… du an der Bushaltestelle dieses Plakat einer der einzigen bekannten Hamburger Brauerei siehst und dir als erstes durch den Kopf schießt:
„Super Film! Wird Zeit, dass ich den mal wieder anschaue!“

Astra-Bier

Und du bloggst zuviel über japanische Filme, wenn dir als nächstes einfällt, dass du immer noch keine Rezension zu diesem Wahnsinnsfilm geschrieben hast! 😉

Noch zweimal schlafen, dann startet das 8. Japanische Filmfest Hamburg offiziell (die ersten Filme aus dem Yokohama-Special liefen bereits, dazu unten mehr) mit dem Eröffnungsfilm Ode an die Freude, der auch bereits ausverkauft ist. Eine allgemeine Akkreditierung habe ich zwar nicht bekommen, aber zum Trost eine Einladung zu Pressevorführung und PK mit Regisseur Masanobu Deme, den Hauptdarstellern Bruno Ganz, Reiko Takashima und Produzent Yusuke Okada. Ist zwar nicht meine erste PK, aber die erste mit tatsächlich bekannten Menschen. Spannend!

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Meine Dauerkarte und ichGestern habe ich mit wie Espenlaub zitternden Händen meine sehnlichst erwartete Dauerkarte (die wirklich in Nullkommanichts fertig war, meine Hochachtung an die Organisatoren!) in Empfang genommen. 🙂

Und so sieht sie aus.

Praktisch eingeschweisst, was sie zu einem lange haltbaren, schönen Erinnungsstück macht. Der Hintergrund dürfte ein Screenshot aus Paprika sein, zu dem mein langweiliges Bewerbungsfoto so gar nicht passen will… Hätte mir da mit Photoshop noch einen Samurai-Haarschnitt verpassen müssen oder ähnliches.

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Den ersten Film (genaugenommen eigentlich zwei) hab ich gestern Abend schon im Rahmen des Yokohama-Specials gesehen: Detective Office 5, ein Doppelfeature aus zwei Episoden eines sehr interessanten TV-Projekts, bei dem sich jede Episode um einen anderen Detektiv der berühmten Detektei D5 dreht. Soweit ich das anhand der offiziellen Homepage erkennen kann, wird wohl gerade die zweite Staffel gedreht.

In der gezeigten Doppelfolge mit den Detectives 591 und 522 (alle Detektive in der Agentur haben mit 5 beginnende Nummern) geht es um kriminelle Machenschaften in einer Schönheitsklinik. Alles was mit der Detektei zu tun hat ist sehr schön mit vielen guten Ideen in Szene gesetzt, die Ästhetik gefällt mit interessanten, an Manga angelehnten Einstellungen und die sich bis zum Horizont dehnenden Industrieanlagen und Schornsteine von Yokohama geben einen düsteren, trostlosen Hintergrund für die Handlung ab. Auch mit Ironie gegenüber dem Detektiv-Genre wird nicht gespart. Bilder liefert der Trailer:

[flash]http://youtube.com/watch?v=Ff5r3_-3YXY[/flash]

Leider sind die Schurken klischeehaft bis zum Extrem dargestellt: Eine geniale aber größenwahnsinnige Schönheitschirurgin und ein fingernagelkauender, mit dem Leatherman operierender Psychopath als Betreiber der Klinik. Die Handlung verläuft nach dem zunächst vielversprechenden, mit schönen Überraschungen aufwartetenden Auftakt dann doch teilweise arg vorhersehbar (ich will jetzt nicht zu viel verraten, der Film läuft ja nochmal am Sonntag um 17.30 Uhr). Zu guter Letzt wirken die Vorgänge in der Klinik auch ziemlich unglaubwürdig – eine geniale Chirurgin, die wichtige Operationen ohne Mundschutz und Handschuhe durchführt? Hallo? – naja.

Interessant ist das Projekt aber nicht zuletzt, weil die Idee wohl inzwischen von einer internationalen Fanszene aufgegriffen wurde und bereits an „inoffiziellen“ Folgen gearbeitet wird – gewissermaßen eine Open-Source-Serie. Dazu beizeiten mehr. Update siehe Kommentar!

