6 Aug
Original: Gojira (1954) von Ishiro Honda
Als mehrere Schiffe auf mysteriöse Weise sinken und dann auch noch die Bewohner der kleinen Insel Odo von merkwürdigen Vorkommnissen während eines Taifuns und dem legendären Monster Gojira berichten, wird eine Kommission mit der Untersuchung beauftragt. Geleitet vom Paläontologen Yamane (Takashi Shimura) besuchen die Wissenschaftler die Insel Odo, wo sie Zeuge eines Angriffs von Gojira werden. Die auf Odo gefundenen Spuren radioaktiver Verseuchung und längst ausgestorbene Trilobiten bringen Yamane zu dem Schluss, dass Gojira ein Seedinosaurier sein muss, der durch Atombombentests geweckt und in ein radioaktives, aggressives Monster verwandelt wurde.
Natürlich bleibt Gojira nicht auf dem kleinen Inselchen Odo, sondern taucht bald in Tokyo auf: Weder ein eilig errichteter Hochspannungszaun noch Panzer oder Kampfflugzeuge können ihn davon abhalten, die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Nur Yamanes Tochter Emiko (Momoko Kochi) hat eine Idee, wie Gojira gestoppt werden könnte: Ihr Verlobter Serizawa (Akihiko Hirata) hat eine Substanz entwickelt, die jegliches Leben im Wasser vernichtet. Doch aus Sorge, dass seine Entdeckung als Waffe missbraucht werden könnte, hält er sie zurück.
Um die Entstehungsgeschichte von Godzilla ranken sich zahllose Legenden: Über die Entstehung der bahnbrechenden Miniaturmodelle unter Leitung von Eiji Tsuburaya oder die unvorstellbar anstrengende Arbeit mit dem rund 100 kg schweren Latex-Anzug (Haruo Nakajima, der den Anzug trug, verlor bei den Dreharbeiten mehrfach das Bewusstsein und musste von der Crew aus dem Anzug herausgeschält werden).
Kein Wunder angesichts der Pionierarbeit, die Regisseur Honda und sein Team hier leisteten, denn noch nie war ein vergleichbares Projekt von einem japanischen Filmstudio umgesetzt worden. Angeblich stand Toho, das den Film parallel zu Kurosawas Die Sieben Samurai produzierte, wegen des hohen Aufwands für die beiden Großprojekte sogar kurz vor dem Bankrott. Letztlich wurde Godzilla aber zu einem gigantischen Erfolg und hat sich heute zu einer internationalen Ikone der Pop-Kultur entwickelt.
Selbst wenn die Spezialeffekte aus heutiger Sicht kaum den Namen Spezialeffekt verdienen, wohnt den Bildern nach wie vor eine seltsame Faszination inne. Zum einen, weil die dunkel gehaltenen schwarz-weiß Bilder die technischen Mängel der Effekte an vielen Stellen kaschieren. Vielleicht spielt aber auch eine Rolle, dass hier tatsächlich eine Miniaturausgabe von Tokyo, die man anfassen konnte, zertrampelt und in Brand gesetzt wurde, und es sich nicht um virtuelle, nur im Computer existierende Gebäude handelt. Die Silhouette des Monsters vor dem Hintergrund des brennenden, nächtlichen Tokyos übt jedenfalls eine merkwürdige, schaurige Anziehungskraft aus, ähnlich wie die Fotos von atomaren Explosionen €“ Schönheit und Faszination der Zerstörung durch eine außer Kontrolle geratene Kraft.
Bei all den Legenden und der Actionlastigkeit des Films ist der ernste Hintergrund nicht zu übersehen. Gleich die erste Szene, in der das Schiff von Godzilla angegriffen wird, erinnert in der visuellen Gestaltung stark an die Explosion einer Atombombe: Eine Explosion unter Wasser und ein Blitz, der die Matrosen blendet und das Schiff Feuer fangen lässt.
Diese Szene stellte damals für jeden Zuschauer unmissverständlich den Bezug zu Atomtests her, denn Anfang 1954 waren ein japanisches Fischerboot und seine Besatzung bei den Tests der Amerikaner am Bikini-Atoll verstrahlt worden, was einen Aufschrei in der Öffentlichkeit hervorrief.
