29 Jun
Vor ein paar Monaten fiel mir der links abgebildete Bildband in die Finger – möglicherweise bei 2001? Ich weiss es nicht mehr. Ohne lange nachzudenken packte ich das Buch ein, es war günstig und stammte schließlich aus der Feder von Stuart Galbraith IV., einem anerkannten Experten für japanische Filme und Autor der epischen Kurosawa-Mifune Doppelbiografie The Emperor and the Wolf. Zudem war das Werk im Taschen-Verlag erschienen und zwar neben dem englischen Original auch in einer deutschen Fassung! Zusammen mit den bei Taschen obligatorischen schönen Bildern klang das nach einem potenziellen Standardwerk für den deutschen Markt. Doch groß war meine Enttäuschung, als ich das Buch kürzlich aus dem Regal hervorholte und zu lesen begann.
Gleich auf der ersten Seite, neben dem Inhaltsverzeichnis, fand ich den Vermerk:
Umschlagvorderseite: Standbild aus „Abe Sada“
Autsch. Jedem, der sich auch nur ein bisschen mit japanischen Filmen beschäftigt hat, dürfte auffallen, dass das auf der Umschlagvorderseite abgebildete Standbild aus der oscargekrönten Samurai-Trilogie mit Toshiro Mifune stammt. Ok, dachte ich mir, das kann jedem mal passieren. Nur leider „passieren“ derartig haarsträubende Fehler in diesem Buch immer wieder.
Sehr ärgerlich und verwirrend ist auch die Praxis, die Filmtitel konsequent ins Deutsche zu übersetzen, auch wenn es gar keinen deutschen Verleihtitel gibt und sich stattdessen der internationale, englische Titel eingebürgert hat. Da wird dann plötzlich von einem Film namens „Auf ein Neues, reflorierte Jungfrau!“ gesprochen, bei dem man schon einiges an Assoziationsvermögen braucht um darauf zu kommen, dass Go, go, second time virgin gemeint ist.
Nicht nachvollziehbar ist für mich auch die Einteilung in die Kapitel, die völlig konzeptionslos wirkt. Nach der Einleitung, in der ein paar Worte zur Frühphase des japanischen Films fallen und die zunächst eine chronologische Struktur andeutet, folgt das Kapitel „Japan über Japan“. Eigentlich eine interessante Idee, Filme herauszustreichen, in denen die Filmemacher das eigene Land, die eigene Geschichte und Lebensweise reflektieren, wie etwa Ozus Werke oder die berühmten Antikriegsfilme der 1950er von Kon Ichikawa und Masaki Kobayashi. Doch dann kommt als nächstes Kapitel „Bedeutende Filmemacher der 1950er und 1960er Jahre“. Als drittes Ordnungskriterium werden dann im nächsten Kapitel „Komödien, Musicals & Liebesgeschichten“ auch noch Genres eingeführtes. Besonders abenteuerlich wird es im Kapitel „Fahrt zur Hölle, ihr Bastarde“, in dem die frühen Kriminalfilme Kurosawas mit den psychedelischen Gangsterepen von Seijun Suzuki und modernen Actionfilmen wie Battle Royale zusammengeworfen werden. Und alle Filme der letzten 20-30 Jahre scheinen pauschal als die Zweite Nouvelle Vague eingeschätzt zu werden im gleichnamigen Kapitel, das den Abschluss des Buches bildet.
Bei diesem heillosen Durcheinander von Genres, Epochen, Filmemachern und Themen muss man eines jedoch anerkennen: Das Buch versucht, einigen Filmen bzw. Genres, die in der Literatur bisher kaum Erwähnung fanden, eine größere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, namentlich Komödien und Musicals der 50er und 60er. Doch leider zeigt sich hier gleich noch ein weiteres Problem des Buchs, nämlich dass ca. drei Viertel der knapp 200 Seiten von (teilweise wirklich sehr schönen) Bildern eingenommen werden. So kommt es, dass beispielsweise das Kapitel zu Anime bei all den Abbildungen nur etwa 4 Seiten Text enthält und somit nicht viel mehr Erläuterungen und Informationen vermitteln kann als ein ausführlicher Zeitungsartikel. So muss das Buch sich natürlich im Kratzen an der Oberfläche erschöpfen, zumal ja alle Themen, Genres und Epochen mal angerissen sein wollen.
Kann ich das Buch wenigstens dem interessierten Neuling empfehlen? Eigentlich nicht, jedenfalls nicht guten Gewissens, angesichts der eingangs erwähnten inhaltlichen Fehler und der verwirrenden Filmtitel. Außerdem fehlt ein Register zum Nachschlagen der erwähnten Filme und Filmschaffenden. Letztlich taugt das Buch vor allem zum Blättern und Bildergucken, was mir wirklich unerklärlich ist angesichts des Formats und der Expertise des Autors. Ich kann mir dieses Debakel nur mit einer völligen Fehlkonzeption seitens des Verlags erklären. Schade, da hätte man so viel mehr draus machen können!
1 Kommentar for "Japanese Cinema"
[…] am Herausgeber, bzw. der Politik des Taschen Verlags. Das augenscheinlichste Problem sind zunächst Schwierigkeiten mit der Zuordnung, Ãœbersetzung und der Orthographie. Wenn beispielsweise die Bilder der Umschlagvorder- und rückseite falsch beschriftet sind, in […]
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