Archive for the ‘Gegenwartsfilme’ Category

Original: Maiko haaaan!!! (2007) von Nobuo Mizuta

Bei einem Schulausflug nach Kyoto verläuft sich der junge Kimihiko (Sadao Abe) in das Geisha-Viertel Gion und verfällt Hals über Kopf dem rätselhaften Charme der jungen Maikos. Zehn Jahre hat sich daraus eine völlige Besessenheit entwickelt. Als er nach Kyoto versetzt werden soll, lässt er seine Freundin Fujiko (Kou Shibasaki) sitzen und nimmt die Gelegenheit gerne wahr, doch er muss zuerst noch seinen Chef überzeugen, von diesem in ein Geisha-Haus mitgenommen zu werden. Als er seinem Ziel dann ganz nah ist, kommt ihm der Baseballspieler Kiichiro (Shinichi Tsutsumi) in die Quere.

Zwischen den beiden entwickelt sich eine völlig überdrehte Rivalität: Kimihiko geht selbst in den Profi-Baseball, worauf Kiichiro eine Restaurantkette eröffnet und als Bürgermeister kandidiert, was ihm Kimihiko natürlich prompt nachmacht (und wozu er jedesmal seinen Chef mit aberwitzigen Plänen überredet). In der Zwischenzeit ist Fujiko auch nach Kyoto gekommen um eine Ausbildung als Maiko zu machen, und gerät natürlich prompt zwischen die Streithähne, allerdings ohne dass Kimihiko sie wiedererkennen würde…

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Maiko haaaan!!! war einer der großen Überraschungserfolge 2007 in Japan, und das ist im Grunde gar nicht überraschend. Der Film führt nämlich eine ganze Reihe von Erfolgselementen sehr gut zusammen: Eine Liebesgeschichte, ein Familiendrama, den Aufstieg eines Helden, skurrilen Slapstick und jede Menge japanischer Nationalsymbole von der Maiko über Baseball bis zu den Ramen-Nudeln.

Erfreulicherweise bleibt der Film auch keineswegs auf dem Niveau der wohlbekannten Blödel-Filme sondern entwickelt gleich auf zwei Ebenen Tiefgang: Zum einen bezüglich Kimihiko, dem zum Ende klar wird, dass seine Besessenheit von Maikos dem echten Glück im Wege steht und zum andern in der Figur des Kiichiro, der ein Geheimnis bewahrt, das seine Familie vor eine harte Zerreissprobe stellt. Und ganz nebenbei vermittelt der Film auch noch einige Einblicke in die stark reglementierte Welt der Geishas und räumt so mit dem einen oder anderen Klischee und Vorurteil auf.

Großartige Unterhaltung made in Japan!

Original: Noto no hanayome (2008), von Mitts Shirahara

Und wieder mal hab ich die Ehre, hier einen Film vorstellen zu können, von dem es noch nicht mal einen IMDb-Eintrag gibt! A Bride of Noto lief erst wenige Wochen vor dem Japanischen Filmfest in Japan an und wurde meines Wissens bisher auch nur in der Region Noto gezeigt. Denn die Story des Films hat einen wahren Hintergrund: Ein Erdbeben zerstörte dort viele Häuser, viele Menschen mussten lange Zeit in Notunterkünften unterkommen.

In dieser Zeit reist die junge Miyuki aus Tokyo ins ländliche Noto, um sich um die Mutter ihres Verlobten zu kümmern, die sich bei einem Unfall ein Bein brach. Mit dem ungewohnten Landleben konfrontiert, stellt Miyuki sich zunächst sehr ungeschickt an, besonders in häuslichen Dingen. Zudem behandeln die Schwiegermutter in spe und andere Dorfbewohnerinnen sie sehr von oben herab. Nur zur steinalten, tauben Nachbarin entwickelt sie ein freundschaftliches Verhältnis.

Als die Situation für sie immer unerträglicher wird, entschließt sie sich zur Rückkehr nach Tokyo, doch auf dem Weg erfährt sie, dass die Mutter eventuell ins Altenheim eingewiesen werden soll. Nun fasst sie sich ein Herz, nimmt die Herausforderung an und die beiden Frauen beginnen, sich zu respektieren. Als Miyuki mit viel Einsatz auch noch ein lokales Festival reanimiert, gewinnt sie auch die restlichen Dörfler für sich.

