Zu den erstaunlichen Errungenschaften der japanischen Filmindustrie gehört die Fähigkeit, einmal etablierte erfolgreiche Marken mit immer neuen Kniffen und Fortsetzungen finanziell auszuschlachten. Die einzige mir bekannte Filmserie aus dem Westen, der Vergleichbares über lange Jahre hinweg gelang, ist die James Bond-Reihe.

Als James Bond 1962 das erste Mal Jagd auf größenwahnsinnige Verbrecher machte, hatte Godzilla bereits dreimal Tokyo in Schutt und Asche gelegt und damit den Studios gezeigt, dass Erfolg reproduzierbar sein kann. Und wenn Japaner eines können, dann erfolgreiche Dinge adaptieren und noch bis in kleinste Detail perfektionieren. Also ging Godzilla in Serie und nach ihm noch viele andere Monster, Helden und Antihelden. Ein paar der schillerndsten Beispiele haben den Weg auch in dieses Blogpost gefunden. Vorhang auf für:

Doraemon

Erster offizieller „Anime Botschafter“ Japans, basierend auf einer in den späten 60ern erschienenen Manga-Serie, aus der dann zuerst eine TV-Serie und ab 1981 auch eine Filmserie wurde. Es geht um die Roboterkatze Doraemon, die aus dem 22. Jahrhundert von ihrem Besitzer zurückgeschickt wurde, um dessen Ahnen (und damit letztlich auch ihm selbst) zu einem besseren Leben zu verhelfen. Die letzten 5 Folgen der Reihe aus den Jahren 2008, 2007, 2006, 2004 und 2003 erzielten alle um die 25 Mio. US-$ an den japanischen Kinokassen und gehörten zu den Top-20 Filmen der jeweiligen Jahre. Da lässt der nächste natürlich nicht lange auf sich warten:

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=CkDiSQO8apw[/flash]

Tora san

Die bis vor kurzem längste Filmserie der Welt, mit nicht weniger als 48 Teilen. Das Original „Otoko wa tsurai yo“ (in etwa „Ein Mann hats schwer“) von 1969 basierte auf einer kurzen TV-Serie. Die Filme liefen immer nach demselben Muster, demzufolge der sympathische Loser Torajiro sich hoffnungslos verliebt, dann aber dummerweise seine Angebetete mit einem anderen verkuppelt. Die Reihe lief bis 1995 und wird aktuell von Shochiku zum 40. Geburtstag nächstes Jahr groß promotet, speziell auch um das neue Online Filmarchiv des Studios zu pushen. Da die Marke nach wie vor sehr bekannt und geschätzt ist und andere Franchises wie Batman, Bond und demnächst Star Trek es derzeit vormachen, wie man eine etablierte Serie neu startet und re-interpretiert, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass es nicht bei 48 Tora-san Filmen bleibt.

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=lgBJyu5Ng9Y[/flash]

One Piece

Eine weitere Anime-Adaption einer sehr erfolgreichen Manga- und Animeserie, in der ein Junge der König der Piraten werden möchte und dazu den Schatz One Piece sucht. Die seit 2000 neunmal aufgelegte Filmreihe ist, was ihre Einspielergebnisse angeht, etwas auf dem absteigenden Ast (von 13-14 Mio auf nur noch 6-7 Mio).

Lone Wolf and Cub

Ein Klassiker (im Original „Kozure Okami“), dessen 6 Hauptteile in sehr kurzer Zeit zwischen 1972 und 1974 gedreht wurden und der ebenfalls auf einem Manga basiert. Der Hauptcharakter ist ein in Ungnade gefallener Henker (naja, die japanische Ausgabe davon mit einem Schwert), der sich daraufhin als Auftragskiller durchschlägt und dabei seinen dreijährigen Sohn in einem Kinderwagen vor sich herschiebt. Die Filme wurden bekannt für stilisierte, blutige Kampfszenen, in denen der Henker im Alleingang scharenweise Gegner niedermetzelt. 1980 kam dann noch ein siebter Teil hinzu.

