24 Jan
Original: Hatsujō kateikyōshi: sensei no aijiru (2003) von Mitsuru Meike
Das Callgirl Sachiko (Emi Kuroda) gerät in eine Schießerei und erhält eine Kugel in die Stirn. Doch statt Sachiko zu töten, hat das Geschoss einige ungewöhnliche Auswirkungen: Sinneswahrnehmungen erreichen sie manchmal nur verzögert, sie wird zu einer Intelligenzbestie und kann sogar in die Zukunft sehen. Obendrein findet sie in ihrer Tasche eine Replik des Zeigefingers von George W. Bush, die bei der Schießerei eigentlich an einen nordkoreanischen Spion übergeben werden sollte.
Der Präsidentenfinger entwickelt ein erstaunliches Eigenleben und findet Gefallen an Sachiko, die unterdessen bei einem Philosophieprofessor und dessen Familie unterkommt. Dort nutzt sie ihre erotischen Talente, um den Sohn des Hauses für seine Mathehausaufgaben zu motivieren. Lange bleibt ihr Aufenthalt dem Spion allerdings nicht verborgen, und Sachiko wird klar, was die wahre Bestimmung des Fingers ist und was der nordkoreanische Geheimdienst damit vorhat.
Ich werde aus diesem Film nicht so recht schlau. Manchmal habe ich das Gefühl, dass hier einfach die Vermarktungsfähigkeit eines vergleichsweise öden Pinkfilms mit ein paar Seitenhieben auf Bush gesteigert werden sollte, dann wieder sehe ich darin eine hochgradig kreative und schräge Veralberung des ganzen Pinkfilm-Genres mit einer politischen Message als Krönung.
Was spricht für die erste Variante? Zunächst mal die ganzen uninspirierten Sexszenen, die nach Schema F alle Klischees des Genres abhaken: Rollenspielsex als Lehrerin mit einem Schüler, Sex mit dem verwirrten Professor, Sex mit nem Polizisten, Selbstbefriedigung im Auto, ne kleine Vergewaltigung dazwischen. Spätestens in der dritten, immergleichen Sexszene holt man sich dann mal nen Snack aus dem Kühlschrank, um die Zeit totzuschlagen.
Aber dann wird uns aus heiterem Himmel diese geniale Szene auf dem Dach eines Hochhauses um die Ohren gehauen: Sachiko wird von Bushs Finger verfolgt, der schließlich in sie eindringt. Während sie sich auf dem grünen Dach windet, dirigiert im Hintergrund Bush aus einem Fernseher heraus den Finger – Moment, wie kam der Fernseher auf das Dach? Egal! Dazwischen werden dann noch Bilder aus dem Irakkrieg und der berühmte Flugzeugträger-Auftritt Bushs montiert. Die Bildkomposition, die verschiedenen technischen und stilistischen Mittel, die Dynamik dieser Szene und natürlich die hammerharte politische Message machen diese Szene einfach extrem beeindruckend!
Dass Sachiko Hanai so etwas wie ein Meta-Pinkfilm ist und sich heimlich über das Genre lustig macht, würde ich auch aus den augenzwinkernden Seitenhieben rauslesen, die immer wieder eingestreut sind. Angefangen gleich in der ersten Szene mit dem Typen, der gar nicht mehr aufhören kann zu ejakulieren. Oder die abstrusen Situationen, die immer wieder durch die zeitversetzte Sinneswahrnehmung Sachikos entstehen. Oder der Spion, der ihr in bester Stalker-Manier in ihrer Wohnung auflauert, sich zu ihren Handy-Fotos einen runterholt und dann aber vor lauter Langeweile anfängt, aufzuräumen und die Wäsche zu waschen.
Zu den stärksten Szenen gehört eine gegen Ende des Films. Sachiko und der Spion haben den Apparat entdeckt, der mittels Bushs Finger die Fernsteuerung der amerikanischen Atomraketen ermöglicht. Um dem Spion die Bedeutung des Geräts und den Plan der Nordkoreaner klarzumachen, greift sie nun zu denselben Motivationstricks wie zuvor in den Lehrer-Rollenspielen und zieht sich bei jedem richtig gelösten Rätsel weiter aus. Ich tendiere dazu, das für einen ziemlich cleveren – und komischen – Seitenhieb auf Standardmotive sowohl aus dem Pinkfilm als auch dem Spionagefilm zu halten…
Also, womit haben wir es hier zu tun? Mit einem Marketingtrick, der mittels einiger pseudo-intellektueller Sprüche und ein paar Bush-Videos Kinogängern und Festivalkritikern in aller Welt einen öden Pinkfilm als große Kunst verkaufte? Oder einem visionären Meisterwerk, das mit simplen aber kreativen Mitteln eine Antikriegsagenda mit politischer Satire verbindet, sich dazu eines Pinkfilms bedient und dabei auch noch dieses Genre persifliert? Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen – aber selbst wenn das alles nur ein Marketingtrick war, dann war es auf jeden Fall ein verdammt genialer!
2 Kommentare for "The Glamorous Life of Sachiko Hanai"
Der lief unter dem Titel „Die zauberhafte Welt der Sachiko Hanai“ im Rahmen der „arte“ Trash Reihe und war eine Grundlage für meine Vermutung, daß in Japan alles bunter, witziger, phantasievoller ist als im Westen. Selbst Sexfilmchen. Während ich das hier schreibe stöhnen die im Hintergrund gerade beim Englisch pauken ;-).
Yep, genau so ist es. In Japan ist einfach alles besser!
😉
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