30 Nov
Vor ein paar Tagen habe ich nebenbei aufgeschnappt, dass ein mir bisher nicht bekanntes asiatisches Filmfest, die Asiexpo in Lyon, in diesem Jahr wohl zum letzten Mal stattfindet. Die Gründe scheinen, so mich die Überbleibsel meines Schulfranzösisch nicht in die Irre führen, hauptsächlich wirtschaftlicher Natur zu sein. Gerade mal 8000 Euro will die staatliche Kulturförderung für das Festival wohl noch locker machen, angesichts der Größe und Wirtschaftskraft der Stadt ein lächerlich niedriger Betrag.
Und doch ist das eine Situation, die ich vom JFFH nur zu gut kenne. Als nicht-kommerzielles Nischenfestival sind auch wir sehr stark auf Förderung mit staatlichen Mitteln angewiesen und wir sind sehr froh, dass wir uns bisher auf diese Unterstützung verlassen konnten. Aber die Stadt Hamburg ist als Handelsstadt von der Wirtschaftskrise natürlich besonders betroffen, so dass auch hier um jeden Euro gekämpft werden muss.
Angesichts solcher Nachrichten (oder auch angesichts des Cineasia Filmfest, das schon vor zwei Jahren eingestellt wurde) macht man sich natürlich schon seine Gedanken: Wie stellen wir sicher, dass es dem JFFH nicht genauso geht? Wie sieht die Zukunft von Filmfesten und speziell asiatischen Filmfesten aus?
Mit der ersten Frage beschäftigt sich zugegebenermaßen nur eine überschaubare Gruppe von Menschen, aber die Zukunft der Filmfeste war im Frühjahr Thema der 54. Ausgabe von Schnitt, in der mehrere Festivalmacher aus aller Welt ihre Meinung und ihre Prognosen schilderten. Vielen der dort zu Papier gebrachten Gedanken kann ich nur zustimmen, zum Beispiel auch diesen beiden Zitaten (die ich abgetippt habe, also bitte die Typos ignorieren):
Ein Filmfestival muß wahre Interventionskraft auf das Kino ausüben können, indem es die Anerkennung eines Filmemachers oder das Erscheinen eines Landes auf der Karte des Weltkinos vorantreibt oder begünstigt. Eine Rolle, die lange der Kritik zugefallen war und die diese seit einem Jahrzehnt an die Verantwortlichen der großen, einflußreichen Festspiele abgegeben hat. (Olivier Père, Festival de Cannes)
Wenn kleine Festivals überleben sollen, muß man daher eingestehen, daß ihre Funktion nicht notwendigerweise die eines Profiterzeugers ist, sondern die eines Fürsprechers: aufzuzeigen, warum die Arbeit verkäuflich ist und der Künstler weitere Aufträge verdient; zu fördern, zu interpretieren, zu kontextualisieren und, dies ist entscheidend, diejenigen Künstler zu unterstützen, deren Werke vielleicht kommerziell riskant oder sogar unhaltbar sind, aber künstlerisch bedeutsam. Dies ist von allerhöchster Wichtigkeit. (Adam Pugh, Aurora Filmfest)
Natürlich sollen Festivals Vorreiter sein, neue, innovative Kräfte fördern und vergessene Juwelen ans Tageslicht fördern. Die Frage nach dem Profit, den man aus einem Filmfest zieht, stellt sich aber nunmal unausweichlich vor allem bei Sponsoren aus der Privatwirtschaft, und ohne die geht heutzutage auch bei kleinen Festivals kaum noch etwas. Insofern finde ich die Aussage, Festivals sollten nicht als Profiterzeuger sondern als Fürsprecher gesehen werden, natürlich richtig, zugleich angesichts der wirtschaftlichen Realitäten aber auch ein Stück weit naiv.
