8 Jul
Original: Kurenai no buta (1992), von Hayao Miyazaki
Porco Rosso ist – erschienen und gewissermaßen eingeklemmt zwischen Kikis kleiner Lieferservice und dem Riesenhit Prinzessin Mononoke – einer der weniger bekannten Miyazaki-Streifen. Die Geschichte um ein fliegendes Schwein klingt zunächst auch nicht so sehr verlockend und ist in mancher Hinsicht wirklich eher untypisch für Miyazaki, wird aber zu Unrecht unterschätzt.
Auf dem im Ersten Weltkrieg durch seine großartigen Flugkünste berühmt gewordenen Porco Rosso lastet ein Fluch, der ihn in ein Schwein verwandelte. Jetzt, Ende der 1920er Jahre, schlägt er sich mit Gelegenheitsaufträgen wie etwa der Bekämpfung von Luftpiraten über der Adria durch. Eines Tages fordert ihn der amerikanische Draufgänger Curtis zum Luftkampf, in dem Rossos altersschwache Maschine schwer beschädigt wird und anschließend repariert werden muss. Dies übernimmt die 17-Jährige Fio, die sich bald wie Rossos Jugendfreundin Gina in den Piloten verliebt und dessen Leben kräftig durcheinander wirbelt.
Auf den ersten Blick eine leichte Actionkomödie, offenbart Porco Rosso bei genauerem Hinsehen doch einen erstaunlichen Tiefgang und einen ausgeprägten Anti-Kriegs-Subtext, schon fast ein Standard von Miyazaki. Anders als in der fast plakativen Darstellung in Howl’s Moving Castle ist dieser hier aber sehr subtil mit Rossos Fluch verbunden. Wie wir Zuschauer nämlich gegen Ende des Films erfahren, überlebte Rosso im Ersten Weltkrieg als einziger seines Geschwaders einen Luftkampf, bei dem auch sein bester Freund getötet wurde.
Dieses Erlebnis machte ihn zu einem verschlossenen, zurückgezogen auf einer Insel lebenden, sich selbst hassenden Misanthropen – äußerlich durch die Verwandlung in ein Schwein symbolisiert. Die Liebe der schönen aber melancholischen, an denselben Kriegswunden wie Rosso leidenden Gina ignoriert er. Erst der jungen Fio mit ihrer unbändigen Energie, ihrer Begeisterung für Flugzeuge, ihrer unbekümmerten Freude am Leben und ihrer Zuneigung zu dem grantigen Piloten gelingt es, den Fluch zu lösen.
Untypisch für Miyazaki ist neben der Einbindung der Handlung in einen realistischen, historisch und geographisch genau verorteten Rahmen insbesondere die Verwendung eines erwachsenen, männlichen Helden, der sich mit den Lasten seiner eigenen Vergangenheit herumschlägt. Sehr typisch dagegen sind die unterschwellige Verurteilung von Krieg und das Motiv des Fliegens, das wohl in keinem anderen Film Miyazakis so im Zentrum steht.
Die Freude an den vielen Flugszenen ist denn auch kaum zu übersehen, mit den rasanten Luftkämpfen von Porco Rosso dürfte die handgemachte Animation ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Kamerafahrten und umeinanderwirbelnden Flugzeuge sind extrem beeindruckend: In einer Szene wird Rosso von Curtis unter Beschuss genommen, woraufhin sein Motor explodiert und hunderte von Bruchstücken durch die Gegend fliegen, alles ohne CGI! Zugleich wird in anderen Szenen aber auch deutlich, wo die Grenzen handgemalter Animation liegen, etwa wenn Rosso durch einen Kanal fliegt und der vorbeihuschende Hintergrund plötzlich nur noch aus verwaschenen Flächen besteht.
Die bewunderswerte Animation, die sympathischen und liebevoll gestalteten Charaktere (es gibt auch ein Wiedersehen mit den aus Das Schloss im Himmel bekannten Luftpiraten, die Miyazaki fast exakt mit all ihren witzigen Macken aus dem früheren Film übernahm) und der durchaus zu Diskussionen Anlass gebende Hintergrund rund um den Fluch machen Porco Rosso zu einem wirklich sehenswerten Film.