Original: Ninjo kami fusen (1937) von Sadao Yamanaka

Im Alter von nur 29 Jahren starb Regisseur Sadao Yamanaka an der Front in China, lediglich eine Handvoll Filme hatte er bis dahin gedreht. Humanity and Paper Balloons zeigt eindrucksvoll, welch großer Verlust sein früher Tod für das japanische Kino war.

Der Film beginnt mit einem Selbstmord in einem Armenviertel Edos, dessen Bewohner uns in den ersten Minuten vorgestellt werden. Nach und nach kristallisieren sich zwei Hauptcharaktere heraus: Matajuro, ein verarmter, herrenloser Samurai, sowie dessen Nachbar Shinza, ein Friseur, der sich mit allerlei krummen Geschäften über Wasser hält. Die Schicksale der beiden begegnen sich, als Shinza die Tochter eines reichen Händlers, die gegen ihren Willen mit einem Samurai verheiratet werden soll, mit deren stillschweigender Zustimmung „entführt“ und Matajuro ihm dabei behilflich ist.

Beiden geht es dabei nicht um das Lösegeld, sondern um Genugtuung: Shinza hat mit dem Yakuza, der die Tochter schützen soll, noch eine Rechnung offen; Matajuro wurde vom Vermittler der Hochzeit erniedrigt. Für einen kurzen Moment können die beiden triumphieren, doch der Film endet wie er begann, mit dem einzigen Ausweg, der sich der Unterschicht bietet: Selbstmord und Tod.

An Matajuros und Shinzas Beispielen zeigt Regisseur Yamanaka idealtypisch zwei Arten, mit dem harten Leben am Rande der Gesellschaft umzugehen. Während Matajuro, der ehemalige Samurai, sein Leben als einen Abstieg erfährt und unter der damit einhergehenden Erniedrigung still leidet, seine Niederlagen auf der Suche nach einer Anstellung seiner Frau verschweigt und immer mehr verzweifelt, macht Shinza (wie die meisten Nachbarn) das beste aus dem Augenblick. Er versucht, die wenigen sonnigen Momente zu genießen und seine Selbstachtung zu wahren, organisiert Feste für die Nachbarschaft, sobald er zu etwas Geld gekommen ist, schlägt seinem Vermieter ein Schnippchen nach dem anderen und wagt es sogar, sich mit der Bande des Yakuza-Chefs anzulegen.

Humanity and Paper Balloons Screenshot 2

Doch keiner der beiden hat eine Chance, dem Armenviertel zu entkommen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Menschen, die Yamanaka mit wenigen Gesten so warm ausgestaltet, dass man sie schon nach ein paar Minuten ins Herz geschlossen hat, sind nichts als Spielbälle derjenigen, die in der sozialen Rangordnung oben stehen.

Wunderbar zum Ausdruck kommt dies in der Schlussszene, in der einer der von Matajuros Frau gefertigten Papierballons nach deren Tod auf die Straße und dort in einen Kanal geweht wird. In dieser Einstellung greift Yamanaka das im Lauf des Films immer wieder kehrende Motiv der Menschen auf der Straße auf, von Verkäufern, Hausfrauen und Kindern, gefangen zwischen den die Straße eng begrenzenden Hauswänden und konstruiert einen unübersehbaren Parallelismus.

Humanity and Paper Balloons Screenshot 3

Mit großem Einfühlungsvermögen, das zu keiner Zeit auf billiges Mitleid abzielt oder es auf unsere Tränendrüsen abgesehen hat, schildert Humanity and Paper Balloons das harte, von Ungerechtigkeiten, Entbehrungen und Erniedrigungen durch die Reichen und Mächtigen gezeichnete Leben der Unterprivilegierten. Dazu gehört durchaus auch die Tochter aus reichem Hause, die ihre Gefühle zugunsten von Standesdenken und dem strategischen Kalkül der Männer opfern muss.