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=GGwvHt979jI[/flash]

Zatoichi

Wo wir schonmal bei Gemetzel sind, kommen wir doch zu einem Paradebeispiel dafür, wie es gelingen kann, eine Filmreihe am Leben zu erhalten und auch wiederzubeleben: Die Zatoichi-Reihe, deren Hauptfilme zwischen 1962 und 1973 gedreht wurden (25 Filme in 11 Jahren!), bevor es 1989 ein erstes „Remake“ unter der Regie des Zatoichi-Darstellers Shintaro Katsu und 2003 dann den berühmten Kitano-Zatoichi gab. Die Besonderheiten der ursprünglichen Filme habe ich früher schon zusammengefasst. Mit welcher Radikalität Kitano in seiner Neu-Interpretation dann neue Ideen in den Jidaigeki-Klassiker um den blinden Schwertkämpfer pumpte, zeigt exemplarisch die Schlussszene des Films:

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=U2rkn30Atic[/flash]

Pokemon

Das finanziell erfolgreichste japanische Film-Franchise überhaupt, dessen inzwischen 11 Anime seit dem Start 1999 allein an den japanischen Kinokassen fast eine halbe Milliarde (!!) Dollar eingespielt haben. Der erste Film war zudem mit 85 Mio US-$ Einspielergebnis der erfolgreichste japanische Film aller Zeiten in den USA. Zur Abwechslung entstand die Filmreihe mal nicht auf Basis eines Manga, sondern aus einem Videospiel von Nintendo heraus. Es geht um irgendwelche komischen Mini-Monster, die aberwitzige Abenteuer bestehen müssen. Fragt mich nicht… Neben den ursprünglichen Videospielen und den Filmen gibt es TV-Serien, Manga-Serien, CDs, Büchern, Sammelkrams usw., kurz: Pokemon ist das wohl perfekte Beispiel für die crossmediale Erweiterung und Vermarktung einer Unterhaltungsmarke, und wurde regelrecht zu einem kulturellen Phänomen.

Ausblick

Zwei weitere Manga, die in den letzten Jahren zu Realfilmen verarbeitet wurden, haben großes Potenzial für langfristig erfolgreiche Serien: Always – Sunset on Third Street spielte 2005 noch etwa 25 Mio US-$ ein, die Fortsetzung letztes Jahr bereits über 40 Mio. Und dieses Jahr startete die erste Verfilmung von 20th Century Boys, die, wie viele Mangaverfilmungen, ausgesprochenes Serien-Potenzial in sich birgt.

PS:
Wer noch mehr über Godzilla lesen möchte, kann den Wikipedia-Artikel als Einstieg nehmen. Es gab besonders in den 70ern noch eine Vielzahl von Kleinserien, oft aus dem Exploitation oder Pinku-eiga Genre, in dem ich aber nicht so firm bin. Vielleicht schreibe ich dazu später mal noch mehr.

Original: Gyakuryu (1924) von Buntaro Futagawa

Der junge Samurai Mikisaburo (Tsumasaburo Bando) setzt alles daran, die Ehre seiner Familie wiederherzustellen und studiert dazu die klassischen Künste der Samurai. Sein schweres Los wird nur von seiner scheuen Liebe zu Misao aufgehellt, der Tochter seines Schwertkampflehrers.

Eines Tages wird Mikisaburos Mutter auf der Straße vom Pferd des vorbeigaloppierenden Genzaburo, Sohn des Clan-Vorstehers, getötet, ohne dass dieser zur Rechenschaft gezogen wird. Als kurz darauf Genzaburo auch noch Mikisaburos Schwester verführt und sogar Misao heiratet, begehrt Mikisaburo auf. Doch er wird aus der Stadt verstoßen und verfällt dem Alkohol. Als er Jahre später zufällig den Ausflüglern Genzaburo und Misao begegnet, nimmt er blutige Rache.