Interessant zu sehen ist zudem, dass er wohl auch als Inspiration insbesondere für Miyazakis jüngere Werke diente: Sowohl zu Howl’s Moving Castle als auch zu Chihiros Reise ins Zauberland lassen sich zahlreiche inhaltliche und gestalterische Parallelen finden.
Original: Kumo no mukō, yakusoku no basho (2004), von Makoto Shinkai
Makoto Shinkai wurde durch den 25-minütigen Anime Voices from a distant star schlagartig berühmt, was vor allem daran lag, dass er den gesamten Film im Alleingang zuhause animiert hatte! Und auch wenn er bei The Place Promised mit einem großen Team an Animateuren, Designern, Technikern und Schauspielern arbeiten konnte, übernahm er doch wieder eine außergewöhnliche Vielzahl an Aufgaben: Vom Charakterdesign über die Hintergrundbilder, den Schnitt und das Drehbuch bis hin zur Musik, alles ist von Shinkai selbst konzipiert. Vielleicht ist es allein damit zu erklären, dass der Film so atmosphärisch dicht, stimmig und atemberaubend schön geworden ist.
Zwei Jungs, Takuya und Hiroki, bauen in den Schulferien an ihrem Traum, einem Flugzeug, das sie zu dem geheimnisvollen Turm bringen soll, der sich weithin sichtbar auf Hokkaido erhebt. Eines Tages zeigen sie ihrer bewunderten Mitschülerin Sayuri das Flugzeug und versprechen ihr, sie auf dem Flug zum Turm mitzunehmen. Einen Sommer lang sind die drei beste Freunde, doch dann kommt der Bruch.
Diesen Sommer erleben wir in Hirokis Erinnerung, die dann der Gegenwart Platz macht. In dieser ist Sayuri einem rätselhaften Dauerschlaf verfallen, Takuya forscht in einem Labor über Paralleluniversen, die irgendwie mit dem Turm zusammenhängen zu scheinen und Hiroki hängt diesem einzigartigen Sommer nach. Ein Krieg steht kurz vor dem Ausbruch, und das Flugzeug wartet immer noch auf seine Fertigstellung. So wie Sayuri darauf wartet, dass das ihr gegebene Versprechen eingelöst wird.
The Place Promised ist definitiv der großartigste Liebesfilm, den ich je gesehen habe, auch wenn das aus diesem kurzen Anriss der Geschichte nicht unbedingt so ohne weiteres ersichtlich ist. Die Gefühle der drei werden auch immer nur ganz dezent angedeutet und stehen die meiste Zeit im Schatten anderer, größerer Dinge. Zunächst ist es die grenzenlose Begeisterung der Jungs für ihr Flugzeug, das sie blind für Mädchen macht, dann überdeckt die sich entwickelnde Freundschaft mit Sayuri die tiefer liegenden Gefühle.
Auch wenn es im Film (jedenfalls in den Untertiteln und der englischen Sprachfassung) nirgends explizit gemacht wird, so muss der Bruch nach dem traumhaft schönen Sommer meiner Meinung nach auf eine Auseinandersetzung zwischen Hiroki und Takuya über Sayuri zurückzuführen sein, die sich beide in das Mädchen verlieben, das ihren Alltag und ihre Zweierfreundschaft komplett auf den Kopf stellt.
Besonders deutlich wird dies an den beiden obigen Screenshots, zwei exakt parallel konstruierten Szenen: Einmal die verschworenen Freunde Takuya und Hiroki, die über ihre Fortschritte beim Flugzeugbau sinnierend durch den Winterwald gehen. Und dann die spätere Szene im Sommer, in der nun, nur ein paar Monate später, Sayuri zwischen ihnen steht und ihre enge Freundschaft auf die Probe stellt.
Jahre später erst, vor dem Hintergrund des wegen des Turms ausbrechenden Krieges, findet Hiroki die Kraft, Takuya zu konfrontieren, zu seiner Liebe für Sayuri zu stehen und das ihr gegebene Versprechen einzulösen. Der alles entscheidende Moment auf diesem Weg, die Erkenntis dessen, was er zu tun hat, ist die Begegnung mit Sayuris Traum, die Überwindung der Grenze von Traum und Realität, die in The Place Promised als Paralleluniversen desselben Kontinuums betrachtet werden.