Die Geschichte ist ziemlich vorhersehbar, aber die Story bietet natürlich nur den Rahmen für die Entwicklung von Miyuki und ihrem Verhältnis zur Schwiegermutter und dem traditionellen Landleben, das diese repräsentiert. Und diese ist mit einigen sehr emotionalen Momenten gut in Szene gesetzt. Zudem lockern komische (manchmal etwas klischeehafte) Situationen, etwa rund um Miyukis unterentwickelte Kochkünste oder zum Umgang mit lebenden Fischen oder Ziegen den Film gut auf. Und natürlich ist er an manchen Stellen etwas sehr sentimental.

Sehr gut gefallen hat mir besonders der Umgang mit dem Land-Stadt-Gegensatz, der nicht nur auf platte Klischees reduziert wird. Vor dem Hintergrund der Zerstörungen durch das Erdbeben werden auch Probleme wie Abwanderung der jungen Generation, Einsamkeit und Verbitterung der zurückgebliebenen Alten oder Jobmangel thematisiert. Dass Miyuki am Ende ganz traditionell in Noto heiratet, deutet die Sympathien des Films an, der natürlich auch einige schöne Landschaftsbilder bietet (wer sich einen Eindruck verschaffen will, auf der offiziellen Website gibt’s einen Trailer).

Original: Sukiyaki Western Django (2007), von Takashi Miike

Miike darf derzeit ja auf keinem japanischen Filmfest fehlen, letztes Jahr lief Big Bang Love auf dem Japanischen Filmfest, jetzt Sukiyaki Western Django, der reichlich Aufmerksamkeit erhielt, auch in den großen Medien. Was nicht weiter verwunderlich ist, schließlich spielt Quentin Tarantino eine kleine Rolle und alle japanischen Schauspieler sprechen englisch – so gut oder schlecht es eben geht.

Die Story ist altbekannt und folgt den Genre-Konventionen: Zwei Banden bekriegen sich in einer kleinen Stadt über einen vermuteten Goldschatz, eine Familie gerät zwischen die Fronten, der Vater wird getötet, die Mutter schließt sich gezwungenermaßen einer der Banden an, der Sohn ist traumatisiert. Da verschlägt es einen mysteriösen, unbekannten Revolverhelden in die Stadt, die Dinge kommen in Bewegung und das Blut beginnt zu fließen.

Leider gab es bei der Vorführung eine kleine Panne, der Film lief mit der falschen Tonspur an (nämlich der japanischen Synchronfassung), so dass wirklich nichts zu verstehen war, denn Untertitel gibts nicht. Nach einer halben Stunde wurde der Fehler korrigiert und wir Zuschauer kamen endlich in den Genuss, Kaori Momoi, Masanobu Ando und all die anderen japanischen Stars, die Miike um sich geschart hatte, auf Englisch radebrechen zu hören. Das und der eine oder andere Gag führten durchaus zu einigen Lachern, alles in allem ist der Film von einer echten Komödie aber weit entfernt, vielmehr ist Sukiyaki Western Django eine einzige Skurrilität.

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Das beginnt schon beim Rückgriff auf den historischen Hintergrund, der aus den Heike Monogatari stammt, in denen der Kampf der Samurai-Clans Taira und Minamoto geschildert wird. Miike bedient sich bis zu den Namen der Hauptkontrahenten der historischen Tatsachen, nur dass Kyomori dann plötzlich zum Showdown mit einer Gatling antritt und Shakespare bewundert. Ein schizophrener Sheriff und ein durch den Verlust seiner Hoden dem Wahnsinn verfallener Samurai mit Irokesen-Schnitt sind weitere Paradebeispiele in Miikes Kuriositäten-Kabinett.

Highlight des Films ist für mich ganz klar Kaori Momoi – die ich bisher nur aus Arthaus-Filmen in anspruchsvollen Rollen kannte – die sich hier als Revolverheldin mal so richtig austoben kann und daran sichtlich Spaß hat. Ansonsten fällt mir nicht viel gutes ein, außer dass der Film handwerklich natürlich sehr gut gemacht ist und nett anzusehen ist, besonders das Finale im Schnee. Aber viele Handlungsstränge und Motive bleiben unklar, der Charakter des Films ist schwer zu bestimmen und wäre wohl am ehesten als groteske Verarsche sowohl des Westerns als auch des Samurai-Genres aufzufassen. Einen tieferen Sinn kann ich nicht erkennen: aufwändige Verpackung, nichts dahinter.