Von Backward Current sind nur noch 28 Minuten erhalten, darunter aber alle entscheidenden Szenen, so dass wir dem Schicksal von Mikisaburo gut folgen können. Die Grundidee, einen von den Ungerechtigkeiten der sozialen Ordnung frustrierten Loser gegen das System antreten und rebellieren zu lassen, war Anfang der 1920er wohl ziemlich revolutionär. Hauptdarsteller Tsumasaburo Bando (auch bekannt unter dem Namen Bantsuma), der erst im Vorjahr sein Debut gegeben hatte und später häufig in derartigen Rollen auftrat, bekam dadurch immer wieder Probleme mit den japanischen Autoritäten.

Aber der Film ist auch in anderer Hinsicht sehr interessant. Besonders die letzte Szene, in der Mikisaburo wie im Rausch zuerst seine alte Liebe Misao tötet und dann seinen Erzfeind Genzaburo regelrecht hinrichtet, erstaunt durch eine sehr realistische, blutige Inszenierung.

Ebenfalls sehr modern wirken mehrere ausgedehnte Kamerafahrten, darunter besonders die Szene, in der Genzaburo mit seinem Gefolge auf die vor diesen herfahrende Kamera zureitet. Außerdem finden sich auch eine Reihe interessanter Kniffe, z.B. wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers einige Male durch teilweises Ausblenden des Bildes auf Details wie etwa Enten gelenkt. Sehr schön in Szene gesetzt ist auch der Moment, in dem Mikisaburo von der Romanze seiner geliebten Misao mit Genzaburo erfährt und endgültig verzweifelt: In der Bildmitte im Vordergrund sehen wir ihn, links im Hintergrund die beiden Flirtenden.

Backward Current ist mit seinen nur 28 erhaltenen Minuten dennoch ein immens interessanter Film, besonders in der von Digital Meme vorgelegten Fassung mit einer faszinierenden Begleitung durch eine neu eingespielte Benshi-Performance. Wer sich für frühe Entwicklungen des Kinos – und zwar nicht nur des japanischen, denn die Innovationen in Backward Current waren zum großen Teil durch amerikanische Filme inspiriert – interessiert, sollte hier unbedingt mal einen Blick drauf werfen.

Kyoko Kagawa

Die wohl letzte noch aktive Grande Dame der goldenen Ära des japanischen Films feiert heute ihren 77. Geburtstag, ein willkommener Anlass auf eine lange, interessante und lehrreiche Karriere zurückzublicken.

Kyoko Kagawa wurde 1931 in Tokyo geboren und begann ihre Schauspielkarriere 1950 bei Shintoho. Ihre erste wichtige Rolle hatte sie dann 1952 in Mikio Naruses Die Mutter als die lebensfrohe, der Kindheit entwachsende und mit den Härten des Erwachsenwerdens konfrontierte Tochter. In der Folge arbeitete sie mit allen großen Regisseuren zusammen und trat dabei oft in der Rolle der traditionellen Tochter (etwa in Tokyo Story oder Kenji Mizoguchis Sansho dayu) oder der von den üblichen Konventionen geleiteten Ehefrau auf.

Ein erster Ausreißer aus diesem Muster war ihre Rolle als junge, nach modernen westlichen Vorbildern lebende und damit ihren älteren Mann verschreckende Ehefrau in Shiro Toyodas 1956 entstandener Gesellschaftskomödie A Cat, Shozo and Two Women, in der sie eine kräftige Kostprobe ihrer Vielseitigkeit gab.

Diese konnte sie in der Folge vor allem in der Zusammenarbeit mit Akira Kurosawa demonstrieren. In seiner Gorki-Adaption Nachtasyl gab sie die mit sich selbst hadernde, von ihrer Schwester unterdrückte Bewohnerin eines Slums, in Zwischen Himmel und Hölle die Frau eines Millionärs und in Die Bösen schlafen gut die tragische Heldin, die in den Konflikt zwischen ihrem Vater und ihrem Ehemann gerät und letztlich nichtsahnend den Tod ihres geliebten Mannes verursacht. Nach einer kleinen Nebenrolle als männermordende, wahnsinnige Patientin in Rotbart setzte sie dann wie fast alle Schauspielerinnen ihrer Generation mit der Gründung ihrer Familie die Karriere aus.