Vieles wird nur angedeutet, etwa der gesamte Komplex um die Forschung über Paralleluniversen und ihre Verbindung sowohl zum Turm als auch zu Sayuri, oder auch die politischen Ereignisse, die letztlich zum Krieg führen. Und dies ist auch nur konsequent, denn im Mittelpunkt stehen nunmal drei heranwachsende junge Menschen, die sich mit ihrem sich verändernden Selbst und ihren Gefühlen füreinander auseinander setzen müssen. Ausladende technische oder politische Details würden da nur stören. Dennoch trägt The Place Promised klare Züge der Science-Fiction, nicht zuletzt durch die Positionierung in einer alternativen, unserer eigenen aber sehr ähnlichen Welt.
Wie spielerisch es Makoto Shinkai mit diesem Film gelingt, die Genre-Grenzen von Science-Fiction und Romanze aufzulösen, beides miteinander zu verbinden und in eine intelligente Coming-of-Age-Geschichte einzubinden, ist hochgradig beeindruckend. Noch beeindruckender, ja, umwerfend, sind die von Licht durchfluteten Bilder des Films, der scheinbar aus einem endlosen Sonnenuntergang zu bestehen scheint. Neben grandiosen Naturpanoramen finden sich bezaubernde Details wie die Decke eines Zugabteils, in deren Chromleisten Reflexionen hin- und herhuschen oder durch ein leckes Dach hereinrieselnde Schneeflocken. Viele der Szenen sind Sinfonien pursten Lichts von fast übersinnlicher Schönheit.
Ständig am Horizont präsent ist dabei der Turm, das Sayuri versprochene Ziel ihres Fluges. Über dessen symbolische Bedeutung ließe sich lange spekulieren und diskutieren. Steht er für das Erwachsensein? Für Selbsterkenntnis? Gar für die Liebe an sich? Klar ist nur, dass er da ist, unübersehbar, dass eine besondere Faszination von ihm ausgeht, der sich auch der Zuschauer nicht entziehen kann und dass er den Schlüssel zum Glück darstellt. Aus diesen Gründen tendiere ich auch zu letzterer Sichtweise: Er ist ein Symbol der Liebe. Kann man aber auch anders sehen.
Ich kann es nicht wirklich in Worte fassen was diesen Film so außergewöhnlich macht, aber nachdem ich The Place Promised das erste Mal gesehen habe, wollte ich ihn sofort noch einmal schauen. Shinkai schafft auf virtuose Weise eine so reale Welt, dass die besonders im ersten Teil des Films allgegenwärtige Nostalgie und Sehnsucht Hirokis nach diesem Sommer, in dem alles möglich schien, geradezu greifbar wird und sich unweigerlich auf den Zuschauer überträgt. Man beginnt, sich nach einem Ort zu sehnen, an dem man nie war, nach Freunden, die man nie hatte und einer Liebe, die man nie fühlte. Man muss diesen Film gesehen haben, um das Nachempfinden zu können!
Nachdem ich mich auf meiner Suche nach den besten japanischen Filmen aller Zeiten zuerst der Bestenliste des Kinema Junpo-Filmmagazins angenommen habe, sind jetzt die Gewinner des von Mainichi Daily News seit 1946 vergebenen Mainichi Eiga Concours an der Reihe. Genau wie in der Tabelle der Sieger des Kinema Junpo habe ich auch hier wieder die internationalen Titel und das IMDb-Rating hinzugefügt (das aber wegen der geringen Stimmenzahl bei vielen Filmen mit Vorsicht zu genießen ist).
Im Vergleich zur Kinema Junpo-Liste fällt mir besonders auf, dass in den frühen Jahren des Mainichi-Filmpreises kaum Abweichungen vom großen Bruder vorkommen. Erst ab Ende der 1960er Jahre ergeben sich regelmäßige Abweichungen zwischen den Gewinnern der beiden Preise. Von 1987-96 haben dann wieder dieselben Filme beide Preise gewonnen.
