi 2010
PLANZET von Jun Awazu, 2010
NEGADON: THE MONSTER FROM MARS von Jun Awazu ,2005
THE ASYLUM SESSION von Takuto Aoki
Rakugo: Komödien
I LOVE RED LION
FILM OF THE DEAD von Ryusuke Shinada 2007
HIJOSHI- WHAT GIRLS WANT(versch. Regisseure) 2009
MILOCRORZE €“ A LOVE STORY von Yoshimasa Ishibashi 2011
OVER 8 (versch. Regisseure) 2009
RECORD FUTURE von Kishi Kentaro
YURIKO€™S AROMA von Kota Yoshida, 2010
SWEET SILLY LOVE SONG €“ AMACHORO von Soukichi Miyta, 2010
Naginata: wildes junges Kino
HELLDRIVER von Yoshihiro Nishimura, 2010
KARAKURI von Hajime Ishida, 2011
GOTHIC + LOLITA PSYCHO von Yoshihiro Nishimura, 2010
MUTANT GIRL SQUAD (versch. Regisseure)
ALIEN VS. NINJA von Seiji Chiba und Yuji Shimomura, 2010
GANTZ VOL. 1 von Shinsuke Sato , 2011
YAKUZA WEAPON von Tak Sakaguchi + Yudai Yamaguchi, 2011
EROTIBOT von Naoyuki Tomomatsu
BLOODY MARJ von Ryota Mori, 2011
GUNHEAD aka ROBOT WAR von Masato Harada und Alan Smithee, 1989
Naniwa: Osaka-Filme
13 ASSASSINS von Takashi Miike 2010
PHANTOM OF THE TOWN von Hiroshi Toda
NIGHT OF FISH von Hiroshi Toda
DOMAN SEMAN von Go Shibata, 2010
Kurzfilme:
YUMEKO von Kaneko Yosuke
SNIPPING GIRL von Chihiro Amano
CAFE IN THE SUN von Masakazu Yamaguchi
SAIKA €“ THE AGE OF CIVIL STRIFE Pilotfilm von Masakazu Yamaguchi ,
IMAGES OF THE LAST BATTALION von Koushi Kishida
DER MODERNE SAMURAI von Kazuki Kurata
GEBURTSTAG DER ÄLTEREN TOCHTER von Osamu Ono
DAS REBELLISCHE LEBEN von Daiki Niki
DÄMMERUNGSWOLKEN von Tetsuya Kawaguti + Tazuko Aso
TACHO LICHT von Nobuhiko Oda
GOLDFISCH Hiroshi Oda
BONES von Sinsaku Hidaka
DER SPUKANGESTELLTE von Yuuta Fukuda
SCHNELLER ALTER MANN von Takaaki Hattori
WOLF RUN von Yuuma Yoshimoto
MILKBAR von Masayoshi Masugi
BEAUTIFUL METHOD von Takamasa Oe
SCRAP FAMILY von Akihito Kajiya
MISTAKE von Hideyuki Hou
UNSER (UN)VERTRÄGLICHES ICH von Rei Tsuruge
HARUKU von Yuuka Kanaizuka
MILK von Masayoshi Masugi
18 Apr
Original: Tony Takitani (2004) von Jun Ichikawa
Die Mutter früh verstorben, der Vater ein ständig durch die Lande reisenden Jazzmusiker, ein merkwürdig-fremd klingender Name: Tony Takitani (Issei Ogata) war es von Kindheit an gewohnt, einsam zu sein. Etwas anderes hat er nie kennengelernt, und er vermisst auch nichts, sondern geht ganz in seiner Arbeit als technischer Illustrator und Designer auf, mit der er sehr erfolgreich ist. Das ändert sich schlagartig, als Eiko (Rie Miyazawa) in sein Leben tritt und die beiden wenig später heiraten.
Tony liebt Eiko über alles und er kann sich nicht vorstellen, wieder allein und ohne sie zu sein. Doch ganz ungetrübt ist das Glück der beiden nicht, denn Eikos Begeisterung für schöne Kleider wird immer mehr zu einer Obsession, und zwar einer sehr teuren. Als Tony sie eines Abends darauf anspricht, setzt er eine tragische Kette von Ereignissen in Gang: Eiko kommt bei einem Verkehrsunfall ums Leben und Tony lernt zum ersten Mal den Schmerz der Einsamkeit kennen, zu dessen Verarbeitung er einen verblüffenden Plan entwickelt.