Fast 30 Jahre vergingen, bis sie in den 90er Jahren wieder einige – zumeist kleine – Nebenrollen in Film und Fernsehen übernahm. Die zweifelsohne bemerkenswerteste dabei war wieder für Kurosawa, in seinem letzten Film Madadayo. In dem erst vor wenigen Wochen in die japanischen Kinos gekommenen Tonan kadobeya nikai no onna übernahm sie dann (IMDb zufolge) nochmals eine Hauptrolle, auf die hoffentlich noch weitere folgen werden. In diesem Sinne, alles Gute zum Geburtstag: おめでとうございます香川さん!

Wichtige Filme:

1950 – Wakasama samurai torimonochō: nazo no nōmen yashiki
1951 – Who knows a woman’s heart
1952 – Die Mutter
1953 – The Tower of Lilies
1953 – Tokyo Story
1954 – Sansho dayu
1954 – Eine Erzählung nach Chikamatsu
1956 – A Cat, Shozo and Two Women
1957 – Nachtasyl
1959 – The Birth of Japan
1960 – Die Bösen schlafen gut
1962 – Till tomorrow comes
1963 – Zwischen Himmel und Hölle
1965 – Rotbart
1970 – Onna kumicho
1993 – Madadayo
1996 – Shall we dansu?
1998 – Afterlife
2008 – Tonan kadobeya nikai no onna

Genau rechtzeitig für den Weihnachtseinkauf kommen von Amazon.com zwar keine Einkaufsgutscheine, dafür aber saftige Rabatte auf Criterion DVDs! Insgesamt über 100 Titel aus dem Katalog sind um rund 40 Prozent reduziert, darunter auch die Boxen der Eclipse-Reihe und ein paar echte Schmankerln für Liebhaber japanischer Klassiker, beispielsweise:

Und noch ein paar mehr, da hat der Weihnachtsmann ganz schön zu schleppen! 😉

Original: Higanbana (1958) von Yasujiro Ozu

Der für seine in familiären Angelegenheit gelassene, recht moderne Haltung bekannte Wataru Hirayama (Shin Saburi) ist bei Freunden und deren Familien ein häufig aufgesuchter Ratgeber in Sachen Verheiratung der Töchter. Gerne rät er seinen Freunden, gelassen mit ihren Töchtern umzugehen und nicht auf eine arrangierte Hochzeit zu drängen, und die Töchter bestärkt er darin, sich bei der Suche nach dem richtigen Ehemann Zeit zu lassen.

Als er jedoch plötzlich von dem jungen Taniguchi (Keiji Sada) um die Hand seiner Tochter Setsuko (Ineko Arima) gebeten wird, schaltet Wataru auf stur und untersagt zum Entsetzen seiner Familie die Hochzeit. Alle Tricks der Freundinnen von Setsuko und die Überredungskunst der Mutter scheinen zunächst fruchtlos. Doch langsam beginnt Watarus Widerstand zu bröckeln, nicht zuletzt als er in der Familienkrise eines alten Schulfreunds zu vermitteln beginnt, der sich mit seiner Tochter über deren Heiratspläne überworfen hatte.

Wieder einmal nimmt sich Ozu des Verhältnisses von Vater und Tochter und besonders des mit der Hochzeit der Tochter verbundenen Loslassens an. Equinox Flower wirft dabei ein besonderes Schlaglicht auf das durch die gesellschaftliche Modernisierung Japans in den 50er Jahren in grundlegender Veränderung begriffene Heiratsverhalten und die Abkehr von der arrangierten Hochzeit hin zur Liebeshochzeit. Zwar bekommt dabei vor allem der sturköpfige Wataru, der den Töchtern seiner Freunde gegenüber den liberalen und verständnisvollen Modernisten gibt und – als es dann um seine eigene Tochter geht – plötzlich zum traditionellen Patriarchen mutiert, den Spiegel vorgehalten.