Daraus folgt natürlich auch, dass sich in dieser Liste ebenso viele im Westen vergleichsweise unbekannte Filme tummeln. Wer kennt schon Titel wie Kaseki, Chinmoku oder W no higeki? Auch unter den Gewinnern des Mainichi Film Concours dürfte es also das eine oder andere verborgene Juwel zu entdecken geben.
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an meine sechs Jahre in Mannheim, während denen das Atlantis-Kino erheblich dazu beitrug, dass ich zu dem Filmfan wurde, der ich heute bin. Was habe ich dort für großartige Filme gesehen: Die Brücke am Kwai, Dogville, Alexis Sorbas, Maria voll der Gnade, Mulholland Drive, Memento, Frühstück bei Tiffany, Der englische Patient, Gegen die Wand, Lost in Translation und natürlich noch viele mehr.
Vom 13. bis 15. Juli feiert diese 2003 als bestes Kino Baden-Württembergs ausgezeichnete Institution des Mannheimer Kulturlebens mit einem großen Jubiläumswochenende ihren 25. Geburtstag. Geboten werden u.a. eine Buchpräsentation, ein Fotoprojekt, eine Kurzfilmnacht und am Sonntag Morgen eine Matinee.
Schade, dass ich nicht dabei sein kann. Ich gratuliere hiermit aus der Ferne und verneige mich tief vor diesem großartigen Programmkino, in dessen roten Sesseln sitzend ich viele begeisternde Film-Stunden verbrachte und das mit seiner stuckgeschmückten Decke, der Empore und der großen Bühne mit dem altmodischen Vorhang für mich immer eine Verkörperung idealer Kinoatmosphäre bleiben wird.
via Kino-Zeit
2 Jul
Original: Tsubaki Sanjuro (1962) von Akira Kurosawa
Zum zweiten Mal nach Sanshiro Sugata II versuchte sich Kurosawa an einer Fortsetzung. Diesmal ist es die Geschichte um Sanjuro, den namenlosen Ronin aus dem Vorjahresfilm Yojimbo, die in die zweite Runde geht, und der Kurosawa dabei einen ganz anderen Touch mitgibt als dem Vorgänger.
Wieder gerät Sanjuro (Toshiro Mifune) zwischen die Fronten zweier sich bekämpfender Gruppen in einer Stadt, doch diesmal sind seine Sympathien klar verteilt: Er schließt sich einer kleinen Gruppe junger Samurai an, um die kriminellen Machenschaften des Hofaufsehers Kikui (Masao Shimizu) und dessen rechter Hand Muroto (Tatsuya Nakadai) aufzudecken und um die Samurai vor sich selbst, ihrem Leichtsinn und ihrer Dummheit zu bewahren.
Neben der actionreichen und mit einer ordentlichen Portion – häufig aus der Dummheit der Samurai resultierenden – Komik gewürtzten Handlung gewinnt zunehmend das Verhältnis zwischen Sanjuro und Muroto an Bedeutung. Als Sanjuro in bewährter Manier dem gegnerischen Lager seine Dienste anbietet, zeigt Muroto sich von Sanjuros Kampfkünsten und seiner Intelligenz beeindruckt und fasst schnell Vertrauen zu dem Ronin, in dem er einen Artverwandten erkennt. Umso härter trifft ihn dann Sanjuros Verrat, der im dramatischen Showdown des Films nur mit Blut gesühnt werden kann.
Die Konfrontation dieser beiden Charaktere ist es dann auch, die den Film letztlich interessant macht und Sanjuros Figur am Ende eine Tiefe gibt, die in der ersten Hälfte des Films fehlt. Denn im Gegensatz zu Yojimbo, als der gewissenlose Ronin sich auf zynische Art und Weise geradezu an den sich gegenseitig massakrierenden Banditen ergötzte, und sein gutes Herz nur in wenigen Szenen vage angedeutet wurde, wandelt er sich in Sanjuro regelrecht zum Gutmenschen. Lediglich seine grantige, ungehobelte Art lässt hier noch den Charakter aus Yojimbo erahnen.