Sehr interessant fand ich die folgende Beobachtung:
Auch in Deutschland hat es in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante Zunahme von Filmfestivals gegeben, allein seit 1990 sind an die 30 größere und kleinere neue Veranstaltungen entstanden. Neben ihrer Bedeutung als weiche Standortfaktoren spielen viele von ihnen kaum eine Rolle in der kommerziellen Filmverwertung. Gleichwohl erfüllen sie aber den ursprünglichen kulturellen Auftrag: das Sichtbarmachen von Filmen, die kaum eine Chance in deutschen Kinos haben, die Begegnung von Publikum und Künstlern, die Begegnung mit internationaler Filmkunst. Gerade diese Festivals sind es, die in den letzten 10-15 Jahren immer öfter die Lücke geschlossen haben, die durch das Verschwinden kommunaler oder Programmkinos entstanden ist. So stellen Filmfestivals einen wichtigen Faktor dar, um das Kino als Ort der Begegnung mit Filmkultur zu stabilisieren und ein neugieriges Kinopublikum zu fördern. (Silke Johanna Räbiger, Internationales Frauenfilmfestival Dortmund)
Am Kinosterben führt kein Weg vorbei, allein in der Zeit, die ich in Hamburg lebe, wurde hier jedes Jahr ein Kino geschlossen. Dass Festivals ein Stück weit diese Lücke füllen könnten, ist ein interessanter Gedanke. Vor allem für die großen Kinoketten, die selbst kein Programmkino bieten, könnte es perspektivisch durchaus interessant werden, mit Nischenfestivals zusammenzuarbeiten, um ohne großen eigenen Aufwand ein (zahlungskräftiges?) Publikum zu erreichen, das sonst die Mainstream-Multiplexe eher meidet. Und ganz nebenbei könnte ein austauschbares Multiplex durch ein solches Festival auch den Ruf aufpolieren.
Auf die Frage, ob Festivals in einer Welt mit vielen Plattformen, in der die meisten Filme elektronisch gesehen werden, bereits anachronistisch sind, würde ich mit einem vorsichtigen Nein antworten. (Sandra Hebron, BFI Film Festival)
Beim JFFH machen wir zwar auch die Erfahrung, dass viele Fans gerade von Anime sich nicht für Festivals interessieren, weil sie sich ihre Filme/Serien aus dem Netz besorgen. Aber ich bin überzeugt, dass der soziale Aspekt des Festivals als geteiltes, gemeinsam erlebtes Ereignis, durch nichts ausgeglichen werden kann. Wenn es aber zunehmend vor allem dieser „Event-Charakter“ ist, der das Besondere an Festivals ausmacht, weil die Filme im Sinne des Long Tail immer auch irgendwo in den Tiefen des Netzes gefunden und gesehen werden können, dann müssen Festivals dieses Alleinstellungsmerkmal hegen und pflegen. Und mehr noch:
Wenn es den Filmfestivals nicht gelingt, ihr Produkt zu entwickeln und den sozialen Mehrwert eines Filmfestivals nachhaltig und überzeugend zu formulieren, werden sie verzichtbar. Filmfestivals müssen lernen, die Beschränkung auf Ort und Zeit zu überwinden; sie müssen Bücher und DVDs machen, Partys und Konferenzen, sie müssen das bessere Fernsehen sein und die bessere Universität. (Lars Henrik Gass, Kurzfilmtage Oberhausen)
Ich glaube, dass diese Weiterentwicklung von Filmfesten zur „Marke“, die in verschiedenen Lebensbereichen vertreten und aktiv ist, ein zentraler Baustein ist, um die Zukunft eines Filmfestes zu sichern. Deshalb sind wir beim JFFH seit diesem Jahr auch bemüht, mehr als nur Filme zu bieten, das Rahmenprogramm auszuweiten, den Erlebnisfaktor zur erhöhen und unsere Besucher, Gäste und Filmfans stärker am Filmfest zu beteiligen und zu integrieren.
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wird für uns sein, dass wir bald einen Filmfest-Blog starten werden, der sowohl einen Blick hinter die Kulissen des JFFH als auch einen Einblick in die japanische Kultur erlauben wird. Erstaunlicherweise habe ich bisher praktisch keine vergleichbaren Blogprojekte von Filmfesten gefunden, wir scheinen an dieser Front also schonmal Vorreiter zu sein. Wenn uns das darüber hinaus auch noch im einen oder anderen Bereich gelingt, dann ist mir nicht länger bange um die Zukunft meines geliebte JFFH!
2 Kommentare for "Keine Zukunft für asiatische Filmfeste?"
Da dies mein erster Kommentar ist in diesem Blog zunächst einmal ein Riesenlob. Die Aufmachung und die Register sind sehr Benutzerfreundlich und Informativ.
