19 Mai
Bin gerade zurück vom letzten großen Meeting eine gute Woche vor dem Start des Japanischen Filmfests Hamburg. Irgendwie kann ich mir immer noch nicht so richtig vorstellen, dass alles wirklich klappt, bei all dem kreativen Chaos, aber muss ja! Große Themen heute waren vor allem die unmittelbaren ToDos in den letzten Tagen (Programme und Flyer verteilen, Team für die Eröffnungsfeierlichkeiten) sowie die Gästebetreuung.
Bei stolzen 6 Gästen gab es bis zuletzt Probleme, Unterkünfte aufzutreiben, und so habe ich mein Bettsofa dann auch noch zur Verfügung gestellt. Jetzt freue ich mich schon sehr auf meinen Gast, Hidehito Kato, den 23jährigen Regisseur von Depend on the deserted house und bin natürlich total gespannt, was das wohl für ein Typ ist und ob wir uns überhaupt verständigen können!
Was gibts noch zu berichten? Wir haben jetzt einen Merchandising-Shop, den ich am Wochenende schnell improvisiert habe. Von jedem T-Shirt bzw. jeder Tasse gehen ein paar Euro in die Festival-Kasse, wenn du also nicht kommen kannst, uns aber trotzdem unterstützen willst (und gerne so tun möchtest, als wärst du dabei gewesen), dann greif zu!
Außerdem haben wir kurzfristig auch noch eine Sonderaktion für den Eröffnungsfilm Maiko Haaaan!!! beschlossen: Alle Japanerinnen, die in traditioneller Kleidung (also Kimono oder Yukata) kommen, haben freien Eintritt!
Und dann bin ich endlich dazu gekommen, meinen persönlichen Fahrplan fürs Festival zusammenzubasteln. Einen Film weniger als letztes Jahr habe ich eingeplant, habe dieses Jahr ja keinen Urlaub genommen. Dafür ist am Wochenende mehr Spielraum. Falls du auch dabei bist, könnten wir uns bei den folgenden Filmen über den Weg laufen:
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Von den Animevorführungen werde ich dieses Mal keine besuchen, und die großen Splatter-Highlights wie The Machine Girl oder Tokyo Gore Police sind auch nicht so mein Ding, da fällt es mir nicht schwer, zu verzichten. Leider werde ich wohl als eines der wenigen Teammitglieder nicht beim Bondage-Themenabend mit dabei sein, aber irgendwer muss ja auch in den anderen Kinos Filmansagen machen und nach dem Rechten sehen.
Der einzige Film, bei dem mir die Entscheidung nicht hinzugehen wirklich schwer fiel war Girl Sparks. Der läuft leider nur einmal am Samstag Abend, zeitgleich mit Faces of a fig tree, und die Chance, den in der 35mm-Version auf der großen Leinwand zu sehen, kann ich mir einfach nicht entgehen lassen. Man merkt dem Spielplan schon deutlich an, dass statt 40 dieses Jahr „nur“ 31 Filme laufen. Es gibt viel weniger Überschneidungen, mehr Freiräume zum Kinowechseln und generell ist alles irgendwie entspannter. Hoffentlich lässt sich das in zwei Wochen auch vom ganzen Festival sagen!
Mal wieder bietet uns Mark Schilling einen interessanten Überblick zum Zustand der Filmindustrie (mit Schwerpunkt auf Indie-Produktionen) in Japan, das mit fast genau 2 Mrd. US-$ Umsätzen an den Kinokassen der zweitgrößte Filmmarkt der Welt ist. 163,2 Mio Kinokarten wurden dort 2007 verkauft, rein statistisch gesehen geht also jeder Einwohner 1,28 Mal im Jahr ins Kino. Doch wie war das vor einem halben Jahrhundert, in der goldenen Ära des japanischen Kinos?
Vergleichen wir den Schilling-Artikel also mit den Zahlen1 aus den späten 1950er Jahren: Damals ging der Normal-Japaner 12 Mal im Jahr im Kino, zehnmal so oft wie heute! Das Fernsehen hat unübersehbar seine Spuren hinterlassen… Nur vergleichsweise gering zurückgegangen ist dagegen die Anzahl der japanischen Filme, die in den Kinos gezeigt wurden: Stolze 407 heimische Werke liefen 2007, vor 50 Jahren schwankte dieser Wert noch um die 500.