Yamanakas Kritik an einer von Männern dominierten Gesellschaft, welche mittels Macht, Geld und notfalls auch Einsatz von Gewalt ihre Interessen rücksichtslos durchsetzen und dabei das Leid und die Verzweiflung der Schwachen billigend in Kauf nehmen, ist eine der Sternstunden des Jidaigeki-Genres. Es bleibt zu hoffen, dass noch weitere Filme aus dem viel zu kleinen Werk dieses hochtalentierten Regisseurs in ähnlicher Qualität zugänglich gemacht werden.

Gomennasai!

Ich muss mich ganz dringend bei allen entschuldigen, die mir in den letzten Wochen E-Mails über die Adresse kontakt[at]japankino.de geschrieben haben! Ich hatte das Mailkonto in Thunderbird fehlerhaft eingerichtet, weshalb die Mails seit Wochen nicht vom Server abgeholt wurden. Das ist mir erst jetzt durch einen Kommentar von Markus Leibold aufgefallen… *peinlich*

Jedenfalls habe ich alle Mails erhalten und mache mich jetzt gleich an die Beantwortung! Bitte tausendmal um Entschuldigung!

Update: So, alle Mails sind beantwortet. Ich habe dieses Fiasko auch noch zum Anlass genommen, ein richtiges Kontaktformular einzubauen.

Tampopo

Original: Tampopo (1985) von Juzo Itami

Nach einem Wochenende der Familienfeiern und daraus resultierender, nicht endenwollender kulinarischer Genüsse muss ich jetzt dringend mein Blogger-Gewissen beschwichtigen und stürze mich dazu natürlich auf einen Film, der wie kaum ein anderer die Freuden des Essens zelebriert: Tampopo, einziger Ramen-Western der Filmgeschichte, Kultfilm der 80er Jahre, und zusammen mit dem wenige Jahre später entstandenen The Cook the Thief His Wife & Her Lover der beste Film darüber, wie essen unser Leben bestimmt. Ein cineastisches Fünf-Gänge-Menü!

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Der Trucker Goro (Tsutomu Yamazaki) und sein Beifahrer Gun (Ken Watanabe) kehren in einem etwas herabgewirtschafteten, von der freundlichen Witwe Tampopo (Nobuko Miyamoto) geführten, auf Ramen-Nudeln spezialisierten Restaurant ein. In bester Western-Manier wird Goro dort zuerst in eine Schlägerei verwickelt und hilft anschließend Tampopo dabei, ein Ramen-Restaurant der Spitzenklasse aufzubauen, wozu er ein Team furchtloser Helfer zusammentrommelt.

In diese Rahmen(hihi)handlung sind auf wunderbare Weise verschiedenste Episoden eingeflochten, die jeweils Menschen und ihr besonderes Verhältnis zum Essen zeigen. Die Episoden werden dabei immer fließend aus der Haupthandlung hergeleitet, häufig indem die Kamera einer wie zufällig vorbeigehenden Person folgt oder indem Geräusche aufgegriffen und in einen anderen Handlungszusammenhang transportiert werden.

Sowohl die Haupthandlung als auch die einzelnen Episoden bieten nicht nur liebenswert kuriose Charaktere, sondern platzieren diese darüber hinaus auch in je eigene Filmgenres: Die Eröffnungsszene zeigt einen weissgekleideten Yakuza – der im weiteren Verlauf noch mehrmals auftaucht – beim Kinobesuch mit seiner Freundin, in einer Episode leidet ein Mann unter furchtbaren Zahnschmerzen und muss eine Klinik aufsuchen, eine weitere greift den Kriminalfilm auf und die Schlussszene besteht wie eine Dokumentation aus einer endlosen Heranfahrt bis zur extremen Großaufnahme von Mutter und Kind beim Stillen.

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Die Themen der Episoden decken von Liebe und Sex über die Hierarchie der Gesellschaft bis hin zu Kriminalität, Schmerz und Tod eine erstaunliche Bandbreite dessen ab, was ein Mensch erlebt und womit er sich auseinander setzen muss. Das Vergnügen am Essen in all seinen Spielarten und seine große, fast spirituelle Bedeutung weit über die reine Nahrungsaufnahme hinaus sind dabei allgegenwärtig.