Die düsteren Aspekte Sanjuros kommen dann gegen Ende des Films zum Vorschein. Wenn seine Gegner wie die Fliegen fallen, er sich Murotos Vertrauen erschleicht, dieses Vertrauen ausnutzt und ihn hintergeht, neigen sich die Sympathien fast ein wenig dem Schurken zu. Besonders das von dem in seinem Stolz getroffenen Muroto ersehnte Duell, das Sanjuro in Sekundenbruchteilen mit einem wahren Blutbad für sich entscheidet, zeigt dessen monsterhafte Züge.
Und so setzt Sanjuro die lange Reihe von Filmen fort, in denen Kurosawa auf die Relativität von Gut und Böse abhebt indem er zwei Kontrahenten in einen Konflikt steuern lässt, an dessen Ende die Unterschiede zwischen ihnen verschwimmen und die Gemeinsamkeiten betont werden. „Er war genau wie ich, ein nacktes Schwert, das nicht in seiner Scheide bleiben konnte.“ Diese letzten Worte Sanjuros über seinen besiegten Gegner könnten es klarer nicht ausdrücken.
Mit diesem bahnbrechenden, blutigen finalen Duell ließ Kurosawa nicht nur eine Vorahnung auf ähnlich drastische Kampfszenen in Rotbart und ganz besonders Ran zu, sondern revolutionierte nebenbei auch das Samurai-Genre. Das setzte von nun an nämlich verstärkt auf drastische Szenen voller Gewalt, und Blutfontänen wurden zu einem allgegenwärtigen Wesensmerkmal billig produzierter Schwertkampffilme.
Einen interessanten Aspekt hebt Donald Richie hervor, nämlich den himmelweiten Unterschied zwischen Sanjuro und Muroto auf der einen und den naiven Samurai auf der anderen. Kurosawa zeige uns mit diesem krassen Gegensatz den Unterschied zwischen dem, was es bedeutet, wirklich ein Krieger zu sein, und der idealisierten, klischeehaften Vorstellung des Samurai. Dass dabei die Ideale verspottet und die realen Krieger als blutrünstig, ungehobelt und zynisch dargestellt werden, und dies auch noch auf so erfolgreiche Art und Weise, sei ein Schlag ins Genick der klassischen Schwertkampffilme gewesen.
So sehr er damit auch Recht haben mag, mich hat die einseitige Darstellung der Samurai, die Sanjuro nie für voll nimmt und wie kleine Kinder behandelt, doch etwas enttäuscht. Gleiches gilt für die – mit Ausnahme der Schlussphase des Films – fehlende Vielschichtigkeit und Undurchschaubarkeit Sanjuros, die diesen Charakter in Yojimbo noch so spannend und prickelnd gemacht hatte. Dafür bietet Sanjuro eine feine, offene Komik, die Kurosawa erst 30 Jahre später in Madadayo wiederfinden sollte.
1 Jul
Gestern in den Hamburger Bücherhallen gewesen, die wirklich exzellent ausgestattet sind, sowohl was DVDs japanischer Filme angeht als auch Filmzeitschriften. Auch die technische Ausstattung dort kann sich sehen lassen, alles mit RFID damit man sich seine Medien auch ganz einfach am Scanner selbst ausleihen kann (jetzt fehlt nur noch eine Erweiterung der Öffnungszeiten).
Alles schön und gut, die Vorteile verkehren sich aber in ihr Gegenteil, wenn man den Aufkleber mit dem RFID drin statt auf eine Anzeige schön über einen Artikel und die dazugehörige Grafik pappt!
… entdeckt David Bordwell und lässt uns dankenswerterweise wieder einmal an seinen Erkenntnissen teilhaben. Ausgangspunkt ist die dem Leben und Werk des Schwertfilmstars Bando gewidmetet Dokumentation Bantsuma: The Life of Tomasaburo Bando, die ihm zufolge tiefe und begeisternde Einblicke in die außergewöhnliche Kreativität und Innovationskraft des japanischen Actionkinos der frühen 1920er Jahre erlaubt.
In seiner unnachahmlichen Weise verdeutlicht Bordwell dies mit Analysen zahlreicher Screenshots und ausgewählter Szenen und kommt zu der Schlussfolgerung, dass bereits diese frühen Filmemacher die Logik und Normen des Continuity-Cuttings verinnerlicht haben und konsequent anwenden. Dabei gehen sie aber noch einen Schritt weiter und stehen – Bordwell zufolge – damit in einer Reihe mit den etwa zur gleichen Zeit von Eisenstein entwickelten Ideen der Montage.