Jedoch finden nicht alle in Japan produzierten Filme auch den Weg auf die Leinwand, besonders kleine, unabhängige Labels haben massive Schwierigkeiten, Kinos zu finden, die ihre Filme spielen. Das hängt nicht zuletzt mit den Besonderheiten des Distributionssystems in Japan zusammen. Die großen Studios, allen voran Toho, besitzen eigene Kinoketten, während kleine Studios Verträge mit unabhängigen Kinos aushandeln müssen. Das war vor einem halben Jahrhundert genauso, doch lag damals die Zahl der Kopien für die „großen“ Filme viel niedriger als heute: 50 Kopien wurden damals durchschnittlich von einem Film angefertigt, bei großen Produktionen 70 bis 100 (bei ca. 7000 Kinos im Land). Heute dagegen startet kaum noch eine größere Produktion mit weniger als 100 Kopien, die „Blockbuster“ kommen locker auf 300 bis 400. Dementsprechend weniger Slots in den Kinos bleiben für die kleinen Fische.
Die Bedeutung ausländischer Filme nahm zudem in den letzten Jahrzehnten deutlich zu, auch wenn diese im internationalen Vergleich noch immer bemerkenswert gering ist. Fast genau die Hälfte der in japanischen Kinos gezeigten Streifen kommt heute aus dem Ausland (und das entspricht auch in etwa ihrem Umsatzanteil), in den guten alten Zeiten war es nur ein Viertel. Dennoch ist der japanische Filmmarkt in guter Verfassung, Studios sind nicht auf Export ihrer Filme angewiesen und können die Finanzierung ihrer Projekte ganz aus heimischen Mitteln decken, meist über verschiedene Partner wie TV-Sender, Verlage oder Sponsoring.
Die Industrie kann es sich also leisten, sich ganz auf ihr heimisches Publikum zu konzentrieren, daran hat sich in den letzten Jahrzehnten trotz der dramatisch gesunkenen Zuschauerzahlen wenig geändert. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass unmittelbar nach der goldenen Ära, etwa ab Mitte der 1960er Jahre, der durch die Verbreitung des Fernsehens verursachte Rückgang der Zuschauerzahlen die Filmindustrie schwer traf und diese in eine tiefe Krise schickte. Aber diese Geschichte erzähle ich ein andermal.
1 Die Angaben stammen aus Joseph L. Anderson/Donald Richie: The Japanese Film. Art and Industry
14 Mai
Seit der letzten Blogschau ist reichlich Wasser den Rhein hinuntergeflossen, es gibt einiges nachzuholen!
Eine ganze Reihe von Reviews zu Filmen von Yasuzo Masumura hat Lukas Förster in den letzten Wochen auf seinem auch sonst sehr lesenswerten Dirty Laundry-Blog geschrieben. Masumura, von dem ich praktisch gar nichts wusste bis ich über Lukas Beiträge auf ihn aufmerksam wurde, war ein sehr produktiver Regisseur. Drei oder vier Filme pro Jahr waren für ihn durchaus normal, so dass sein Werk trotz seines recht frühen Todes mit nur 62 Jahren doch über 60 Filme umfasst. Nachdem ich bei Lukas über Giants and Toys, Warm Current, The Black Test Car und The Wife of Seishu Hanaoka und bei Dennis Grune von Red Angel gelesen hatte, hab ich jetzt Irezumi in die Finger bekommen, auf den ich schon sehr gespannt bin! Klingt ein bisschen wie eine Mischung aus The Life of Oharu und Lady Snowblood…
Und dann möchte ich heute noch auf einen ganz jungen Blog hinweisen, und zwar einen ganz besonderen Blog, bei dem ich mir nicht mal ganz sicher bin, wie er heisst. Ich nenn ihn jetzt einfach mal Taks Hayao Miyazaki Fanblog. Das Besondere: Tak ist ein Japaner Ende vierzig, der in Neuseeland lebt und vor etwa 20 Jahren die Filme von Miyazaki für sich entdeckte. Und seit ein paar Wochen bloggt er, auf Englisch! Damit ist das der erste Blog eines Japaners, den ich hier vorstelle. Tak schreibt zwar ganz aus der Sicht des glühenden Fans, macht sich aber viele Gedanken auch über den Tellerrand der Filme hinaus, beispielsweise über kulturelle Differenzen und deren Überwindung oder wie die westliche Kultur nach Japan kam. Ich wünsche ihm viel Spaß und Erfolg beim Bloggen und hoffe auf viele interessante Posts in der Zukunft!