Besonders deutlich wird dies in einer Episode, in der ein Mann (Hisashi Igawa, bekannt aus späten Kurosawa-Filmen wie Madadayo) wie besessen durch die Stadt nach Hause rennt. Dort liegt seine Frau im Sterben, umgeben von den Kindern. Wie ein Wahnsinniger beschwört er sie, nicht zu sterben und fordert sie schließlich auf, das Abendessen zuzubereiten. Mit letzter Anstrengung rafft sie sich auf, beginnt Gemüse zu schneiden und den Reis aufzusetzen. Als das Essen fertig ist und die Familie mampfend um den Tisch sitzt, fällt sie mit einem Lächeln auf den Lippen tot um.

Meine persönliche Lieblingsszene ist jedoch eine der vielen witzigen, und zwar die, in der einige mit Goro befreundete Obdachlose über die Herausforderungen der französischen Küche philosophieren, sich bitter über nachlassende Standards in Gourmet-Restaurants beklagen („Inzwischen wird Kraut sogar maschinell geschnitten!“) und bedauern, dass der Bordeaux des Jahrgangs 1980 wegen des vielen Regens eher mau ausfiel. Priceless!

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Ebenso herzerfrischend sind die zahllosen ironisch eingesetzten, weil völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Genrekonventionen und die Anspielungen auf Szenen aus bekannten Filmen von Kurosawa-Klassikern bis hin zu Rocky. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist ein Faustkampf, der zunächst unter einer Brücke beginnt (im Hintergrund treiben Staubschwaden vorbei) und letztlich damit endet, dass die Kontrahenten genau wie in Kurosawas neorealistischem Meisterwerk Stray Dog erschöpft auf einer Wiese liegen.

Allgegenwärtig sind natürlich die Parallelen zum Western. Da ist zunächst der Charakter des durch die Lande streifenden Truckers Goro, der modernen Entsprechung des Cowboys. Goros LKW ist mit Stierhörner verziert, er selbst trägt permanent (selbst in der Badewanne) einen Stetson und setzt sich edelmütig für die hilflose Tampopo ein, um sich natürlich postwendend in sie zu verlieben.

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Selbstverständlich ist er nicht in der Lage, seine Gefühle zuzugeben und offen damit umzugehen. Und letztlich fühlt er, dass die Sesshaftigkeit nichts für ihn ist, dass er weiterziehen muss. Und so verlässt er am Ende, nachdem die Mission erfüllt ist, das Restaurant in neuem Glanz erstrahlt und Tampopo zur Meisterköchin geworden ist, die Stadt. Wie es sich gehört schwingt er sich auf seinen LKW und fährt dem Horizont entgegen.

Doch Regisseur Juzo Itami, selbst Sohn eines Regisseurs, der vor Tampopo vor allem als Schauspieler in mehr oder weniger flachen Komödien bekannt war, spielt nicht nur mit Etabliertem, sondern erweist sich als sehr innovativ. Die komplexe Erzählstruktur der in die Haupthandlung eingewobenen Episoden ist für eine Komödie höchst ungewöhnlich und erinnert stark an ein Jahrzehnt später folgende Filme wie Pulp Fiction oder Lola rennt.

Die einzelnen Episoden überraschen immer wieder durch großen Einfallsreichtum und bestechen durch ihre Liebe zum Detail sowie eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe. Darin erinnert der Film stark an die Meisterwerke des unvergleichlichen Jacques Tati. Zudem lassen sie viel Spielraum für Interpretationen, so dass das Vergnügen auch nach Ende des Films noch ein Weilchen andauert.

Seit ich vor kurzem anfing, mich intensiver mit Anime zu beschäftigen und Blogs und Bücher zu lesen um meine Defizite zum Thema abzubauen, gewinne ich mehr und mehr den Eindruck, dass es zwischen Anime-Fans und Realfilm-Fans einen nahezu unüberbrückbaren Graben geben muss. Woran kann das liegen?