Aber Ozu kritisiert auch die junge Generation, der es an Verständnis für ihre Eltern fehlt, die auf ihre Art ja nur das beste für ihre Töchter wollen. So scheint der Anlass für Watarus Verärgerung und Ablehnung Taniguchis auch weniger der Fakt, dass Setsuko einen anderen Mann heiraten will als den von ihm „auserwählten“, sondern dass sie die Eltern nicht in diese Entscheidung einbezogen hatte.

In der zweiten Hälfte des Films wirkt der anfangs noch so sichere und mit sich und der Welt zufriedene Wataru zunehmend nachdenklich und zutiefst verunsichert, eine logische Folge der inneren Widersprüche seiner Haltung gegenüber seiner Tochter im Vergleich zu seiner zuvor propagierten Einstellung. Aber diese Verunsicherung scheint noch tiefer zu gehen und etwas zu sein, das er mit seinen alten Freunden teilt, die nämlich alle Töchter im heiratsfähigen Alter haben. Für sie alle heisst es, einerseits Abschied von einem durch die eigenen Kinder geprägten Lebensabschnitt zu nehmen, aber auch von der ihnen vertrauten Gesellschaftsordnung, die ihr ganzes Leben und ihre eigene Ehe geprägt hatte.

Ein Stück der Verunsicherung könnte allerdings auch aus den schon fast unverschämten Streichen folgen, die Wataru von einer Freundin seiner Tochter gespielt werden. Sie führt ihm einerseits vor Augen, wie sehr er mit zweierlei Maß misst und andererseits, wie leicht angesichts des Selbstbewusstseins, des Willens und der Chuzpe der jungen Generation seine Autorität zerbröckelt. Damit es schließlich doch noch zu einem Happy End kommt, muss er gleich mehrfach über seinen Schatten springen, lässt sich dazu aber durch die Liebe zu seiner Tochter antreiben.

Verglichen mit Später Frühling, in dem Ozu ein Jahrzehnt zuvor das Abschiednehmen von Vater und Tochter eindringlich und herzergreifend dargestellt hatte, hat Equinox Flower einige kräftige komödiantische Elemente und kommt sehr viel leichtfüßiger daher. Möglicherweise ein Nebeneffekt des erstmals von Ozu verwendeten Farbfilms? Tatsächlich machen dieser Hauch Komödie und die Farben Equinox Flower zu einem direkt unterhaltsamen Film – in dem Sinne, dass man ihn auch auf einer Ebene konsumieren kann, wie es bei den ersten, thematisch meist recht schweren Nachkriegsfilmen Ozus undenkbar war. Das macht den Film in meinen Augen zu einem sehr guten Einstieg in das nicht immer ganz leicht zugängliche Werk des Meisters.

Zum Jahreswechsel heisst es langsam wieder, Bilanz ziehen und Kennzahlen der Filmindustrien vergleichen. Die Differenzen zwischen Japan und Deutschland zeigen sich dabei exemplarisch bei einem Vergleich der jeweiligen Marktführer. Auf der Website der Constantin Film AG heisst es:

Über die vergangenen 7 Jahre war Constantin Film mit deutlichem Abstand Marktführer unter den unabhängigen Verleihern in Deutschland und dabei auch konstant auf Augenhöhe mit den US Major Studios. Im Verleihjahr 2007 erzielten wir mit über 8,6 Millionen Besuchern einen Marktanteil von knapp 7,7 Prozent. Trotz des allgemein herausfordernden Kinojahres 2007 ist es Constantin Film somit erneut gelungen, sich an der Spitze der deutschen Independent-Verleiher zu positionieren.