Tja, und Taks neuentdeckter Blog hat mir dann mal wieder vor Augen geführt, welche großartigen Möglichkeiten das Internet und speziell das Bloggen bietet, wenn man sich mit einem – naja, sagen wir Nischenthema – intensiv beschäftigt und darüber mit anderen Menschen austauschen möchte. Wer weiss ob ich ohne das Bloggen nicht schon lange das Interesse an japanischen Filmen verloren hätte, einfach, weil es allein im stillen Kämmerlein und ohne jede Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, auf die Dauer keinen Spaß macht, sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen. Irgendwann erreicht man immer den Punkt, an dem man herausfinden möchte, was andere denken, und das geht heute fantastischerweise über Länder und Kontinente hinweg. An dieser Stelle also ein großes Dankeschön mit Küßchen an Al Gore dafür, dass er das Internet erfunden hat!
Update: Taks Blog ist umgezogen.
12 Mai
Original: Nora inu (1949), von Akira Kurosawa
Sechs Wochen lang hatte ich keine Zeit für eine Filmrezension, eine Zeit die mir wie eine Ewigkeit vorkommt. Um wieder in Schwung zu kommen, habe ich mir ein frühes, relativ unbekanntes Meisterwerk von Akira Kurosawa herausgegriffen, das zugleich einer meiner absoluten Lieblingsfilme ist und das ich öfter gesehen habe als irgendeinen anderen Kurosawa. Ein streunender Hund ist ein intelligenter, mitreißender, vor Leben und Atmosphäre vibrierender Kriminalfilm, der mit den großen Klassikern des Genres problemlos mithalten kann.
Tokyo ächzt unter einer Hitzewelle, als dem jungen Kriminalpolizisten Murakami (Toshiro Mifune) in einem überfüllten Bus ein Taschendieb die geladene Dienstwaffe stiehlt. Wie ein Besessener macht Murakami sich auf die Suche nach seinem Colt, die ihn kreuz und quer durch die Hinterhöfe, Straßen und Märkte der schwitzenden Stadt führt. Nach scheinbar endlosem Herumirren gelangt er an eine Zwischenhändlerin, über die er herausfindet, dass seine Waffe verliehen wurde; doch durch seine Unerfahrenheit entwischt ihm der „Mieter“.
Nach der verpatzten Festnahme wird Murakamis Colt für einen Raubüberfall benutzt, bei dem ein Mädchen angeschossen wird. Die Ermittlung übernimmt nun der erfahrene Inspektor Sato (Takashi Shimura), der mit Seelenruhe und gutem Riecher den jungen, von seinem Gewissen gehetzten Murakami wieder auf die richtige Spur bringt. Gemeinsam nehmen sie einen Hehler fest, über den sie Namen und Adresse des Täters herausfinden. Der hat sich aber schon seit Tagen nicht mehr zuhause bei seiner Familie blicken lassen. Doch über einen seiner Freunde erfahren die beiden, dass er mit einer Revuetänzerin ausgeht.
Die Tänzerin Harumi (Keiko Awaji) erweist sich aber als wenig kooperativ und so verstreicht wertvolle Zeit, in der ein weiterer Überfall und ein Mord mit der Waffe begangen werden. Erst als Murakami und Sato sie zuhause bei ihrer Mutter aufsuchen, ergibt sich eine weitere Spur, die Sato in das Hotel führt, in dem der Täter sich versteckt hält. Noch bevor Sato Verstärkung rufen kann, wird er niedergeschossen und der Täter entkommt erneut. Doch Harumi verrät den mit dem Killer vereinbarten Treffpunkt, und Murakami macht sich auf, seine Waffe endlich zurückzuholen.
