27 Nov.
Original: Shin heike monogatari (1955), von Kenji Mizoguchi
Zur Abwechslung mal ein Mizoguchi, der nicht die Leidensgeschichte von Frauen zum Thema hat, sondern der sich mit einer Legende aus der japanischen Geschichte befasst, nämlich der vom Aufstieg der Taira unter ihrem Führer Kyomori in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts unserer Zeit. Kurz zum Hintergrund: Die Macht im Japan der Heian-Zeit lag in den Händen einer adligen Beamtenkaste sowie einiger mächtiger Klöster, es gab teilweise mehrere Kaiser gleichzeitig, die sich Samuraiheere hielten, aus denen sich mächtige Clans entwickelten, darunter die Taira.
Gerade kehrt der kaisertreue Clan von einer Schlacht zurück, als Kyomori Taira (Raizo Ichikawa) erfährt, dass er möglicherweise ein unehelicher Sohn des abgedankten Kaisers Shirakawa ist. Er bedrängt seinen Ziehvater Torodai, Führer des Clans, ihm die Wahrheit zu verraten. Doch dieser kennt die Ambitionen des jungen Kyomori und dessen Verachtung für die adligen Beamten und die Mönche, die den Aberglauben der Menschen ausnutzen, um ihre Macht zu sichern, und will den Ehrgeiz Kyomoris zügeln.
Doch im Tode gibt Torodai das Geheimnis schließlich preis und Kyomori, der zuvor bereits den Konflikt mit dem Beamtenapparat gesucht hatte, nutzt eine sich bietende Gelegenheit, um die Mönche zu konfrontieren und den Untergang der alten Ordnung einzuleiten.
Auf den ersten Blick hat der Film wenig mit den sehr viel bekannteren Meisterwerken Mizoguchis zu tun, in denen oft Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen im Zentrum stehen. Doch auch Tales of the Taira Clan erzählt die Geschichte eines Kampfes gegen ungerechte Verhältnisse, nämlich den der Samurai um Anerkennung und Teilhabe an der Macht, die ihnen von den auf sie herabblickenden Adligen verwehrt wird und passt sich insofern gut in das Werk ein. Ungewöhnlich sind jedoch die häufigen und opulent ausgestalteten Massenszenen.
Der Film beginnt direkt auf einem belebten Markt, auf dem Mizoguchi in seiner charakteristischen Art durch Kamerafahrten immer wieder den Schwerpunkt verschiebt und neue Personen ins Zentrum rückt. So vergehen fast zwei Minuten, bis für die Ankunft der aus der Schlacht zurückkehrenden Taira ein erster Schnitt erfolgt, der aber gleich zu einer noch beeindruckenderen Szenerie überleitet, siehe den ersten Screenshot. Solche Szenen habe ich bisher bei den sehr auf die Charaktere fokussierten anderen Filmen Mizoguchis kaum gesehen, und auch wenn sie exzellent inszeniert sind, wirken sie doch irgendwie erzwungen.
Sehr viel typischer sind dann doch die vielen ruhigen Momente des Films, in denen Kyomori sich zunächst die Achtung seines Clans erarbeitet, das Rätsel seiner Herkunft löst und sich darüber mit seiner Mutter überwirft. In der Beschränkung und Ruhe der häuslichen Szenen zeigt sich die Genialität des Meisterregisseurs, wenn er etwa Kyomori vor seinen Kämpfern eine Art Fechtübung aufführen lässt, bei der dessen Bewegungen sich ausschließlich auf den Raum zwischen zwei Balken beschränken und so auf extreme Weise die Aufmerksamkeit auf einen winzigen Teil des Bildes fokussiert wird.
Auf Grund der Komplexität des historischen Hintergrunds (der zum Auftakt selbst für die japanischen Zuschauer lang und breit durch einen Off-Erzähler erklärt werden musste) ist es manchmal nicht ganz einfach, dem Film und seiner Handlung zu folgen. Dazu trägt auch bei, dass neben dem Aufstieg Kyomoris und dem Rätsel seiner Herkunft als dritter Haupthandlungsstrang auch noch eine Liebesgeschichte eingebaut wurde. Hier hätte ich mir etwas mehr Konzentration gewünscht, entweder auf die persönliche Geschichte des Hauptcharakters, oder auf die Historie.
Tales of the Taira Clan ist zwar ein guter und durchaus sehenswerter Film, der den meisten Regisseuren zur Ehre gereichen würde, der neben Mizoguchis anderen Filmen trotz des betriebenen materiellen Aufwands aber doch ziemlich verblasst.
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