Original: Yōki na gyangu ga chikyū o mawasu (2006), von Tetsu Maeda

Als sie zufällig bei einem amateurhaft durchgeführten Banküberfall anwesend sind, lernen sich Kyono, Naruse, Kuon und Yukiko kennen und merken, dass sie es selbst viel besser machen könnten. Denn ihre besonderen Fähigkeiten ergänzen sich perfekt: Naruse (Takao Osawa) ist der Planer und Organisator und hat außerdem ein untrügliches Gespür für Lügen. Kuon (Shota Matsuda) ist ein exzellenter Taschendieb, Yukiko (Kyoka Suzuki) eine Fahrlehrerin mit dem Talent zur Stuntfrau und Kyono (Koichi Sato) ein Charmeur und Schwätzer vor dem Herrn.

Zunächst läuft für die so entstandene Gang alles wie am Schnürchen, doch dann tauchen Erpresser auf, die Yukikos Sohn kidnappen und den Erfolg der Gang ausnutzen wollen. So muss Naruse einen Plan aushecken, um eine weitere Bank zu überfallen und dabei gleichzeitig die Erpresser schachmatt zu setzen. Nebenbei entwickelt sich auch noch eine Romanze zwischen ihm und Yukiko. Beim Showdown geht es dann endgültig drunter und drüber, als auch noch ein rachsüchtiger Kollege Naruses mit einer Bombe auftaucht und ein vertrottelter Polizist ins Geschehen eingreift.

Screenshot A Cheerful Gang turns the earth 1

Die Charaktere dieser abgedrehten Gangsterkomödie sind leider ziemlich dünn, nur Yukiko und ansatzweise Naruse werden etwas ausführlicher beleuchtet und dem Zuschauer nahegebracht. Auch die Gags sind manchmal etwas sehr albern. Das ist schade, aber bei einem Film, der auf Action, Spaß und eine rasante Handlung setzt nicht weiter verwunderlich.

Viel problematischer sind die Widersprüche des Plots und die vielen durcheinander geworfenen Handlungsfäden, die es dem Zuschauer am Ende doch ziemlich schwer machen, zu verstehen, was nun eigentlich wirklich passiert. Dieser Effekt wird noch verstärkt durch die Erzählstruktur, die nicht kontinuierlich chronologisch verläuft sondern Flashbacks und im Fall der Planung des Überfalls auch Vorgriffe auf die Zukunft verwendet. Zudem durchbrechen eine Reihe von CGI-Effekten, die zwar lustige Ideen umsetzen und schön anzusehen sind, die Struktur und erschweren so die Konzentration auf das Wesentliche noch zusätzlich.

Screenshot A Cheerful Gang turns the earth 2

Zugleich sind es aber genau diese skurrilen Ideen, die entscheidend dazu beitragen, dass A Cheerful Gang turns the Earth einfach richtig Spaß macht und gute Unterhaltung für die ganze Familie bietet (trotz einiger in slow motion abgefeuerter Revolverkugeln ist der Film nämlich weitgehend gewaltfrei). Daher sehe ich dann auch darüber hinweg, dass bei aller Ähnlichkeit zu offensichtlichen Vorbildern wie Butch Cassidy and the Sundance Kid oder Ocean’s Eleven deren Klasse in weiter Ferne bleibt.

Battle Royale

Original: Batoru rowaiaru (2000), von Kinji Fukasaku

Zum Ende seiner Karriere setzte der 2003 (während der Dreharbeiten zum Sequel) verstorbene Kinji Fukasaku, der in den 1970ern mit der Battles without Honor and Humanity-Reihe bekannt geworden war, nochmal ein kräftiges Ausrufezeichen: Battle Royale.

In einer nicht allzu fernen Zukunft steht die japanische Gesellschaft vor dem Abgrund: ein Heer an Arbeitslosen, Perspektivlosigkeit, die Jugend lebt ihren Frust in Gewalt aus und gerät außer Kontrolle. Eine Schulklasse wird ausgelost und statt auf die Abschlussfahrt auf eine einsame Insel verfrachtet, wo die Jugendlichen sich unter Aufsicht des Militärs und ihres ehemaligen Lehrers Kitano (Takeshi Kitano) gegenseitig umbringen müssen. Nur der letzte Überlebende darf die Insel verlassen.

Battle Royale Screenshot 1

Battle Royale ist aber keiner der üblichen Splatter-Filme, auch wenn natürlich reichlich Blut fließt und junge hübsche Mädchen im Dutzend niedergemetzelt werden. Es gibt nämlich keinen äußeren Feind, der die Gruppe nach und nach dezimiert (auch wenn Takeshi Kitano als sadistischer Lehrer einen herrlichen Schurken abgibt). Vielmehr sind es die Schüler selbst, die gegeneinander aufgehetzt ihre eigenen Klassenkameraden bis aufs Blut bekämpfen.