Typisches Beispiel für die Nichtbeachtung von Animes durch ausgewiesene Filmfans wären etwa die Cineasten-Threads im Rolling-Stone-Forum (wo ich ab und zu mitdiskutiere). Dort beschäftigt man sich fast ausschließlich mit Realfilmen, es gibt lediglich zwei verwaiste Threads über Miyazaki und Mangas/Anime im Allgemeinen. Auch sonst gibt es unzählige Webseiten und Blogs zu Filmen, die Anime aber praktisch nicht wahrnehmen. Und nicht nur die Weiten des Internets scheinen in zwei Lager gespalten zu sein.

Donald Richie, anerkanntermaßen einer der größten Kenner des japanischen Kinos, befasst sich in seinem Buch A 100 Years of Japanese Film sehr intensiv mit der japanischen Filmhistorie und geht auf alle möglichen bekannten und unbekannten Realfilme ein. Anime, die aus der japanischen Filmindustrie seit Jahrzehnten nicht wegzudenken sind, handelt er dagegen auf den letzten 5 Seiten ab.

Die Voreingenommenheit gegenüber Anime hängt bei vielen Otto-Normalkinogehern mit schlichter Unkenntnis zusammen. Ein typisches Beispiel dafür habe ich in einem Gespräch mit Freunden erlebt, die unter Anime nur die Sonntagmorgen-Serien im Kinderprogramm verstehen, in denen Schulmädchen in kurzen Röcken gegen Roboter kämpfen. Dass Anime nicht automatisch kindisch sind, ist dann nur schwer zu vermitteln. Bei Insidern und Kritikern, die Anime zwar kennen, aber auf sie herabschauen und eine „Das sind ja keine richtigen Filme“-Einstellung vor sich hertragen, sind solche Vorurteile vermutlich noch tiefer verankert.

In animation, there is no underlying expectation of any kind of normality. Characters may expand, shrink, or transform. Pigs can fly and cats can talk.

Die Probleme vieler Menschen in Europa und Amerika in der Rezeption und im Umgang mit Anime dürften mit dem Fehlen allgemeingültiger Normen darüber, was Realität ist, zusammenhängen. In Realfilmen (mit Ausnahme mancher Fantasy- und Science-Fiction-Filme) gehen wir selbstverständlich von der Einhaltung gewisser Regeln aus, die wir aus unserem alltäglichen Leben kennen: Prinzipiell gelten hier dieselben sozialen und physikalischen Gesetze. Dies führt dazu, dass der Zuschauer gewisse Erwartungen bezüglich des Handlungsstrangs und der Charaktere hat.

Die meisten Anime dagegen sind geprägt von einer wechselseitigen Durchdringung von Realwelt und Fantasiewelten: Übermenschliche Kräfte, Negierung physikalischer Gesetze, übernatürliche Erscheinungen wie Geister, Dämonen etc. sind hier an der Tagesordnung und treten ganz selbstverständlich in einer ansonsten völlig real scheinenden Welt auf (idealtypisch zu beobachten in den Miyazaki-Filmen). Die Erwartungen an eine „normale“ Entwicklung von Plot und Charakteren werden enttäuscht, was zu einem unbefriedigenden, verstörenden Rezeptionserlebnis und weitgehendem Unverständnis bis hin zu Ablehnung dieser merkwürdigen Welt der Anime führt.

Umgekehrt bin ich aber auch vielen Blogs, Foren, Webseiten aller Art zu Animes begegnet, in denen sich kein Mensch für die großartigen Filme berühmter Regisseure von Kurosawa über Imamura bis Kitano interessiert. Dieses Desinteresse an japanischen Realfilmen seitens der Anime-Fans speziell im Westen mag zum einen daher rühren, dass die Anime-Szene durch die ihr im Westen aufgedrängte Außenseiterrolle sehr stark auf sich selbst fixiert ist und sich dadurch eine in sich abgeschlossene Subkultur gebildet hat.