Betrachten wir die Zahlen zum Geschäftsjahr 2008, über die letzte Woche berichtet wurde:

Die Constantin Film AG hat in den ersten drei Quartalen 2008 einen Umsatz von Euro 166,9 Millionen erzielt (Vorjahr Euro 173,4 Millionen). […] Die Constantin Film AG erhöht daher die Umsatzprognose für das Jahr 2008 von zuvor mindestens Euro 230 Millionen auf ca. Euro 250 Millionen und geht nunmehr für 2008 von einem positiven Betriebsergebnis von mindestens Euro 14 Millionen (ehemals mindestens Euro 12 Millionen) aus.

Zum Vergleich: Der japanische Marktführer Toho rechnet für 2008 ebenfalls mit einem guten Jahr, was nicht zuletzt daran liegt, dass allein Hayao Miyazakis Ponyo dieses Jahr um die 120 Mio Euro umsetzte. Bei Toho erwartet man für das Gesamtjahr Erlöse von ca. 690 Mio Euro und einen Gewinn in der Region von 50 Mio Euro.

Der grundlegende Unterschied wird deutlich, wenn wir mal die Einspielergebnisse auf Filmebene vergleichen:

In Japan belegt Toho aktuell mit Ponyo (~120 Mio Euro) und Hana yori dango (~ 55 Mio Euro) die Plätze 1 und 2 in der Jahreshitliste und ist darüber hinaus noch mit Pokemon 10 (~ 34 Mio), Twentieth Century Boys (~ 28 Mio), Doraemon (~ 23 Mio),  Paco and the Magical Book (~ 18 Mio) und Detective Conan (~ 18 Mio) in den Top20 vertreten.

In Deutschland sieht die Sache gleich ganz anders aus, Constantin hat als einzige deutsche Filme gerade mal Die Welle (~ 18 Mio) und den Baader Meinhof Komplex (~ 17 Mio, da kommt aber noch was dazu, der läuft ja noch) in den Top20. BMK wird es wohl noch in die Top10 schaffen, die ansonsten von US-Filmen dominiert werden.

Bezeichnend, oder?

Original: Shin heike monogatari (1955), von Kenji Mizoguchi

Zur Abwechslung mal ein Mizoguchi, der nicht die Leidensgeschichte von Frauen zum Thema hat, sondern der sich mit einer Legende aus der japanischen Geschichte befasst, nämlich der vom Aufstieg der Taira unter ihrem Führer Kyomori in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts unserer Zeit. Kurz zum Hintergrund: Die Macht im Japan der Heian-Zeit lag in den Händen einer adligen Beamtenkaste sowie einiger mächtiger Klöster, es gab teilweise mehrere Kaiser gleichzeitig, die sich Samuraiheere hielten, aus denen sich mächtige Clans entwickelten, darunter die Taira.

Gerade kehrt der kaisertreue Clan von einer Schlacht zurück, als Kyomori Taira (Raizo Ichikawa) erfährt, dass er möglicherweise ein unehelicher Sohn des abgedankten Kaisers Shirakawa ist. Er bedrängt seinen Ziehvater Torodai, Führer des Clans, ihm die Wahrheit zu verraten. Doch dieser kennt die Ambitionen des jungen Kyomori und dessen Verachtung für die adligen Beamten und die Mönche, die den Aberglauben der Menschen ausnutzen, um ihre Macht zu sichern, und will den Ehrgeiz Kyomoris zügeln.

Doch im Tode gibt Torodai das Geheimnis schließlich preis und Kyomori, der zuvor bereits den Konflikt mit dem Beamtenapparat gesucht hatte, nutzt eine sich bietende Gelegenheit, um die Mönche zu konfrontieren und den Untergang der alten Ordnung einzuleiten.