So wird der Film zu einer bitteren, ins groteske übersteigerten Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen Japans um die Jahrtausendwende. Über allem wird der extreme Konkurrenzdruck, dem Schüler bereits von Kindheit an ausgesetzt sind und der sich nahtlos in der späteren Arbeitswelt fortsetzt, thematisiert. Dieser Druck führt dazu, dass Klassenkameraden, die sich eigentlich gegenseitig helfen und Vertrauen ineinander haben sollten, sich gegenseitig verraten, vergiften und hinterrücks erschießen.

Battle Royale Screenshot 2

Natürlich kristallisieren sich schnell bestimmte Typen unter den Schülern heraus: Die berechnende Egoistin, die auch Sex als Waffe nutzt, der Psycho, der aus purer Freude tötet, die mit Gift spielende Eifersüchtige, eine kleine Gruppe von Nerds, die in bester A-Team-Manier Sprengstoff selbst mischen und die Technik des Militärs unterwandern und natürlich das aufrechte Liebespaar, das sich dem Töten verweigert. Was sie alle verbindet (und Anlass zu wunderbaren Diskussionen über Spieltheorie bietet) ist der Mangel an Vertrauen den anderen gegenüber, und nur dadurch kann das „Spiel“ funktionieren.

Aber auch andere Aspekte des Alltags bekommen ihr Fett weg, allen voran die Medien: Der Film eröffnet mit einer Sequenz, in der die Vorjahres-„Siegerin“, ein blutbespritztes, wirr lächelndes Mädchen, von einem Pulk abgehetzter Journalisten empfangen wird. Und die Regeln des Spiels werden den Schülern mittels eines Videoclips vermittelt, in der eine dralle, hyperaktive Moderatorin in Hot Pants und Patronengürtel in bester Dschungelcamp-Manier die Jugendlichen auffordert, beim gegenseitigen Gemetzel ihr Bestes zu geben.

Battle Royale Screenshot 3

In Form des Lehrers Kitano, der zunächst als rechtschaffenes Opfer der gewalttätigen Schüler eingeführt wird, nimmt Regisseur Fukasaku auch das Establishment aufs Korn. Nicht nur dass er mittels einiger kurzer Telefonate zwischen Kitano und dessen Familie auch dessen verpfuschtes Privatleben beleuchtet, das ihm keinerlei Halt mehr gibt und ihn als leer und vereinsamt porträtiert.

Mehr noch wird Kitano als gewissenloser Sadist präsentiert, der nur auf Rache an den Schülern aus ist, die ihm das Leben zur Hölle gemacht haben. Einzig eine von ihm verehrte Schülerin, Noriko (Aki Maeda), gibt ihm noch so etwas wie Hoffnung, alle anderen würde er am liebsten eigenhändig umbringen, wie am Ende ein von ihm gemaltes Bild zeigt. Rache- und Mordphantasien sind eben nicht nur auf computerspielende Kids beschränkt, sondern kommen sehr wohl auch bei Familienvätern und Respektspersonen (Lehrer haben in Japan noch einen deutlich höheren Stellenwert als in Deutschland) vor.

Battle Royale Screenshot 4

Als Film begeistert mich Battle Royale nicht wirklich. Er ist gut und routiniert gemacht, mit vielen, die Stimmung mitprägenden, in kalten Blau- und Grautönen gehaltenen Einstellungen. Die Hemmungslosigkeit, mit der sich die Teenager gegenseitig umbringen, verliert jedoch bald den Reiz des Schockierenden. Echte Spannung kommt kaum auf, weil für eine Identifikation viel zu viele Schüler über die Klinge springen müssen und weil bereits relativ bald absehbar ist, wer am Ende überleben wird.

Als bittere, desillusionierte Anklage einer auf bedingungslosen Wettbewerb ausgerichteten Gesellschaft, in der Gewalt als ein legitimes Problemlösungskonzept dargestellt und propagiert wird und in der elementare menschliche Werte dem individuellen Erfolg nur im Wege stehen, trifft Battle Royale allerdings einen Nerv unserer Zeit. Und stellt uns allen die Frage: Wie konnte es so weit kommen?

Original: Linda Linda Linda (2005), von Nobuhiro Yamashita

Eine Gruppe Mädchen plant, für ein Festival an ihrer Schule eine Band auf die Beine zu stellen und einige Songs aufzuführen. Dummerweise hat sich die Gitarristin gerade zwei Finger gebrochen, und die Gründerin der Band, Kei (Yu Kashii), hat sich mit einer Freundin, die ebenfalls in der Band mitwirken sollte, zerstritten. Nun springt Kei, die eigentlich kaum Gitarre spielen kann, als Gitarristin ein und als Sängerin wird kurzerhand die koreanische Austauschschülerin Son (Doo-na Bae), die nur gebrochen Japanisch spricht, rekrutiert.