Besonders bei Fans der Anime-Serien (also wohl dem Großteil der Fanszene) kann ich mir darüber hinaus gut vorstellen, dass die dauerhafte, intensive Teilhabe an den sich von Folge zu Folge weiterspinnenden Handlungssträngen den Blick über den Tellerrand erschwert. Außerdem ist es wahrscheinlich gerade die wechselseitige Durchdringung von Realität und Fantasiewelt in den Anime, die diese Fans so fesselt und die sie in den Realfilmen vermissen, wodurch diese für sie nicht attraktiv sind.

Jedenfalls scheint es höchste Zeit zu sein, dass hier eine Nausicaä oder ein Ashitaka auftauchen, mit unverstelltem Blick zwischen den beiden Lagern eine Brücke schlagen und auf die Chancen zur Bereicherung durch die Auseinandersetzung mit beiden Filmformen hinweisen! 😉

Skandal

Original: Shubun (1950) von Akira Kurosawa

Für die meisten Regisseure wäre dies ein ganz vorzeigbarer Film, für Kurosawas Standards ist er ein Debakel. Skandal sollte ein Protestfilm gegen die nach dem Krieg um sich greifenden Auswüchse der Yellowpress werden, verfehlt dieses Ziel aus mehreren Gründen aber meilenweit.

Der erste liegt im Verlauf des Plots begründet: Der Maler Aoye (Toshiro Mifune) begegnet bei seiner Arbeit in den Bergen der bekannten Sängerin Miyako Saijo (Shirley Yamaguchi), die ihren Bus verpasst hat und der er deshalb anbietet, sie auf seinem Motorrad mitzunehmen. Beide übernachten im selben Hotel und werden dort gemeinsam von Paparazzi fotografiert. Das Foto wird zu einer Affäre aufgebauscht, worauf Aoye die Zeitschrift verklagt und dazu den Anwalt Hiruta (Takashi Shimura) engagiert.

Der ist ein totaler Versager und gibt den Bestechungsversuchen des Herausgebers der Zeitschrift nach. Hirutas an Tuberkulose erkrankte Tochter ahnt jedoch, dass ihr Vater nicht ehrlich zu Aoye ist, was die ohnehin vorhandenen Gewissensbisse des Anwalts noch verstärkt. Nach dem überraschenden Tod der Tochter nimmt Hiruta sich ein Herz und beichtet vor Gericht die Bestechung, das Magazin wird verurteilt und Hirutas Seelenheil ist gerettet.

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Schon aus dieser kurzen Zusammenfassung ist erkennbar, dass durch das Auftreten des Anwalts Hiruta der Film komplett auf den Kopf gestellt wird. Die eigentliche Skandalgeschichte, der Kampf gegen das Unwesen der Paparazzi und gewissenlose Journalisten, wird durch Hirutas verzweifelten Kampf mit sich selbst einfach beiseite gewischt und zum bloßen Hintergrund degradiert. In den Gerichtsszenen am Ende des Films wird somit nicht über den Skandal gerichtet, sondern eigentlich über Hiruta, was auch die Inszenierung seiner abschließenden Beichte zum Ausdruck bringt.

Nicht ganz unschuld an dieser gänzlich unerwarteten Entwicklung des Films dürfte die brillante Leistung von Takashi Shimura sein, der schon mit seinem ersten Auftritt alle anderen Charaktere in den Schatten stellt. Sowohl seine guten Seiten als liebender Vater und angesichts der Verzerrung der Wahrheit durch die Paparazzi empörter Anwalt, wie seine schlechten als schwacher, der Verlockung des Geldes erlegener Mann werden von Shimura eindringlich und mit großer Präsenz vorgetragen.

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Dass Shimuras Leistung so herausragt liegt aber sicher auch an der zweiten großen Schwäche des Films, den einseitigen, schablonenhaft gezeichneten anderen Figuren: Der Maler Aoye ist einfach nur ein netter Kerl, der Herausgeber der Zeitschrift ein durchtriebener, skrupelloser Lügner und die Tochter Hirutas eine engelsgleiche Verkörperung des Guten. Die Sängerin Saijo wird zur reinen Staffage und taucht in der zweiten Hälfte des Films kaum noch auf. Durch diese holzschnitthafte Darstellung der Kontrahenten verliert Skandal den für einen guten Protestfilm notwendigen Realismus und die Glaubwürdigkeit.

