8 Sep
Original: Tsuma yo bara no yo ni (1935) von Mikio Naruse
Nicht nur, dass Wife! Be like a rose! der erste von insgesamt fünf (!) Filmen war, die der junge Naruse im Jahr 1935 drehte, er war auch der erste japanische Film überhaupt, der in den USA aufgeführt wurde. Naruse und seine Hauptdarstellerin Sachiko Chiba wurden später übrigens auch privat ein Paar.
Sie spielt Kimiko, eine junge Büroangestellte, die mit ihrer Mutter, einer Dichterin, zusammen wohnt und gern ihren Freund heiraten möchte. Zur Anbahnung der Hochzeit müsste jedoch Kimikos Vater Shunsaku (Sadao Murayama) die Eltern des Bräutigams treffen. Doch Shunsaku lebt bereits seit langer Zeit mit einer ehemaligen Geisha zusammen auf dem Land, worunter Kimikos Mutter, immerhin seine angetraute Ehefrau, sehr leidet. So entschließt sich Kimiko, ihren Vater zu besuchen und zur Rückkehr nach Tokyo und zu seiner „wahren“ Familie zu überreden.
Vor Ort muss sie jedoch erfahren, dass die Dinge in Wirklichkeit ganz anders sind, als sie aus der Ferne wirkten. Die ehemalige Geisha nutzt keineswegs Shunsakus Großzügigkeit auf Kosten seiner „eigentlichen“ Familie aus. Ganz im Gegenteil, sie arbeitet hart, um den erfolglosen Goldschürfer zu unterstützen und bietet ihm genau das einfache, ursprüngliche Familienleben, das ihm seine intellektuelle, zur Trübsal neigende erste Frau nicht bieten konnte. Dennoch erklärt er sich bereit, Kimiko nach Tokyo zu begleiten, um ihre Hochzeit in die Wege zu leiten. Für eine kurze Zeit scheint es Kimiko, als würde ihr Traum von Familienglück nun wahr werden. Doch sie muss erkennen, dass ihre Eltern einfach nicht zusammenpassen.
Wie gewohnt zeichnet Naruse seine Charaktere mit viel Liebe zum Detail und schafft es ganz ohne plakative Effekte, den Zwiespalt, in dem sowohl Kimiko als auch ihr Vater gefangen sind, glaubhaft und eindringlich zu inszenieren. Dabei erweist dich die junge Kimiko nicht nur als sehr moderne Frau (wie auch der ganze Film sehr modern wirkt), sondern auch als reife Persönlichkeit, die erkennt und versteht, dass es für ihren Vater kein Zurück mehr gibt.
Die letzte Einstellung zeigt Kimikos allein und verlassen zurückbleibende Mutter, die tragische Figur des Films. Sie ist nunmal wer und was sie ist, und kann allein deshalb Sunsaku nicht das geben, was er zum Glücklichsein braucht. So ist sie zum Leiden verdammt, ohne dass sie oder sonst jemand etwas dafür könnte. Das Leben ist manchmal einfach grausam.
Wife! Be like a rose! ist der erste Vorkriegsfilm Naruses, den ich bisher gesehen habe. Einige typische Elemente seiner späteren Filme sind sofort wiederzuerkennen: Die Szenen mit von Häusern eingefassten Straßenzügen, die Kontrastierung von Stadt und Land, der Enge und der Weite, sowie kurze Großaufnahmen von Objekten, etwa um eine bestimmte Stimmung zu transportieren.
Als ungewöhnlich fielen mir dagegen zahlreiche Einstellungen auf, in denen der Blick auf die Personen durch Objekte im Vordergrund teilweise verdeckt ist. Ich interpretiere dies als eine Anknüpfung an die Botschaft des Films, nämlich dass man Personen nicht auf Grund von Hörensagen und Vermutungen basierend aus der Ferne beurteilen kann, sondern dass dazu immer das direkte, persönliche Erleben, also quasi der unverstellte Blick, gehören.
Bemerkenswert außerdem die häufig niedrig positionierte Kamera, so dass wir als Zuschauer oft regelrecht an den Personen hinaufschauen müssen. In manchen, in geschlossenen Räumen spielenden Szenen erinnert dies stark an Ozus typischen Stil der sitzenden Perspektive. Doch Naruse verwendet sie auch in einigen anderen Szenen. Am auffallendsten ist dies bei der Begegnung von Kimiko und ihrem Vater. Auf offenem Felde stehend unterhalten sich die beiden, wobei wir sie in einer klassischen shot-reverse-shot Konstellation zu sehen bekommen. Allerdings scheint der Kameramann seine Kamera dabei unter dem Arm gehalten zu haben.
Dadurch, dass wir zur freudestrahlenden Kimiko und ihrem ebenfalls überglücklichen Vater aufsehen, beide Personen gegen den Himmel gezeigt werden, entsteht ein regelrecht erhebendes Gefühl. Das Wiedersehen von Vater und Tochter, der emotionale Höhepunkt des Films, wird so auch visuell unterstrichen.
Anscheinend war der junge Naruse recht experimentierfreudig und versuchte sich an verschiedenen Stilmitteln. Ob die genannten sowie weitere Mittel in seiner frühen Schaffensphase häufig eingesetzt wurden, werde ich schon bald etwas genauer einschätzen können. Als nächstes steht nämlich Street without end auf meiner Liste, der unmittelbar vor Wife! Be like a rose! entstand.
1 Kommentar for "Wife! Be like a rose!"
[…] merkwürdig abrupt. Somit steht die folgende Rezension unter einem gewissen Vorbehalt. Die mir bereits zuvor aufgefallene stilistische Experimentierfreude des jungen Naruse wurde aber eindrucksvoll bestätigt, dazu gleich […]
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