Der Film zeigt, wie die vier Mädchen – außer den beiden genannten noch Schlagzeugerin Kyoko (Aki Maeda) und Bassistin Nozomi (Shiori Sekine) – innerhalb von drei Tagen zu einer eingeschworenen Gemeinschaft zusammenwachsen, Freundinnen werden und neben dem Einstudieren der Songs noch mit typischen Problemen des Erwachsenwerdens zu kämpfen haben. Die schüchterne Kyoko beispielsweise verliebt sich in einen Mitschüler, kann sich aber nicht überwinden, ihm ihre Gefühle zu offenbaren. Kei dagegen muss sich mit dem Streit mit ihrer besten Freundin und einer in die Brüche gegangenen Beziehung auseinandersetzen und ist zu Beginn des Films (verständlicherweise) deprimiert, reizbar und schlecht gelaunt, findet aber dank der Band wieder zu guter Laune und Spaß am Leben zurück.

Screenshot Linda 2

Was an Linda Linda Linda sofort auffällt, ist sein langsamer Rhythmus, der im starken Kontrast zu den Punkrock-Songs der Blue Hearts steht, welche die Mädchen einstudieren (und von denen einer dem Film seinen Namen gab). Regisseur Nobuhiro Yamashita bleibt mit der Kamera immer auf Distanz, vermeidet Kamera-Bewegungen und hält die Einstellungen sehr lange. Damit schafft er jedoch ganz wunderbare Stimmungsgemälde und lässt seine Charaktere in dieser etwas wehmütigen, melancholischen Stimmung aufgehen.

Nachtrag: Ich habe nachgezählt und bin auf 335 Schnitte gekommen, was bei einer Gesamtlaufzeit von 114 Minuten durchschnittlich 3 Schnitte pro Minute sind. Ich habe leider keine Vergleichszahlen zur Hand, aber für einen Film des 21. Jahrhunderts und einen Regisseur der Videoclip-Generation (Yamashita war 2005 gerade mal 29) sind das ist unglaublich lange Einstellungen!

Besonders in der ersten Hälfte, während der Einführung der beiden Hauptpersonen Kei und Son, verdeutlicht diese Distanziertheit die Isolation der beiden: Die Austauschschülerin Son, die sich nur schwer verständigen kann und keine Freunde hat, sehen wir allein vor den Plakatwänden ihres Projekts zum Koreanisch-Japanischen Kulturaustausch. Kei, die gerade mit einer alten Freundin im Streit ist, treibt allein im Pool.

Screenshot Linda 1

Yamashita verzichtet konsequent auf jegliche Stereotypen und die allseits bekannten Klischees von Teenie-Filmen: Kein Gekreische, keine Zickenkriege (wir erfahren nie, warum sich Kei und ihre Freundin zerstritten haben), keine konstruierten Konflikte mit Lehrern, Eltern oder irgendwelchen Schulhof-Mobbern. Er zeigt einfach nur die Geschichte von vier ganz normalen Mädchen, mit ganz normalen Nöten und Problemen, die kurz vor dem Ende ihrer Schulzeit noch eine Band gründen. So entsteht ein sehr glaubwürdiges, realistisches Porträt.

Diese Schlichtheit und der langsame Rhythmus lassen Linda Linda Linda besonders in der ersten Hälfte, während des zaghaften Kennenlernens der vier, für den einen oder anderen vielleicht etwas dröge wirken, aber ich bin mir sicher: Würde Ozu heute einen Teenager-Film drehen, dann sähe das Resultat ungefähr so aus! Die immer wieder eingestreuten Bilder aus dem Schulgebäude, von langen Korridoren, Schließfächern oder Fahrradständern erinnern stark an die typischen Stillleben bei Ozu, auch wenn sie natürlich einem anderen Zweck dienen und in erster Linie die Atmosphäre der Schule aufgreifen, transportieren und im Zuschauer die Erinnerung an die eigene Schulzeit wecken sollen.

Screenshot Linda 3

Trotz der simplen Story und der schlichten Ästhetik wirkt der Film aber keineswegs kalt oder intellektuell-abgehoben. Dazu trägt zum einen gerade in der zweiten Hälfte der großartige Soundtrack mit den von den Mädchen gespielten Songs der Blue Hearts bei. Die Energie, Lockerheit und Lebendigkeit der Musik geben die sich wandelnde Stimmung wieder und passen hervorragend zu dem ausgelassenen Spaß, den die vier trotz aller Schwierigkeiten beim Musizieren haben.