Kurosawas außergewöhnliches Talent blitzt dennoch in einigen Szenen auf, beispielsweise als Aoye in der Redaktion des Magazins den Artikel über seine angebliche Affäre im Beisein des Herausgebers das erste Mal liest. Wie Kurosawa hier allein mit kontrastierenden Großaufnahmen der beiden Darsteller Spannung aufbaut ist aller Ehren wert. Oder in den Gerichtsszenen am Ende des Films, als alle Anwesenden auf Hirutas abschließende Stellungnahme warten, während dieser zusammengekauert wie ein eingeschüchtertes Tier auf seinem Platz sitzt und die Stille immer unerträglicher wird.

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Die Flachheit der Charaktere, besonders die einseitig negative Darstellung der Journalisten ist um so verwunderlicher, wenn man bedenkt, wie wichtig Kurosawa in seinen anderen Filmen die Relativität von Gut und Böse sind und wie viel Wert er im Allgemeinen auf vielschichtige, komplexe Charaktere legt.

Trotz dieser Schwächen ist Skandal aber in Relation zum Gesamtwerk des Regisseurs gesehen trotzdem ein interessanter nd sehenswerter Film. Denn in so mancher Hinsicht ist in der Figur von Hiruta die des Beamten Watanabe aus Ikiru angelegt. Außerdem passiert Kurosawa in seinem zweiten großen Protestfilm Die Bösen schlafen gut genau dasselbe wie in Skandal, er zeigt sich von der Entwicklung eines Charakters so fasziniert, dass der Film seine Balance verliert und vom ursprünglichen Thema abzuschweifen beginnt. Aber dazu ein andermal mehr.

Es war nicht einfach und ich musste die eine oder andere schwere Entscheidung treffen, aber jetzt steht mein persönliches Programm für das Japanische Filmfestival. 14 Filme habe ich mir ausgesucht (die drei Filme des Yokohama Special nicht gerechnet, da ich mir die schon am vorhergehenden Sonntag ansehe), über die ich dann so ausführlich wie angesichts des engen Zeitplans möglich hier berichten werde. Und wenn mit der Technik alles klappt, werde ich auch einige Fotos und Videomitschnitte – selbstverständlich nicht von den urheberrechtlich geschützten Filmen, sondern den Gästen – einstellen.

Und so sieht der Masterplan aus:

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Eine schwere Entscheidung war, die drei Kurzfilme von der Osaka University of Arts ins Programm zu nehmen. Aber sie klingen dann doch sehr vielversprechend, besonders da die Regisseurin von Sharing, Nao Shimizu, anwesend sein soll. Und da somit der eine Termin von Strawberry Shortcakes durch die Kurzfilme belegt ist, bleibt nur noch der Sonntagabend für dieses absolute Muss, weshalb leider This Side of Paradise weichen muss. Sehr schade, aber das Leben geht weiter.

Richtig geärgert habe ich mich aber darüber, dass mir Hate, Hallelujah! entgeht, bei dessen Vorführung ebenfalls Gäste anwesend sein sollen. Dummerweise läuft zur selben Zeit die einzige Vorstellung von die erste Vorstellung von Paprika (eine zweite wurde inzwischen für Sonntagabend 22.30 Uhr angesetzt, auf die ich vielleicht ausweichen werde) und den kann ich einfach nicht auslassen. Meine große Kritik am Programm ist denn auch, dass viele Filme und besonders solche mit absehbar großem Zuspruch wie eben Paprika oder auch Bing Bang Love nur einmal gezeigt werden. Darunter wird der eine oder andere unbekanntere, zur selben Zeit laufende Film sicher zu leiden haben.

Den Samstag habe ich mir übrigens absichtlich weitgehend frei gehalten, schließlich ist dies der letzte Spieltag der Fußball-Bundesliga. Und sollte mein geliebter VfB an diesem Tag die fünfte Meisterschaft der Vereinsgeschichte holen, werde ich mich gezwungen sehen, kurzfristig noch die eine oder andere Änderung am Programm vorzunehmen! 😀