Screenshot 3 Taira Clan

Auf den ersten Blick hat der Film wenig mit den sehr viel bekannteren Meisterwerken Mizoguchis zu tun, in denen oft Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen im Zentrum stehen. Doch auch Tales of the Taira Clan erzählt die Geschichte eines Kampfes gegen ungerechte Verhältnisse, nämlich den der Samurai um Anerkennung und Teilhabe an der Macht, die ihnen von den auf sie herabblickenden Adligen verwehrt wird und passt sich insofern gut in das Werk ein. Ungewöhnlich sind jedoch die häufigen und opulent ausgestalteten Massenszenen.

Der Film beginnt direkt auf einem belebten Markt, auf dem Mizoguchi in seiner charakteristischen Art durch Kamerafahrten immer wieder den Schwerpunkt verschiebt und neue Personen ins Zentrum rückt. So vergehen fast zwei Minuten, bis für die Ankunft der aus der Schlacht zurückkehrenden Taira ein erster Schnitt erfolgt, der aber gleich zu einer noch beeindruckenderen Szenerie überleitet, siehe den ersten Screenshot. Solche Szenen habe ich bisher bei den sehr auf die Charaktere fokussierten anderen Filmen Mizoguchis kaum gesehen, und auch wenn sie exzellent inszeniert sind, wirken sie doch irgendwie erzwungen.

Sehr viel typischer sind dann doch die vielen ruhigen Momente des Films, in denen Kyomori sich zunächst die Achtung seines Clans erarbeitet, das Rätsel seiner Herkunft löst und sich darüber mit seiner Mutter überwirft. In der Beschränkung und Ruhe der häuslichen Szenen zeigt sich die Genialität des Meisterregisseurs, wenn er etwa Kyomori vor seinen Kämpfern eine Art Fechtübung aufführen lässt, bei der dessen Bewegungen sich ausschließlich auf den Raum zwischen zwei Balken beschränken und so auf extreme Weise die Aufmerksamkeit auf einen winzigen Teil des Bildes fokussiert wird.

Auf Grund der Komplexität des historischen Hintergrunds (der zum Auftakt selbst für die japanischen Zuschauer lang und breit durch einen Off-Erzähler erklärt werden musste) ist es manchmal nicht ganz einfach, dem Film und seiner Handlung zu folgen. Dazu trägt auch bei, dass neben dem Aufstieg Kyomoris und dem Rätsel seiner Herkunft als dritter Haupthandlungsstrang auch noch eine Liebesgeschichte eingebaut wurde. Hier hätte ich mir etwas mehr Konzentration gewünscht, entweder auf die persönliche Geschichte des Hauptcharakters, oder auf die Historie.

Tales of the Taira Clan ist zwar ein guter und durchaus sehenswerter Film, der den meisten Regisseuren zur Ehre gereichen würde, der neben Mizoguchis anderen Filmen trotz des betriebenen materiellen Aufwands aber doch ziemlich verblasst.

Beim Durchsehen der Kommentare von Flo und Claus fielen mir ein paar Punkte auf, wie die beiden sich ein Filmfest vorstellen: Genannt werden da vor allem die Lokalitäten, also schöne, reizvolle Kinos und die Atmosphäre. Als Mit-Organisator eines Filmfestivals interessiert mich jetzt natürlich brennend, ob das alle so sehen, und welche Punkte noch wichtig sind.

  • Kinos: groß, alt, ehrwürdig, gemütlich, Technik vom Feinsten… was zählt für euch?
  • Filme: topaktuell, Klassiker, 35mm, große Namen oder eher Nachwuchskünstler?
  • Publikum: popcornmampfende Teenies vs. Rotweintrinker mit Goldrandbrille?
  • Rahmenprogramm: Podiumsdiskussion, Flohmarkt, Sushi-Kurs…

…wie müsste das Festival zum Anfassen für euch aussehen? Und was fehlt noch?

Wer keine Lust auf ausführliches Kommentieren hat, kann auch einfach bis zu drei Punkte aus der ersten Japankino-Abstimmung rechts auswählen. Freue mich aber schonmal auf eine interessante Diskussion mit den Festivalgängern hier!