Zum anderen sind es die schauspielerischen Leistungen, die den Film tragen. Besonders Doon-na Bae in der Rolle der Son (im unteren Screenshot links) hält den Film zusammen, wird zum Dreh- und Angelpunkt; dank ihr sehen wir die zunächst zurückhaltende, in der fremden Umgebung etwas chaotisch agierende Son regelrecht aufblühen. Ihre Direktheit und die fehlende Vertrautheit mit Normen und Verhaltensweisen sorgen zudem immer wieder für skurril-komische Momente, etwa wenn sie in einer Karaoke-Bar dem Besitzer so lange auf die Nerven geht, bis der darauf verzichtet, dass sie ein Getränk bestellen muss. Mit ihrer Begeisterung und ihren großen Augen reißt sie die anderen (und den Zuschauer) mit und wird mit ihrem warmen sympathischen Wesen zum emotionalen Mittelpunkt der Band.

Screenshot Linda 5

Ihr ist klar, dass der ganze Spaß den sie mit der Band hat, die Befreiung aus ihrer Isolation in diesem fremden Land und die großartige Erfahrung während ihres Austauschs ihr völlig unverhofft in den Schoß fielen. Sie ergreift einfach die gebotene Gelegenheit, kostet diese ganz aus und ermöglicht dadurch das enge Zusammenwachsen der Band, da sie keinen Ballast mit sich trägt.

Wieder einmal ein kleiner, gelungener und sehr charmanter Film, der einen wehmütig an die eigene Jugend zurückdenken lässt, als das ganze Leben vor einem lag, noch alle Möglichkeiten offenstanden und man noch auf nichts festgelegt war. Zugleich weckt er aber auch die Erinnerung an dieses Gefühl des Abschiednehmens, des Auskostens einer vielleicht einzigartigen (weil letzten?) Gelegenheit, und die Unsicherheit darüber, was vor einem liegt. Aber Achtung, wer sich diesen wunderbaren Film anschaut sollte sich darauf einstellen, neben der DVD auch gleich noch die CDs der Blue Hearts kaufen zu wollen, die Songs haben nämlich definitiv Ohrwurm-Potenzial!

Original: Chugoku no chojin (1998), von Takashi Miike

Nachdem Takashi Miike zuvor vor allem durch seine blutigen Gangster-Filme, allen voran die Triad Society-Trilogie, auf sich aufmerksam gemacht hatte, wandte er sich mit The Bird People in China einem völlig anderen Thema und Stil zu und gab damit eine beeindruckende Kostprobe seiner erstaunlichen Vielseitigkeit. Dieser Film brachte ihm schlagartig auch die Anerkennung von internationalen Kritikerkreisen.

Bird People Screenshot 1

Der Angestellte Wada (Masahiro Motoki) wird von seiner Firma auf die Suche nach einer Jade-Mine tief im ländlichen China geschickt. Kaum angekommen, gerät er an den Yakuza Ujie (Renji Ishibashi), der für seinen Clan, dem Wadas Firma Geld schuldet, Anteile an der Mine sichern soll. Unter Führung des Chinesen Shen (Mako) machen sich der stets übellaunige Ujie und der völlig verunsicherte Wada auf ihre beschwerliche Reise. Diese führt sie von schlaglochübersäten Staubpisten über eine Floßfahrt schließlich steile Gebirgspfade hinauf, bis sie trotz des zwischenzeitlichen Gedächtnisverlustes ihres Führers das Dorf erreichen, in dem sich die Jade-Mine befindet.

Dort werden die beiden Großstadtmenschen nicht nur von der atemberaubenden Natur überwältigt, sondern auch von der einfachen Schönheit des Lebens der Menschen. Besonders Wada ist fasziniert von Si-Chang (Li Li Wang), einer Einwohnerin des Dorfes, die ein Lied singt, dessen Melodie und Text ihm seltsam bekannt vorkommen und die zudem die Kinder des Dorfes im Fliegen unterrichtet. Als Shen sein Gedächtnis zurückgewinnt und somit die Heimreise bevorsteht, kommt es zum Konflikt mit Ujie, der das Dorf, die Menschen und ihre traditionelle Kultur vor der mit der Ausbeutung der Mine verbundenen Ankunft der Zivilisation bewahren will.

