10 Nov
Original: Blues Harp (1998) von Takashi Miike
In einer Nacht begegnen sich drei Menschen: Der Yakuza Kenji (Seiichi Tanabe) wird zuerst vom Mundharmonikaspieler Chuji (Hiroyuki Ikeuchi) vor seinen Verfolgern gerettet und dann von Tokiko (Saori Sekino) zusammengeflickt. Chuji hat selbst als kleiner Straßendealer mit den Yakuza zu tun und schnell entwickelt sich zwischen den beiden eine enge Freundschaft. Tokiko und Chuji verlieben sich bei einer erneuten Begegnung und werden ein Paar.
Doch während Chuji rundum zufrieden ist mit seinen kleinen Gigs in Nachtclubs und der Liebe zu Tokiko, zieht es Kenji nach ganz oben. Er intrigiert mit einem verfeindeten Clan gegen seinen eigenen Chef, um in dessen Fußstapfen zu treten. Plötzlich gerät Chuji durch einen Verrat zwischen die Fronten und Kenji muss sich zwischen seinem Freund und seinen ehrgeizigen Zielen entscheiden.
Die beiden Freunde könnten in ihrer Lebenseinstellung kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite der bescheidene, fast schüchterne und großherzige Chuji, der völlig im Spiel mit der Mundharmonika und der Liebe zu Tokiko aufgeht. Auf der anderen der exzessive, herrische, die Konfrontation suchende Kenji. Miike macht den Kontrast zwischen ihren beiden Welten auch bildhaft deutlich: Chujis Welt ist farbenfroh, warm, voller Leben und Chaos, während Kenjis Intrigen in der Welt der Yakuza dagegen meist in kalten, reduzierten Bildern gezeigt werden.
Dass am Ende Kenjis konfliktbeladene, vor Gefahren strotzende Welt wie eine Naturgewalt über die heile Welt Chujis hereinbricht und Kenji bis zum Äußersten geht um seinen Freund vor den Konsequenzen zu retten, lässt sich vielleicht dahingehend deuten, dass auch Kenji sich tief drinnen nach einer solchen einfachen, heilen Welt sehnt. Doch ihm ist klar, dass er in einer solchen Welt nichts verloren hat. Das macht eine Szene deutlich, in der er sich einen Auftritt von Chuji ansieht und sich schon nach wenigen Minuten wieder von Tokiko verabschiedet unter Hinweis auf seinen Anzug und der Entschuldigung, er wäre fehl am Platze.
Auch wenn Chuji der eigentliche Hauptcharakter des Films ist, bleibt Kenji doch der interessanteste. Es fällt schwer, aus dem verschlossenen Typen schlau zu werden. Seine Zuneigung zu Chuji hat von Anfang an eine ausgeprägte homoerotische Note, die er vor diesem jedoch verbirgt, so als wolle er auch damit dessen Welt vor seinem eigenen zerstörerischen Einfluss schützen. Hier findet sich denn auch die einzige Parallele zu einem weiteren Film Miikes aus dem Jahr 1998, dem sehr viel bekannteren The Bird People in China. Hier entdeckt ebenfalls ein Yakuza etwas, für dessen Schutz er bereit ist, sich aufzuopfern.
Das Ende des Films bleibt offen, mit einem gewissen Interpretationsspielraum. Zudem wird der Film von zwei kurzen Flashbacks am Anfang und Ende eingerahmt, in denen wir Chuji als Kind sehen, einmal mit seiner Mutter und einmal mit seinem mysteriösen Vater. So hat Miike auch in diesem eigentlich so schlichten und geradlinigen Film uns Zuschauern noch ein kleines Rätsel mit auf den Weg gegeben.
Keine bedeutungsschwangeren Symbole, keine Schockeffekte oder krasse Gewalt, keine durchgeknallten, comic-haften Geschichten: Blues Harp ist einfach ein richtig guter Film mit einer spannend erzählten, intelligenten Story, sympathischen, glaubwürdigen Charakteren (sehr gut gespielt noch dazu) und einem knackigen, urig-rockigen Soundtrack, der die dichte Stimmung des Films wunderbar transportiert. Ein kleiner, wenig bekannter Rohdiamant im frühen Werk das Takashi Miike.
Diese Rezension ist Teil des Japanese Film Blogathon 2010.
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