So ist Godzilla über weite Strecken zwar ein Katastrophen- und Actionfilm, der an entscheidenden Stellen aber immer wieder Atomwaffen verurteilt und anklagt. Das passiert gleich auf mehreren Ebenen: Zunächst dadurch, dass das Monster Godzilla selbst ein Produkt – gewissermaßen die Reinkarnation – der Atombombe ist; dann durch die atomare Verseuchung, die von Godzilla ausgeht und die ihn endgültig zur Verkörperung der Atombombe macht; durch die Angst Serizawas vor einem Missbrauch seiner Entdeckung für militärische Nutzung; und letztlich noch auf einer emotional-symbolischen Ebene, in der ein Chor junger Mädchen die durch Godzilla Getöteten betrauert, stellvertretend für die Toten von Hiroshima und Nagasaki.
Es sind einerseits diese politische Botschaft und andererseits die für einen Katastrophenfilm gut entwickelten und dargestellten Charaktere, die den Original-Godzilla weit aus der Masse seiner recht tumben Nachfolger herausheben und ihn zu einem absolut sehenswerten Klassiker machen.
5 Kommentare for "Godzilla"
Als ausgewachsener Gojira-Fan (ach echt? 😉 muss ich mich an dieser Stelle natürlich äußern.
Der erste Film der Reihe nimmt ganz klar eine Sonderstellung ein, wie du hier ja sehr schön ausgeführt hast. Die Nachfolger jedoch als „tumb“ zu bezeichnen halte ich für nicht angemessen. Der Grundansatz ist doch sehr verschieden, vom Anti-Nuklear-Statement zur Familienunterhaltung vollzog sich eine Wandlung mit und um Godzilla, so dass man es eigentlich nicht vergleichen kann. Doch auch einige spätere Filme greifen sehr wohl kritische Themen speziell (z.B. Biogenetik) oder allgemein (Japans Wiederbewaffnung vs. Artikel 9) auf. Der 54er bleibt allerdings der absolute Klasiker, keine Frage. Jedoch wurde 50 Jahre !!! lang erfolgreich Godzilla-Filme produziert. Geht das mit „tumben“ Filmen? Es gibt wohl kaum eine Reihe die da mithalten kann. Und neue Projekte sind zumindest in Planung.
„Angeblich stand Toho, … wegen des hohen Aufwands für die beiden Großprojekte sogar kurz vor dem Bankrott.“
Das glaube ich nicht unbedingt. Gojira war von Anfang an als Großprojekt angelegt. Es waren hohen Ausgaben eingeplant, hohe Einnahmen aber ebenso. Kurz zuvor war eine anderes (konventionelles) Filmprojekt geplatzt, so dass man hier mit einem durchaus wagemutigen Film neues Terrain beschritt.
Dieser Verdienst gebührt Tomoyuki Tanaka, dem Produzenten. Es wird immer die Arbeit von Honda und Tsuburaya gelobt (zu Recht), aber Tanaka leider oft vergessen. Er hatte die ursprüngliche Idee, die Ausdauer das Projekt durchzusetzen und schuf damit das Genre Kaiju-Eiga überhaupt erst, das dann von Toho/Tanaka mit Rodan, Mothra, King Ghidorrah und anderen „Gummitieren“ bevölkert wurde. Andere Studios zogen mit eigenen Kraturen nach, aber Gojira blieb immer der König der Monster.
Moin! Ich gebe zu, dass ich kein ausgemachter Spezialist für die Godzilla-Reihe bin und bisher abgesehen vom „Original“ auch nur wenige der nachfolgenden Filme kenne. Das, was ich aber gesehen habe, war einfach richtig schlecht. Ja, die Zielgruppe und entsprechend die Ausrichtung der Filme hat sich im Lauf der Jahre stark geändert und ich will den Filmemachern das auch gar nicht vorwerfen: Wenn du Filme machst um 15jährige Jungs zu unterhalten, dann wird da kaum ein anspruchsvolles Meisterwerk bei rauskommen. Und natürlich hast du Recht, dass allein das Fortbestehen der Reihe über 50 Jahre ein außergewöhnlicher Erfolg ist. Gar keine Frage.
Zu deiner Anmerkung zu Toho: Das Produktionsstudio soll tatsächlich am Rande des Boykotts gestanden haben, was aber wohl gar nicht so sehr an Godzilla allein lag, sondern vor allem daran dass neben Godzilla parallel eben noch zwei weitere Großprojekte liefen („Die Sieben Samurai“ und „Miyamoto Musashi“).
„am Rande des Boykotts“ – also das glaube ich nun wirklich nicht! 😉
ups, was mir da wohl durch den Kopf gegangen ist…
Als großen Godzilla-Fan dürfte dich auch diese Neuigkeit interessieren 🙂
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