Bird People Screenshot 3

Was zunächst wie eine Mischung aus Buddy-Komödie und Abenteuerfilm beginnt, entwickelt sich völlig überraschend in eine tiefschürfende Auseinandersetzung mit Gefühlen, Schuld, Träumen und Fragen nach dem Sinn oder Unsinn unserer modernen, technikversierten Zivilisation. Die grandiosen Naturszenarien der südchinesischen Berge kontrastiert Miike mit dem nur in ganz wenigen Szenen gezeigten Japan, das ausschließlich aus hektischen Menschenmassen, Betonlandschaften und überfüllten Pendlerzügen zu bestehen scheint.

Der Film schweift aber nie in eine unkritische Lobhudelei für Naturschutz oder in einseitige Zivilisationskritik ab. Im Gegenteil zeigt er an Einzelschicksalen deutlich, welche Nachteile das scheinbar so idyllische Landleben der Bauern hat, wo ein einfaches Fieber lebenslange Taubheit nach sich ziehen kann und weist auch darauf hin, dass nur mittels moderner Technologie das Besuchen solcher Idylle möglich ist. Freude und Glück ebenso wie Leid finden sich letztlich in beiden Welten.

Sehr spannend ist jedenfalls auch die Entwicklung der beiden Hauptcharaktere zu verfolgen: Der scheinbar so gewissenlose Ujie wird allnächtlich von Alpträumen und Schuldgefühlen geplagt und überdeckt dies lediglich durch seine Rüpelhaftigkeit, die angesichts der ursprünglichen Natur und Lebensweise der Menschen in einen ausgewachsenen Hass auf all das, was er hinter sich gelassen hat und was er mit Zivilisation verbindet, ausartet. Wada dagegen wächst an den Erlebnissen und an der Auseinandersetzung mit Ujie, wird vom unterwürfigen Angestellten zu einem selbstbewussten Menschen, der für sich (mit Hilfe von Si-Chang) schließlich den Sinn des Lebens findet.

Bird People Screenshot 2

Das Fliegen als ewiger Traum der Menschheit ist das dominante Motiv des Films, der mit den Worten „Ich habe 10.000 Mal geschlafen, aber nie davon geträumt, fliegen zu können wie ein Vogel“ beginnt. Für mich wird dieses Motiv im Film zu einem Symbol für ein erfülltes, glückliches Leben, das sich alle wünschen, wonach alle streben, das aber nicht durch noch so große Anstrengungen sondern nur durch eine bestimmte Lebenseinstellung erreicht werden kann.

Ein großer Teil der Interpretation des Films hängt jedoch von seinem Ende und besonders der faszinierenden Schlussszene ab, die ich hier aber nicht verraten will. Ich werde daher an dieser Stelle der Auseinandersetzung mit dem Film nicht mehr weiter ins Detail gehen – was mir aber zugegebermaßen sehr schwer fällt, er schreit einfach nach einer ausführlichen Interpretation – vielleicht in den Kommentaren?

Zwar ist The Bird People in China wie auch die anderen Miike-Filme, die ich bisher gesehen habe, voller Symbole und Anspielungen, er bleibt dabei aber recht gut zugänglich (kein Vergleich etwa zu Big Bang Love). Der Film ist ein großartiges Werk und in meinen Augen ein absolutes Muss, auch für Cineasten, die von Miikes bluttriefenden Filmen eher abgeschreckt wurden.

Dersu Uzala

Original: Dersu Uzala (1975), von Akira Kurosawa

Nach einer Reihe von Enttäuschungen und großen Problemen, seine Projekte in Japan realisiert zu bekommen, nahm Kurosawa die Einladung eines Moskauer Filmstudios an und drehte 1975 zum ersten und einzigen Mal einen Film außerhalb Japans, nämlich eben in der Sowjetunion. Als Vorlage diente Kurosawa der Roman des russischen Forschers und Entdeckers Arseniev, in dem er von seinen Reisen Anfang des 20. Jahrhunderts und seiner Freundschaft mit dem kirgisischen Jäger Dersu Uzala berichtet.

Screenshot Dersu Uzala2

Der Film besteht aus zwei Hälften, die jeweils weitgehend die Ereignisse zweier Forschungsreisen aus den Jahren 1902 und 1907 wiedergeben. Auf der ersten Reise hinein ins tiefste Sibirien begegnet Arseniev (Yuri Solomin) dem Jäger Dersu (Maksim Munzuk), den er als Führer für seinen kleinen Trupp Soldaten anwirbt. Von Anfang an ist er von Dersus Verständnis, Respekt und Empfängnis für die Natur und natürliche Phänomene sowie von seiner bescheidenen Art beeindruckt. Dersu wiederum fasst schnell Vertrauen zu dem gebildeten, ehrlichen Forscher. Spätestens nachdem Dersu Arseniev in einem Schneesturm das Leben rettet, werden die beiden enge Freunde.