This is innovative filmmaking of a high order, and it took place in a shamelessly commercial film industry. Mainstream filmmaking in Japan has been open to stylistic experiment to a degree rare in other popular cinemas. You can trace a line from the 1920s to the present, from the chambara directors through Ozu and Mizoguchi and Kinoshita and Suzuki Seijin right up to Kitano and Miike.
Und genau dieser Wille und diese Bereitschaft zur Innovation und zum Außergewöhnlichen auch des kommerziellen Kinos sind es, die mich von Anfang an so an japanischen Filmen faszinierten. Immer wieder entdecke ich Neues, Atemberaubendes und Unerwartetes, sei es in „klassischen“ Filmen eines Mizoguchi, Shindo, Teshigahara, ihren Nachfolgern der Gegenwart wie Miike oder Iwai oder den vor Kreativität und Wagemut geradezu sprühenden Anime. Das macht das japanische Kino für mich so unvergleichlich!
Daniel war neulich in Paprika und hat die Erfahrung, diesen außergewöhnlichen Film in einem fast leeren Kino gesehen zu haben, in eine Generalabrechnung mit dem amerikanischen Kinogänger umgewandelt, der sich mit dem x-ten Sequel zu Pirates of the Caribbean oder Scary Movie zufrieden gibt:
There’s a reason you see nothing but junk food on the shelves, folks. Junk food is all that you consume. It’s as simple as that. No corporatist conspiracy theories, no nightmare scenarios of Dick Cheney peering into your brain for unpure thoughts, no Ned Beatty howling about the primal forces of nature. You’re stuck with Shrek the Third because you shelled out good money for Shrek the Second. And you didn’t show up for Tokyo Godfathers. Or Innocence. Or Triplets of Bellville. Or Metropolis.
Dem ist wenig hinzuzufügen. Dass ich letzte Woche Shrek der Dritte gesehen habe wäre mir jetzt extrem peinlich, wäre das nicht ein Team-Event gewesen, für das Cheffe gezahlt hat. 🙂
Also reißen wir uns jetzt alle zusammen und gehen nur noch in anspruchsvolle Filme, die unser Geld auch wirklich wert sind!? Ganz so einfach ist es wohl nicht, wie Daniel auch selbst erkennt:
Satoshi Kon is one of the smartest filmmakers around today. His are the kind of psychologically-driven character tales that great American directors once tackled. We used to make these sort of movies, albeit live-action. A whole generation of Americans are accustomed to expect movies to be little more than toy commercials, videogame demos, and wall-to-wall explosions. And fart jokes.
Denn es liegt ja eben nicht nur an den Konsumenten. Die können zwar letztlich mit ihrem Geld über Erfolg und Misserfolg entscheiden, aber auch Faktoren wie Marketing, Reichweite des Verleihs, PR etc. spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Und natürlich muss erstmal jemand da sein, der die entsprechenden Filme produziert, damit Kinogänger sie in den Box-Office-Listen nach oben pushen können. Und da sehe ich das Problem, jedenfalls was anspruchsvolle Anime angeht.
Seit Jahren haut Hollywood in schöner Regelmäßigkeit eine Comic-Adaption nach der anderen raus, darunter immer mal wieder auch der eine oder andere gute Film. Aber alles sind live-action-Filme, obwohl doch eigentlich bei einer Comic-Adaption ein animierter Film der naheliegendste Gedanke sein müsste. Doch bei den zuständigen Studios scheint da keiner auch nur drüber nachzudenken. Und das, obwohl Animationsfilme mit viel niedrigeren Produktionskosten (durchschnittlich 3 Mio. Dollar, bei einzelnen Großprojekten bis zu 20 Millionen, jedenfalls in Japan) verbunden sind, das finanzielle Risiko also vergleichsweise gering ist. Da muss sich definitiv also was in den Köpfen der Studiobosse bewegen.
Was uns natürlich nicht davon abhalten sollte, unser Geld für gute Filme auszugeben statt für Trash!