22 Okt
Mark Le Fanus 2005 erschienenes Buch Mizoguchi and Japan über Kenji Mizoguchi und dessen filmisches Schaffen ist das einzige ausschließlich Mizoguchi gewidmete, englischsprachige Buch, das derzeit auf dem Markt ist. Klar, dass ich daran nicht vorbeikam.
Umso enttäuschter war ich, als mir nach dem Lesen der ersten Seiten klar wurde, was das Buch nicht ist: Eine gut strukturierte, analysierende und nach Erkenntnisgewinn strebende Auseinandersetzung mit Mizoguchis Filmen. Mit gerade einmal knapp 200 Seiten ist es dafür auch fast schon zu dünn geraten. Jetzt könnte man meinen, dass es dann wohl eher eine Einführung ist, die einen knappen Überblick vermittelt, aber dafür nicht in die Tiefe geht. Aber auch das trifft es nicht. Ich hatte beim Lesen eher den Eindruck, dass Mizoguchi and Japan statt dessen einer Sammlung von Essays und Gedanken gleicht, die sich größtenteils mit Mizoguchis Filmen und daneben noch etwas mit der japanischen Kulturgeschichte befassen.
Le Fanu setzt bei seinen Auseinandersetzungen mit den Filmen vieles voraus, sowohl was den kulturellen Hintergrund betrifft als auch die Filme selbst. Wenn man diese selbst schon gesehen hat, liefert er reichlich Denkanstöße und Interpretationen, an denen man sich mit den eigenen Gedanken wunderbar reiben kann. So ging es mir beispielsweise bei seinen Besprechungen von Die Dame von Musashino oder Ugetsu. Ist dies nicht der der Fall, lässt das Buch den Leser ziemlich allein im Regen stehen.
Was das Lesen zudem erschwert, ist die mangelhafte Strukturierung. Zunächst werden wir kurz – all zu kurz, die japanische Filmindustrie etwa wird auf einer Seite abgehandelt – in den japanischen Kontext eingeführt, dann in die Arbeitsweise Mizoguchis. Hier wird es langsam interessant, es kommt unter anderem die lange Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Yoshikata Yoda zur Sprache, Mizoguchis Detailbesessenheit und sein kühles Verhältnis zu seinen Schauspielern. Doch auch diesen Teil wünscht man sich deutlich ausführlicher.
So weit so sinnvoll, doch nun beginnt Le Fanu die Auseinandersetzung mit den Filmen Mizoguchis direkt mit den „Großen Drei“, Das Leben der Frau Oharu, Ugetsu und Sansho Dayu. Anstatt also dem Leser aufzuzeigen, welche Entwicklung Mizoguchi und seine Filme nahmen, die letztlich zu diesem Dreigestirn seiner bekanntesten Werke führte, ihn darauf vorzubereiten, werden wir direkt mit der Nase darauf gestoßen. In vier weiteren daran anschließenden Kapiteln werden jeweils einige thematisch verwandte Filme zusammen besprochen:
Diese sprunghafte, keinem klar erkennbaren Ordnungsschema oder einer übergeordneten Fragestellung folgende Beschäftigung mit den Filmen macht das Buch nicht nur schwer lesbar, sondern lässt auch kaum ein Bild vom großen Ganzen im Kopf des Lesers entstehen. In meinen Augen ist Mizoguchi and Japan eine vertane Chance.
Denn der Autor hat offenbar interessante Gedanken mitzuteilen und das über einen der ganz großen Filmemacher, über den bisher kaum publiziert wurde (jedenfalls außerhalb Japans). Hier hätte Le Fanu mit etwas mehr Struktur und Ausführlichkeit eine Marktlücke füllen und ein echtes Standardwerk schaffen können. Darauf muss der geschätzte Mizoguchi-Verehrer nun weiter warten und sich unterdessen damit trösten, dass trotz allem doch viel Gutes (auch wenn sich das in dieser Kritik anders anhören mag) in diesem Buch steckt.
5 Kommentare for "Mizoguchi and Japan"
Hallo Klaus,
danke für die Besprechung! Der Artikel war sehr interessant, solche Buchempfehlungen können ruhig öfters kommen. 🙂 Ich habe mir sagen lassen, dass David Bordwell’s „Figures Traced in Light“ einige sehr gute Artikel zum visuellen Stil Mizoguchis enthält. Vielleicht interessiert es dich ja:
Das hier besprochene Buch genießt auch woanders keinen allzu guten Ruf, ich lasse es dann mal lieber weg vom Einkaufzettel. 😉
oha, dein Link zerhaut mir aber ganz schön das layout… werde das mal ein bisschen aufhübschen 😉
Das Problem ist halt, dass es zu Mizoguchi ganz wenig aktuelle Literatur gibt. Werde mir den Bordwell auf jeden Fall mal anschauen. Und dann ist ja für nächstes Jahr eine englische Übersetzung von Tadao Satos Mizoguchi-Werk angekündigt, da bin mal wirklich gespannt drauf!
Hm, jetzt tut es der Link bei mir aber nicht mehr wirklich…liegt es an meinem Browser?
Wie auch immer, wollte hier nebnbei mal anmerken, dass das britische DVD-Label BFI im November eine Mikio Naruse-Box herausbringt. Inhalt:
– „Onna ga kaidan wo agaru toki / When a Woman Ascends the Stairs [DVD-Titel]“ [J 1960]
– „Ukigumo / Floating Clouds [DVD-Titel]“ [J 1955]
– „Bangiku / Late Chrysanthemums [DVD-Titel]“ [J 1958]
Bonus:
– 3 discs
– Audio commentaries by Freda Freiberg, Japanese cinema expert
– Video interview with Adrian Martin
– Essay by Paul Willeman
– Video and written essays by Barnard Eisenschitz
– Video interview with director Teruo Ishii, Naruse’s assistant
– New essay by Adrian Martin
– Theatrical trailer for When a Woman Ascends the Stairs
– Fully illustrated booklet with essays
Könnte man nicht irgendwie noch eine Kategorie für einrichten, in der neue DVDs zu japanischen Filmen angekündigt werden? Fände das ziemlich interessant. Und sorry fürs offtopic. 😉
[…] Geschichten aus dem Leben der aufstrebenden Händlerschicht bekannt, und auch dieses Werk ist Mark Le Fanu zufolge eine Aneinanderreihung erotischer Abenteuer der Heldin. Insofern stellt Mizoguchis […]
3dissimulation
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