Fünf Jahre später kehrt Arseniev in die Wälder Ussuriens zurück und es dauert nicht lange, bis er Dersu wiedertrifft. Doch die anfängliche freundschaftliche Idylle wird bald überschattet von tragischen Ereignissen: Dersu schießt versehentlich auf einen Tiger, den König des Waldes, und ist fortan nicht mehr derselbe. Zudem ist die Zeit nicht spurlos an dem Jäger vorübergegangen, der immer schlechter sieht, so dass Arseniev seinen Freund schließlich nach Hause in die Stadt mitnimmt. Dort hält es Dersu aber nicht lange aus. Kaum ist er jedoch zurück in den Bergen, wird er wegen Arsenievs Abschiedsgeschenk von Räubern getötet.

Screenshot Dersu Uzala3

Diese Haupthandlung wird eingerahmt von zwei Besuchen Arsenievs am Grabe seines Freundes: Einer ganz am Ende des Films, nach Dersus Tod, und der zweite am Auftakt des Films, drei Jahre später, als Dersus Grab nicht mehr von Wäldern umgeben ist, sondern von einer im Aufbau befindlichen Siedlung. Von diesem Ausgangspunkt aus wird die gesamte Handlung als Rückblende erzählt. So erhält der Film eine starke nostalgische, wehmütige Note und die Figur des Dersu wird zu einem Symbol für eine untergegangene Zeit, in der die Menschheit der Natur und ihren Geschöpfen mit Respekt und Ehrerbietung begegnete.

So ist die Darstellung der Natur in Dersu Uzala – wie oft bei Kurosawa – sehr stark geprägt durch die Thematisierung der Elemente selbst; Regen, Wind und Kälte werden so zu je eigenen Herausforderungen für die Charaktere. Mehr als einmal sehen Arseniev und Dersu bei ihrem Kampf mit den extremen Naturgewalten Sibiriens dem Tod ins Auge und entkommen nur um Haaresbreite.

Die Bilder der Weiten und Wälder Sibiriens gehören sicher zu den beeindruckendsten Naturaufnahmen der Kinogeschichte. Diese sind für Kurosawa jedoch nie Selbstzweck oder einfach nur Kontext (man vergleiche die Hubschrauberflüge über Neuseeland im Herrn der Ringe), sondern treten immer in Beziehung zu den Charakteren oder zeigen uns die Natur aus deren Perspektive.

Screenshot Dersu Uzala

Ironischerweise ist es ausgerechnet der Forscher Arseniev, der mittels seiner Forschungsreisen und der dabei gewonnenen Karten dazu beiträgt, dass die Zivilisation immer weiter vordringt und damit Dersus Zuhause, die von ihm so geliebte Wildnis, vernichtet. Etwas gut gemeintes wird somit zum Vehikel der Zerstörung, genau wie Arsenievs Abschiedsgeschenk an Dersu: Damit dieser trotz seiner Sehschwäche noch auf die Jagd gehen kann, schenkt er ihm ein hochmodernes Gewehr. Genau dieses wertvolle Gewehr verschuldet dann aber Dersus Tod, da es ihn zur Zielscheibe für die Räuber macht.

Dersu Uzala ist ein sehr ruhiger, kontemplativer Film, ähnlich wie Rotbart oder Ikiru. Im Gegensatz zu diesen früheren Werken Kurosawas fehlen ihm aber die optimistische Grundstimmung und die von einem großen Glauben an das Gute im Menschen gespeiste Hoffnung, allen Widrigkeiten zum Trotz Selbsterkenntnis und Erfüllung im Leben zu finden.

Screenshot Dersu Uzala1

Die früheren Helden Kurosawas gewannen in der Auseinandersetzung mit dem Schicksal und einem Lehrmeister an Statur, Weisheit und Reife. Sie wuchsen über sich hinaus und wurden so selbst in die Lage versetzt, etwas von dem Gelernten weiterzugeben. In Dersu Uzala steht jedoch der Untergang eben des Lehrmeisters und seiner Welt im Mittelpunkt, Arseniev kann nur noch hilflos trauernd daneben stehen.

Hinweis: Kürzlich ist eine deutsche Fassung des Films auf DVD erschienen, die aus Beständen der DEFA stammt. Da jedoch die Originaltonspur nicht enthalten ist und auch die Bildqualität sehr zu wünschen übrig lässt (die obigen Screenshots stammen von der – deutlich teureren – UK-Version), kann ich den Kauf nicht wirklich empfehlen.