Tony Takitani basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Haruki Murakami und ist nicht nur eine sehr treue Adaption der Story und der Charaktere, sondern setzt auch konzeptionell neue Maßstäbe was zum Thema „Literaturverfilmung“ möglich ist. Große Teile der Geschichte erfahren wir von einem Erzähler, der teilweise wortwörtlich aus Murakamis Kurzgeschichte vorliest, wobei manchmal vom Erzähler begonnene Sätze von den Schauspielern beendet werden. Das ist meist dann der Fall, wenn diese Sätze starke Emotionen und Gedanken der Charaktere in Worte fassen und eine besondere Bedeutung haben. Ein solches „vor die Kamera bringen“ einer literarischen Vorlage ist mir bisher noch in keinem anderen Film begegnet!
Aber auch ästhetisch hat Jun Ichikawa ein außergewöhnliches, geniales Mittel herangezogen, um den Bezug zur Literatur filmisch auszudrücken: Der ganze Film ist geprägt von langsamen Kamerafahrten, bei denen die Kamera von links nach rechts an der gezeigten Szene „vorbeigleitet“, bis die Charaktere links aus dem Bildausschnitt verschwinden und so die nächste Szene eingeleitet wird. Diese Bewegung gibt dem Film nicht nur einen gleichmäßigen, bedächtigen Rhythmus, sie erinnert auch stark an das Blättern von Seiten in einem Buch.
Die Einsamkeit Tonys wird in immer neuen schmerzhaft-schönen Bildern regelrecht zelebriert. Wieder und wieder sehen wir Tony dabei allein, ganz in sich und seine Arbeit versunken, meist gegen den Himmel. Zusammen mit dem langsamen Dahinfließen und der betörend-melancholischen Klaviermusik von Oscar-Preisträger Ryuichi Sakamoto wird der Film so zu einer regelrechten Manifestation der Einsamkeit.
Wobei Einsamkeit hier aber durchaus differenziert betrachtet und keineswegs pauschal als etwas Schlechtes gesehen wird. Zu Beginn wird beispielsweise gezeigt, wie Tonys Drang nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit, also durchaus positiv belegte und begrüßenswerte Eigenschaften, zu seiner Einsamkeit beitrugen. Auch die Bilder des bis tief in die Nacht hinein ganz in seine Arbeit versunken über den Tisch gebeugt sitzenden Tony zeugen nicht nur von Einsamkeit, sondern auch von Energie und einer großen Liebe zum Zeichnen. Erst nach Eikos Tod sehen wir Tony offensichtlich bar jeder Eingebung, Begeisterung und Energie wie ein Häuflein Elend in seinen Schreibtischstuhl gesunken.
Wie meisterlich Regisseur Ichikawa es schafft, ohne große Worte oder Gesten und nur mit einfachsten filmischen Mitteln die Gefühlswelt und das Empfinden seiner Charaktere zum Ausdruck zu bringen, zeigt eine kleine, unscheinbare Szene in einem Supermarkt. Tony hat Eiko gerade seinen Antrag gemacht und wartet nun auf ihre Antwort, für die sie sich etwas Bedenkzeit erbeten hat. Äußerlich ist er völlig ruhig, ihm ist nichts anzumerken, wie er seinen Einkaufswagen vor sich herschiebt. Da fällt im Hintergrund plötzlich ohne menschliches Zutun eine Pyramide aus feinsäuberlich und ordentlich aufgestapelten Orangen auseinander – Sinnbild für Tonys geordnete und stabile Welt, die durch Eiko auf magische Weise durcheinander und aus dem Gleichgewicht gekommen ist.
Solche Symbole und Bilder finden sich immer wieder eingestreut, ich denke etwa an den Kaktus oder das zerbrechende Glas in der Bar sowie die Einschübe von Bildern sich im Wind wiegender Bäume und Sträucher, oder von rauchenden Schloten – ähnlich Ozu. Sehr schön in Szene gesetzt ist auch der außer Kontrolle geratende Shoppingwahn Eikos in einer Sequenz von aneinandergeschnittenen Einstellungen, in denen wir nur ihre Beine sehen, wie sie in immer neuen Schuhen rastlos von Geschäft zu Geschäft eilt.
Der generelle minimalistische Look des Films wird ergänzt durch die Dominanz grau-beiger Töne und ein körnig, oft verwaschen wirkendes Bild (wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob das nicht auch an der wenig überzeugenden DVD gelegen haben könnte) und erzeugt zusammen mit der Klaviermusik eine einzigartige Atmosphäre, der man sich einfach nicht entziehen kann. Allein um dieser Atmosphäre und seiner Bilder wegen – ganz abgesehen von den Themen und Charakteren – ist Tony Takitani schon absolut sehenswert!
Unter visuellen Aspekten passt hier wirklich alles perfekt zueinander. Jede Einstellung, jede Szene ist bis ins kleinste durchkomponiert, geprägt von einem selbst für japanische Filme außergewöhnlichen Minimalismus, und stellt für sich genommen schon fast ein eigenständiges Kunstwerk dar.