Zentrum des Films, der sich in drei Akte gliedert (die jeweils mit dem Auftritt einer der drei für den Handlungsverlauf entscheidenden Personen verbunden sind), ist der junge Murakami, der sich mit seinen Schuldgefühlen und der Verantwortung für das durch seine Unachtsamkeit entstandene Leid abplagt.
Bereits zu Beginn des Films, als er den Diebstahl seiner Waffe seinem Vorgesetzten meldet, macht er sich schwere Vorwürfe. Diese kann Sato im zweiten Akt etwas dämpfen, zudem rücken sie angesichts der Fortschritte bei den Ermittlungen in den Hintergrund. Als mit Murakamis eigener Waffe aber zuerst ein Mord verübt und dann auch noch sein Partner Sato angeschossen wird, lasten die Schuldgefühle immer schwerer auf ihm und treiben ihn fast zur Verzweiflung. Eine Verzweiflung, die sich in der Konfrontation mit dem Täter, dem Showdown, entlädt und dann von ihm abfällt.
Dieses Duell am Ende des Films ist sehr typisch für Kurosawas Weltsicht: Der Polizist Murakami und der Killer, gut und böse, tragen ihren Kampf in einem Wäldchen aus (Wälder stehen bei Kurosawa meist symbolhaft für die Abgründe der menschlichen Seele, so auch in Rashomon oder Throne of Blood). Im Zuge des Kampfes fallen beide in einen Tümpel und sind so verdreckt, dass sie schließlich kaum mehr unterscheidbar sind.
Bereits zuvor hatte sich herausgestellt, dass dem Killer am Ende des Krieges sein Tornister mit all seinen Habseligkeiten gestohlen worden war, worauf er sein Heil in der Kriminalität gesucht hatte. Genau dasselbe war Murakami als Soldat wiederfahren, doch dieser entschied sich für ein Leben im Dienst der Gesellschaft. Beide hatten dieselben Ausgangsbedingungen, sind Menschen wie alle anderen auch, haben aber unterschiedliche Entscheidungen für ihr Leben getroffen, die sie dann zu Gegnern machten. Wie so oft betont Kurosawa auch in Ein streunender Hund, wie eng gut und böse beieinander liegen und wie schmal der Grat dazwischen ist.
Murakamis von Gewissensbissen getriebene Jagd nach dem Colt wird eingerahmt – oder besser umhüllt – von einer außergewöhnlich lebendigen, greifbaren Umwelt. Kurosawa treibt seinen permanent schwitzenden Held rastlos durch überfüllte Busse, hektische Märkte, zwielichtige Hinterhöfe, den Straßenstrich, ein ausverkauftes Baseballstadion und rauchgeschwängerte Tanzlokale. Die fast am eigenen Körper spürbare Hitze, die Ruinen des zerbombten Tokyo und der Kampf der Menschen um das Lebensnotwendige sind allgegenwärtig und nehmen regelrecht ein Eigenleben an.
Bestes Beispiel für diese außergewöhnliche atmosphärische Dichte ist eine Szene, in der die Tänzerinnen einer Revueshow nach ihrem Auftritt bis zum Äußersten erschöpft in ihrem Ruheraum dicht gedrängt auf dem Boden liegen. Ein Knäuel von Armen, Beinen und Leibern entsteht, in dem Schweiß jedes Stückchen Haut bedeckt, von Nase oder Kinn tropft und über dem nur das schwere angestrengte Atmen und Stöhnen zu hören ist. Die sehr plastische Darstellung der Hitzewelle verstärkt zusätzlich den Eindruck der Belastung durch die Extremsituation, in der sich Murakami befindet.
Wegen dieses Realismus in der Darstellung normaler Menschen und ihrer Lebenswelt sowie des mit sich hadernden Helden Murakami wird Ein streunender Hund oft in Beziehung zum italienischen Neorealismus gesetzt. Die Parallelen zu Vittorio de Sicas ein Jahr zuvor erschienen Meisterwerks Fahrraddiebe, das als Vorzeigefilm des Neorealismus gilt, sind in der Tat unbestreitbar. Doch Kurosawa konnte diesen nicht gesehen haben (Fahrraddiebe kam erst Ende 1950 nach Japan) und hatte sowieso ein ganz anderes Vorbild: Er wollte einen Film im Stile der Kriminalromane von Georges Simenon drehen, den er sehr schätzte (so wie ich, was vielleicht auch einer der Gründe ist, warum ich den Film so liebe) und zu dessen Markenzeichen besonders authentische Milieuschilderungen gehörten.