Was nun die Zukunft der Filmfestivals anbelangt so fürchte ich das diese entweder sich weiter kommerzialisieren müssen um zu überleben, was gerade bei Alternativen Filmen schwierig wird, oder Sie müssen eine verständnissvolle öffentliche Hand vorfinden,die auch in Zeiten knapper Kassen bereit ist die kulturelle Vielfalt zu fördern und zu erhalten.
Eine Prognose mag ich da nicht abgeben, bin aber eher pessimistisch gestimmt. Ein Grundsätzliches Problem bei den Filmfestivals ist auch das der einzelne Film meist nur einmalig gezeigt wird. Ein temporäres Unikat, das wenn man just dann wenn dieser gezeigt wird keine Mögllchkeit des Erscheinens hat, zur Fata Morgana wird.
Ich wundere mich schon länger warum die Independence Filme das Internet noch nicht als Plattform nutzen um Ihre Filme einem grösserem Publikum frei zugänglich zu machen. Welcher Film dieses Genre kann den erwarten den grossen finanziellen Reibach zu machen an den Kinokassen ?
Warum dann nicht die Filme frei der Community zugänglich machen. Ein finanzieller Verlust würde da denke ich nciht entstehen, im Gegenteil der Bekanntheitsgrad des Films würde steigen, was dann am Ende dazuführen kann das sich dann auch wieder mehr Besucher in den konventionellen Kinosälen einfinden würde um solche Filme zu erleben.
Ich habe kürzlich versucht eine DVD des Kultfilmes Pillow Book von Peter Greenaway zu kaufen. IN den umsatzstarken Verteilern wie Mediamarkt und Saturn gab es Sie natürlich nicht. Aber auch bei Thalia ging ich leer aus. Erst im Internet wurde ich fündig. Traurig aber wahr selbst mehrfach ausgezeichnete Filme finden den weg in die Kommerzialisierung für den Mainstream nicht.
Woran liegt es ?????
Ich für meinen Teil mag mir die Antwort gar nicht eingestehen, da schweigt es sich besser….., was ich nun auch tun will.
Heydal
Hallo Heydal! Ich sehe die Zukunft der Filmfestivals nicht ganz so trübe. Natürlich haben es Festivals nicht einfach, aber es gibt einige Faktoren, die den Festivals in die Hände spielen. Wäre das nicht so, hätte es in den letzten Jahren auch nicht die starke Zunahme von Filmfesten gegeben. An einer Kommerzialisierung führt sicher kein Weg vorbei. Da es sich bei den neuen Filmfesten aber meist um Nischenthemen handelt (etwa landesspezifische Filme, schwul-lesbische Filme, etc.) sind der Kommerzialisierung allerdings Grenzen gesetzt, einfach weil die Zielgruppe des jeweiligen Filmfestes klein ist. Neben Sponsoren spielen Fördermittel – seien es staatliche Gelder oder von Privatpersonen, die z.B. einen Förderverein gründen – eine wichtige Rolle. Wobei ich persönlich überzeugt bin, dass gerade diese privaten Mittel in Zukunft noch wichtiger werden. Denn gerade weil diese jungen Filmfeste sich an ein Nischenpublikum richten, ist die Bindung zwischen Festival und Publikum sehr stark und es besteht beim Publikum eine hohe Bereitschaft, selbst zum Erhalt des Festivals beizutragen. Ich erfahre das ja selbst beim Japanischen Filmfest Hamburg.
Zum Thema Independent-Filme und ihre Verbreitung über das Internet: Ich bin ziemlich sicher, dass das kommen wird. Derzeit ist es noch ziemlich aufwändig, einen ganzen Film in guter Qualität zu streamen. Aber in dem Moment, in dem das über große Plattformen wie Youtube möglich wird, werden die Independents diese Möglichkeit sicher nutzen. Und so richtig spannend wäre es, wenn diese Streaming-Möglichkeit mit einem Bezahlsystem verbunden würde. Apple geht mit iTunes ja derzeit die ersten Schritte in diese Richtung, natürlich vor allem mit den großen Blockbustern. Wenn sich das durchsetzt, könnte das für Independents eine Möglichkeit sein, ihre Filme zu vermarkten. Wobei ich es natürlich begrüßen würde, wenn diese Plattform eine offene wäre, so wie Youtube.
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