Anders als so manche Übung in filmischer Ästhetik der letzten Jahre erschöpft sich Tony Takitani aber nicht in visuellen Motiven, Symbolen oder Effekten allein sondern hat vielmehr spannende und hochaktuelle Themen zu bieten, die natürlich aus der Kurzgeschichte Murakamis stammen. Vereinsamung und Selbstgenügsamkeit in der postindustriellen, hochspezialisierten und -technisierten Welt sowie der zunehmende Verlust der Fähigkeit, menschliche Bindungen aufzubauen und wertzuschätzen, dafür steht Tony.
Auf der anderen Seite problematisiert Eikos Charakter den verzweifelten Versuch, ein schwer fassbares Minderwertigkeitsgefühl, eine empfundene innere Leere und die Suche nach dem Sinn des Lebens durch Konsum auszugleichen. Selbstdefinition und Selbstverwirklichung durch Konsum, das ist ihre Welt, die in eine schwere Krise gerät als Tony, nicht ahnend was er anrichtet, diese Haltung kritisch hinterfragt. Die Klärung der Frage „brauchst du das alles überhaupt?“ ist angesichts der Suche nach einem nachhaltigen Lebensstil von zentraler Bedeutung für die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Planeten. Zugleich müssen wir Wege finden, uns von den Dingen zu lösen, mit denen wir uns umgeben und über die wir uns oft auch definieren.
Für Tony war die konsequente Trennung von allen materiellen Erinnerungen an die beiden einzigen Menschen in seinem Leben, die ihm etwas bedeutet haben, die logische Konsequenz: Eikos Kleider verkauft er ebenso an einen Second-Hand-Laden wie nach dem Tod seines Vaters dessen Schallplatten. Gleichzeitig gelingt es ihm aber nicht, die entstandene Leere mit etwas anderem, einem menschlichen, immateriellen Element zu füllen, obwohl sich ihm die Chance bot aus diesem selbstgeschaffenen Gefängnis der Einsamkeit auszubrechen.
Für den einen oder anderen mag Tony Takitani auf Grund seines langsamen Rhythmus und der vielen Off-Erzählungen eher langweilig wirken, für mich ist er schlicht einer der besten Filme des vergangenen Jahrzehnts. Die literarische Vorlage Haruki Murakamis wurde von Regisseur Ichikawa genial aufgegriffen und filmisch umgesetzt. Entstanden ist dabei mit einfachsten Mitteln geradezu ein stilistisches Monument, das man als Cineast einfach gesehen haben muss. Mehr gibts dazu nicht mehr zu sagen.
Nach der Berlinale steht nun bald schon das nächste Filmfest für mich an, die Nippon Connection in Frankfurt. Seit gestern können die Eintrittskarten online gekauft werden (hab ich natürlich gleich gemacht), das Programmheft kann man sich als pdf herunterladen.
Natürlich steht auch die NC unter dem Eindruck der furchtbaren Ereignisse in Japan in den letzten Wochen. Das Festivalteam unterstützt mittels Aktion Deutschland Hilft die Opfer des Erdbebens. Dazu sollen von jedem Ticket 50 Cent an die Hilfsorganisation gehen, außerdem gibt es eine „Help Japan“-Party, deren Erlös den Erdbebenopfern zukommen wird. Wer nicht in Frankfurt ist, kann natürlich auch direkt spenden.
Kommen wir zu erfreulicherem, den Filmen! Neben den absoluten Highlights wie der Deutschlandpremiere von Arrietty oder der Sion Sono Retrospektive erscheint mir das Festival-Programm dieses Jahr besonders durch viele Love-Stories unterschiedlichster Couleur geprägt zu sein. Außerdem werden am Sonntag mehrere Folgen von The Tatami Galaxy gezeigt, da sitze ich aber schon wieder im ICE nach Hamburg.
Konkret sieht mein Filmplan so aus, dass es am Donnerstag gleich richtig losgeht mit der Sion Sono Retro:
Am Freitag folgen dann 4 Vorstellungen, den Auftakt macht die erwähnten Arrietty-Premiere:
Für den Samstag hab ich dann nur noch zwei Filme gefunden, da liegt der Schwerpunkt dann eher auf den kulinarischen und sonstigen Aktivitäten:
Falls sich jemand wundert, ja, Takahisa Zezes in Berlin ausgezeichnetes 4-Stunden-Epos Heaven’s Story lasse ich aus. Für so eine Marathon-Vorstellung fehlt mir im Festivalzentrum einfach der Komfort richtiger Kinosessel, außerdem gehe ich davon aus, dass ich noch weitere Gelegenheiten bekommen werde, den Film zu sehen 😉
Vielleicht trifft man sich!