Um diese große Stimmungsdichte zu erreichen, arbeitet Kurosawa sehr oft mit multiplen Bildebenen. Ein schönes Beispiels ist der Screenshot unten. Im Hintergrund telefoniert Sato und berichtet von seinen Fortschritten bei den Ermittlungen (hier wird also die Handlung vorangetrieben) und im Vordergrund schäkert der Concierge mit seiner Frau. Auf solche Überlagerungen von Handlungselementen und atmosphärischen Elementen stößt man immer wieder.
Außerdem wird die Lebendigkeit des Films durch eine große Beweglichkeit der Kamera sowie wechselnde Perspektiven unterstrichen. Immer wieder wird besonders der Held Murakami aus der Froschperspektive gezeigt, dann wieder gibt es Einstellungen aus der Vogelperspektive, seitliche und frontale Kamerafahrten sowie extreme Detailaufnahmen.
Bei aller Begeisterung muss ich aber auch eingestehen, dass der Film eine große Schwäche hat: Zu Beginn macht ein Erzähler aus dem Off zwei, drei Bemerkungen („Es war einer der heißesten Tage“, „Murakami war auf dem Rückweg von der Nachtschicht, als ihm seine Pistole gestohlen wurde“) um mit einem kurzen Flashback die Story ins Rollen zu bringen. Diese Verwendung eines Erzählers ist ziemlich unschön, inkonsequent (weil der Erzähler nie wieder im Film auftaucht) und auch total überflüssig. Diese Informationen hätte Kurosawa dem Zuschauer auch eleganter vermitteln können, beispielsweise über die Konversation Murakamis mit seinem Vorgesetzten in der Auftaktszene des Films.
Aber dieses kleine Ärgernis ist schnell vergessen, wenn der Film, seine Handlung und die einzigartige Atmosphäre einen erstmal ganz in Beschlag genommen haben, und das dauert nicht lange!
5 Mai
Am Wochenende wurde mein Kurosawa-Essay zum 500. Mal heruntergeladen! Das Dokument hatte ich am 11. März 2007 eingestellt, also vor 410 Tagen. Macht somit 1,22 Downloads am Tag, womit ich niemals gerechnet hätte. Wenn ich jetzt noch tracken könnte, wieviele der heruntergeladenen Essays auch tatsächlich gelesen werden…
Und noch eine zweite, wenn auch nicht ganz so erfreuliche Zahl: 10.000 Spamkommentare hat Akismet für mich seit dem Start des Blogs herausgefischt. Ich verbeuge mich in tiefster Dankbarkeit!
In den letzten Wochen hatte ich soviel mit dem JFFH zu tun, dass ich gar nicht dazu gekommen bin, nachzulesen, was denn auf der Nippon Connection so ging. Zum Glück hat Gary aus dem Orga-Team der NC auf seinem Blog ein wunderbares Festival-Tagebuch geführt, mit ganz vielen Fotos aus der spannenden Perspektive des Insiders. Wer also schon immer wissen wollte, was während eines Festivals so an Knabberzeug und Bierkästen weggeputzt wird, ist hier genau richtig.
Außerdem hab ich noch zwei Posts von Jason Gray gefunden, der von seinem Besuch sehr begeistert war, und seinen Lieblingsfilm „Now I“ sehr ausführlich vorstellte – der übrigens wirklich hochinteressant klingt. Also unbedingt lesen!
Darüber hinaus hat meine Suche leider nichts wirklich erleuchtendes zur Nippon Connection 2008 oder den dort gezeigten Filmen ergeben. Wer noch Berichte und Artikel kennt, die ich übersehen habe: immer her mit den Links!
