5 Okt
Hiroshi Teshigahara war der erste japanische Regisseur, der für einen Oscar nominiert wurde. Er wurde am 28. Januar 1927 in Tokyo geboren. Wie seine älteren Kollegen Kenji Mizoguchi und Akira Kurosawa machte er seine ersten künstlerischen Schritte als Maler, mit einem besonderen Interesse für den Surrealismus.
Seine ersten Filme waren Dokumentarfilme, einer davon über Hokusai, den berühmten Meister der japanischen Holzdruckkunst. Mit Hilfe seines Vaters Sofu Teshigahara, Gründer einer der berühmtesten Ikebana-Schulen Japans, machte Teshigahara sich unabhängig von den etablierten Filmgesellschaften und baute ein eigenes Produktionsstudio auf.
1962 drehte er seinen ersten abendfüllenden Spielfilm, „Otoshiana“ oder „The Pitfall“. Wie bei fast allen weiteren Filmen die noch folgen sollten, arbeitete er dabei mit dem Schriftsteller Kobo Abe zusammen, auf dessen Buch der Film basierte. Sein zweiter Film, Die Frau in den Dünen, wurde sein erfolgreichster. Wieder liegt dem Film ein Drehbuch von Abe zugrunde: Ein Lehrer verirrt sich auf der Suche nach seltenen Insekten in einer ländlichen Küstengegend und bittet einige Dofbewohner, ihn über die Nacht aufzunehmen. Die Dörfler bringen ihn zu einem kleinen Haus in einer Sandmulde, wo er fortan zusammen mit einer einsamen Frau zu leben gezwungen ist. Jede Nacht müssen die beiden den Sand der sich ausdehnenden Dünen schaufeln, um die Existenz des Dorfes zu sichern. Es handelt sich um ein außergewöhnliches Werk, eine klare Analyse gesellschaftlicher Prozesse und ein Kunstwerk von geradezu poetischer Schönheit gleichermaßen. Als erster japanischer Regisseur wurde Hiroshi Teshigahara für Die Frau in den Dünen für den Oscar nominiert; in Japan landete der Film auf Platz 1 der Top-10-Liste von Kinema Jumpo.
Die für Teshigahara typische Verbindung von Elementen aus Dokumentarfilm und Spielfilm verkörpert am stärksten „Summer Soldiers“, ein Film über Deserteure der US-Armee, die in Japan untertauchen. Die Verschmelzung der beiden Filmarten betrachtete Teshigahara dabei nicht als intentionalen Schritt sondern als Selbstverständlichkeit, wie er in einem Interview mit Joan Mellen erklärte: „Die wahre Bedeutung eines Dokumentarfilms liegt nicht darin, objektive Aufnahmen zu machen, sondern in der Interpretation des Regisseurs (…) Man muss dieses menschliche Element hinzufügen, sonst wird der Film niemals Kunst.“
Nach dem Tod seines Vaters übernahm Teshigahara 1980 die Leitung der Ikebana-Schule und zog sich weitgehend aus der Filmszene zurück, lediglich drei weitere Filme entstanden in der Folge. Hiroshi Teshigahara starb am 14. April 2001 in Tokyo an Leukämie.
Zu seinen bekanntesten Filmen gehören:
1953: Hokusai
1962: Otoshiana (engl.: The Pitfall)
1964: Die Frau in den Dünen
1966: Tanin no kao (engl.: The Face of Another)
1968: Moetsukita chizu (engl.: The charred Map)
1972: Summer Soldiers
1989: Rikyu – Der Teemeister
Originaltitel: Yuke yuke nidome no shojo (1969), von Koji Wakamatsu
Ein verstörender Blick in die Abgründe der menschlichen Seele: Sexualität, Begierde, Hass, Gewalt, Freundschaft, Tod bilden einen Mahlstrom, dem man sich nicht entziehen kann, wozu die großartige Schwarzweiss-Fotografie ihren Teil beiträgt.
Handlung
Das Flachdach eines Hochhauses ist das Setting dieses Films, ein Junge (Michio Akiyama) und ein Mädchen (Mimi Kozakura) sind die Akteure. Eine ganz normale Großstadt-Teeniegeschichte könnte man meinen, doch normal ist an diesem Film nichts. Das Mädchen Popo wird zu Beginn von einer Gang Rowdys vergewaltigt, es ist bereits das zweite Mal, dass ihr gewaltsam Sex aufgezwungen wird. Der Junge Tsukio, der selbst ein gestörtes Verhältnis zu seiner Sexualität hat, wird Zeuge des Verbrechens. Er spricht Popo an, sie bittet ihn, ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Er verspricht ihr, sie zu töten, wenn sie ihm einen Grund dafür nennen kann.
Für kurze Momente finden die beiden so etwas wie eine unschuldige Freundschaft, doch jeder Ansatz einer Normalisierung der Situation wird sofort brutal zerstört: Tsukio offenbart Popo (und dem schockierten Zuschauer), dass er unmittelbar vorher selbst Opfer sexueller Nötigung wurde, und alle Beteiligten in einem Blutbad ermordet hat. Als die Rowdys wieder auftauchen, ereilt sie nach und nach dasselbe Schicksal. Am Ende springen Tsukio und Popo gemeinsam, und lassen all ihre Leiden endgültig hinter sich.
Kritik
„Yuke yuke“ ist fast durchgängig in schwarzweiß gedreht. Lediglich die erinnerte erste Vergewaltigung Popos an einem Strand, eine Szenerie die der berühmten Strandkussszene von Burt Lancaster und Deborah Kerr nachempfunden ist, und das von Tsukio an seinen Peinigern angerichtete Massaker werden in Farbe gezeigt. Die Schwarzweißbilder bestechen dabei durch eine außergewöhnliche, schlichte Schönheit.
Immer wieder arbeitet Wakamatsu Symbole der Reinheit oder Reinigung in den Film ein, so etwa weiße, zum Trocknen aufgehängte Laken oder die sich im Regen waschende Popo. Beim Sehen des Films beschleicht den Zuschauer schnell das Gefühl, dass hier alles Symbol ist: Die Dialoge nehmen nie die Form echter Gespräche an, vielmehr sind sie Verlautbarungen, Akklamationen gepeinigter Seelen. Die häufigen Sexszenen sind bar jeder Erotik, sie sind reine Verkörperungen eines gestörten Verhältnisses von Sexualität und Gewalt, von Ausbeutung des Schwachen durch den Starken.
So wird „Yuke yuke“, Ende der 60er Jahre entstanden, zu einer bedrückenden Anklage der Illusion von freier Sexualität. Wakamatsu schuf einen Film, der seine Aktualität nicht verloren hat und der trotz der low-budget-Produktion, trotz der kurzen Laufzeit von 68 Minuten als gleichermaßen schön und doch erschreckend im Gedächtnis bleibt.