10 Jul
Original: Summer Wars (2009) von Mamoru Hosoda
Eigentlich hat Kenji schon einen Ferienjob als Systemadministrator bei dem riesigen Social Network „Oz“. Doch als die Schulschönheit Natsuki noch eine Aushilfe sucht, lässt er sich nicht zweimal bitten und begleitet sie aufs Land zu ihrer weitläufigen Familie, die den 90. Geburtstag der Oma feiert. Dort stellt sich allerdings heraus, dass sein Job darin besteht, Natsukis Freund zu spielen. Nach ein bisschen Sträuben lässt er sich natürlich breit schlagen und genießt dann auch das turbulente Familienleben.
Doch das böse Erwachen folgt am nächsten Morgen, als sich herausstellt, dass Kenjis „Oz“-Account gehackt wurde und nun Amok läuft: Reihenweise schluckt er andere Accounts und greift mit deren Rechten auf allerlei Systeme zu, von Ampelanlagen über GPS-Satelliten bis zu Herzschrittmachern. Die Welt droht, im Chaos zu versinken. Doch Kenji und seine „neue Familie“ stemmen sich mit allen Mitteln der künstlichen Intelligenz entgegen, und dabei kommen sich natürlich auch Kenji und Natsuki näher.
Summer Wars ist Unterhaltung im allerbesten Sinne: Der Film legt gleich mit der berauschenden Bilder- und Bewegungsflut von „Oz“ los, doch bevor wir von all den Eindrücken überwältigt werden, nimmt Hosoda Tempo raus und stellt uns erstmal unsere Helden vor. Dann gehts gleich wieder mit Vollgas weiter in die nächsten Temposzenen, bevor wir dann Natsukis Familie kennenlernen. Man muss diese rhythmischen Wechsel, die uns einerseits mitreißen und die Zeit wie im Fluge vergehen lassen (Laufzeit fast 2 Stunden), dazwischen aber viele Gelegenheiten zum Innehalten bieten und schon fast eine besinnliche Stimmung bieten, einfach bewundern.
Einziger Wermutstropfen für den nicht-japanischen Zuschauer ist das Finale, in dem Natsuki mit dem gehackten Monster-Account um die Zukunft der Welt spielt – und zwar eine Partie Hanafuda, ein japanisches Kartenspiel. Wer dieses Spiel nicht kennt, was wohl für die meisten westlichen Zuschauer zutrifft, dem entgeht leider ein Stück der Spannung und des Mitfieberns.
Auch wenn der Film in erster Linie unterhalten will, ist er aber alles andere als platt. Es werden eine Reihe von wichtigen, ernsten Themen angeschnitten und die fließende Verknüpfung der „realen“ Welt im Film mit einem Social Network, wie es in ein paar Jahren durchaus vorstellbar wäre, bietet reichlich Gedankenanstöße. So gibt es eine Sequenz, in der Natsukis Oma mit Hilfe ihrer weitverzweigten Familienverhältnisse sowie alter Freunde und Bekannten – also mit einem Netzwerk der alten Schule – in all das durch den Zusammenbruch des virtuellen Netzwerks verursachte Chaos etwas Ordnung zu bringen versucht.
Was mich – als jemand der in der Branche tätig ist – an der Umsetzung von „Oz“ besonders begeistert hat, war der einerseits sehr spielerische, zugleich aber absolut realistische Umgang mit dem Thema. Wie wir als Zuschauer und „neu registrierte Mitglieder“ am Anfang des Films abgeholt werden und die Funktionsweise dieser virtuellen Welt erklärt bekommen, davon könnte sich so manches real existierende Social Network eine Scheibe abschneiden! Auch wie die spielerische Nutzung, die für die meisten Menschen bei Social Networks im Vordergrund steht, mit den sehr ernsten Konsequenzen von Ereignissen in der virtuellen Welt für das reale Leben kontrastiert wird, zeugt von einem durchdachten Umgang mit diesem hochaktuellen Thema. Die Ernsthaftigkeit bleibt aber angesichts der unfassbar vielen, liebevoll-kreativen Details stets im Hintergrund.
Was im Vergleich zu Hosodas vorangegangenem Film Das Mädchen, das durch die Zeit sprang jedoch fehlt, sind die wunderbar ausgeformten Charaktere. Dafür bleibt in Summer Wars bei all dem drunter und drüber, der Faszination der virtuellen Welt in „Oz“ und der Vielzahl an zwar sympathisch-schrägen, aber doch ziemlich oberflächlichen Charaktere schlicht keine Zeit mehr. Es sind zwei völlig verschiedene Filme und beide sind auf ihre Art sehr sehr gut gemacht. Das spricht eindeutig für das Können von Mamoru Hosoda, von dem wir angesichts seines Alters von 42 Jahren noch einiges erwarten dürfen.
7 Kommentare for "Summer Wars"
Ich freue mich schon sehr auf den Anime und hätte ich mich gefreut, den im Kino (außer auf für mich unerreicbaren Festivals) sehen zu können.
So aber warte ich gerne auf die DVD-Veröffentlichung 😉
Je nachdem wo du wohnst hast du vielleicht bald auch die Chance, dir Summer Wars noch im Kino anzuschaufen. Kaze bringt den Film (anscheinend nur mit drei Kopien) ab 12.8. in ausgewählte Kinos, die sich bisher hauptsächlich auf den Kölner Raum sowie Berlin zu konzentrieren scheinen.
Ja glücklicherweise komme ich aus Aachen und da ist es bis Köln ein Katzensprung 😉
Wie man sieht, wird die Kinoliste immer weiter aktualisiert und es werden immer mehr Kinos, in denen SUMMER WARS laufen wird. Auch wenn der Film nur mit drei oder vier Kopien starten wird, ich finde es großartig, diesen Mut zu haben dieses Wagnis einzugehen & zu versuchen auch nicht Anime Fans zuerreichen und freue mich den Film auf der großen Leinwand zu sehen !
[…] (14,99 bei Amazon) wie Bluray (21,99 Euro). Update: Wie Marald völlig richtig ergänzt, kommt mit Summer Wars nächste Woche noch ein weiterer faszinierender Anime bei uns in die Läden, und zwar ebenfalls […]
Dieses moderne Anime verbindet verschiedene Genres & Zeichenstile hervorragend miteinander. Was Anfangs auf einen schlichten Teeniefilm hinauslaufen könnte wird immer wieder von den Geschehnissen der Onlinewelt aufgewirbelt und hält den Zuschauer auf Trab.
Der Junge muss sich nicht nur der Herausforderung stellen die Familie des Schulschwarms von sich zu überzeugen, sondern durch einen ein Versehen auch noch das Chaos der Onlinewelt und dessen Auswirkungen auf die Erde in Ordnung bringen. Die Unterhaltung lässt an keinem Zeitpunkt nach – wie auch bei den ganzen aufwenigen und unterschiedlichen Charakteren!?
Ich finde die Fusion zwischen Tradition und Technik einfach fantastisch umgesetzt.
> 8/10
1possess
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