2 Mai
Gerade habe ich Ozus Good Morning gesehen, eine Art Remake seines eigenen Klassikers I was born but… aus dem Jahre 1932. Und ich wurde im Lauf des sehr amüsanten Films doch ein bisschen ungeduldig. Denn die Handlung, in der es einige Verwirrungen um den Kauf einer Waschmaschine gibt und in der ein Junge mit Durchfall ständig frische Unterwäsche braucht, bietet reichlich Anknüpfungsmöglichkeiten für die übliche trocknende Wäsche. Dass die zu einem Ozu-Film gehört wie Tore zum Fußball, hatten wir neulich schon festgestellt.
Tja, und dann sitze ich da und warte und warte aber keine Wäsche, nirgends! Der Film ist übrigens recht „vulgär“, jedenfalls verglichen mit den sonst so traditionsbewussten und vornehmen Werken Ozus. Da gibts ein paar Jungs, die Furzwettbewerbe zelebrieren und überhaupt ziemlich aufsässig sind, weil sie keinen Fernseher bekommen. Am Ende ist die Glotze dann doch da, die Herkunft der Waschmaschine ist geklärt und der unter Montezumas Rache leidende Junge steht mal wieder ohne Unterhose da… und dann ist der Film eigentlich schon vorbei, und in der allerletzten Einstellung ist sie endlich da, in ihrer ganzen Pracht, die Wäsche:
Das traditionsreiche Filmstudio Shochiku setzt auf Online-Vertrieb seiner Filme: Ab 21. Mai sollen über einen neuen Streaming-Dienst (Shochiku Online) Filme aus dem umfangreichen Katalog des altehrwürdigen Studios verfügbar werden. Zum Start kann der Kunde aus rund 100 Filmen auswählen, monatlich sollen 10 bis 20 weitere hinzukommen so dass am Ende des Jahres die Film-Bibliothek schon etwa 200 Filme umfassen soll. Der Preis für einen einzelnen Film soll bei 367 Yen (derzeit etwa 2,30 Euro) für eine Woche liegen, das Monats-Abonnement soll ca. 6,50 Euro kosten.
Das klingt zunächst sehr interessant, besonders weil sich in den Archiven von Shochiku allerlei Klassiker wie Filme von Yasujiro Ozu, Keisuke Kinoshita, Masaki Kobayashi, Shohei Imamura und (etwas aktueller) auch von Yamada Yoji oder Takeshi Kitano tummeln. Leider liegen keine Informationen zu Untertiteln vor, möglicherweise ist das Angebot nur auf den japanischen Heimatmarkt ausgerichtet. Und dann ist da noch die Frage der begrenzten Nutzung: So wie es sich im Moment anhört, stehen die einmal gestreamten Filme dem Kunden nicht dauerhaft zur Verfügung sondern nur für einen bestimmten Zeitraum.
Wenn dem wirklich so ist, wird das in meinen Augen ein massives Hindernis für den Erfolg des neuen Dienstes. Das Scheitern von DRM bei Musik hat bereits gezeigt, dass die Kunden nicht bereit sind, für Medien zu bezahlen, die ihnen dann nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehen. Zudem sehe ich bei dem Preismodell dann eine hochproblematische Konkurrenz mit der DVD: Wer den Film wirklich „besitzen“ will, kann für ein paar Euro mehr die DVD kaufen, die dann wahrscheinlich auch noch Hintergrundinfos, Kommentare etc. enthält und zusätzlich mit einer besseren Qualität aufwarten kann als die übers Internet ausgelieferte Version.
Grundsätzlich macht Shochiku in meinen Augen aber trotz der noch offenen Fragen definitiv einen Schritt in die richtige Richtung. Es macht für so ein Studio einfach Sinn, billig-DVDs durch Online-Streaming zu ersetzen, da es so auf Zwischenhändler verzichten kann und mit einem einzigen „Shop“ ein weltweites Publikum bedienen kann. Zudem lassen sich ganz im Sinne des Long Tail so auch Ladenhüter monetarisieren, die normalerweise mangels Nachfrage nie auf DVD erschienen wären. Das Hochpreissegment qualitativ hochwertiger DVD-Ausgaben à la Criterion mit Making-Of, Booklet, Kommentaren, Storyboard usw. dagegen wird davon imho nicht beeinträchtigt, da diese sich an die echten Fans, Cineasten und Sammler richten.
Via VarietyAsia