19 Dez
Eines der wichtigsten Genres des japanischen Kinos, befassen sich shomingeki-Filme mit dem Leben einfacher Menschen, vorrangig aus der unteren Mittelschicht.
Der einflussreichste Regisseur, der dazu beitrug, das Genre in den 1920er Jahren zu etablieren, war Yasujiro Shimazu. Seine Filme machten aus Slapstick-Komödien realistische Darstellungen des Lebens einfacher Menschen, die Verständnis weckten, unterhielten und dem Alltag trotz aller Widrigkeiten Bedeutung zuwiesen. Ein selbstverständlicher Bestandteil dieses Alltags war das Familienleben. Dessen brillantester Beobachter, Yasujiro Ozu, entwickelte das Genre mit seinem Film Ich wurde geboren, aber€¦ innerhalb kürzester Zeit zu voller Reife.
Weitere wichtige Regisseure von shomingeki-Filmen waren Mikio Naruse, Shiro Toyoda und Heinosuke Gosho. Auch der von mir so verehrte Kenji Mizoguchi hatte sich in der Frühphase seiner Karriere mit dem Genre befasst, etwa in Kaminingyo Haru no Sasayaki. Mit dem Aufkommen von Fernsehserien und dem wachsenden Einfluss des Hollywood-Kinos in den 1960er und 70er Jahren verlor das Genre aber stark an Bedeutung.
17 Dez
Original: Genroku chushingura (1941), Kenji Mizoguchi
Wie angekündigt ein paar Worte zu einem weiteren Film von Mizoguchi, dem ältesten den ich bisher gesehen habe. Klarstellung vorneweg: Dieser Film entspricht in keiner Weise dem, was westliche Zuschauer gewöhnlich unter einem „Samurai-Film“ verstehen, Schwertämpfe spielen hier keine Rolle. Es geht vielmehr um Werte wie Ehre, Loyalität und Standhaftigkeit, die alle durch Dialoge und Rituale statt durch Handeln zum Ausdruck gebracht werden.
Handlung
Der Film basiert auf einer Legende, die in Japan einen ähnlichen Stellenwert genießt wie etwa die Ritter der Tafelrunde in Europa und die unzählige Male verfilmt wurde. Im Jahr 1701 wird Fürst Asano (Yoshizaburo Arashi) mit der Durchführung von Feierlichkeiten am Hof des Shoguns betraut und soll dabei von dem in Hofetikette erfahrenen Kira (Mantoyo Mimasu) unterstützt werden. Doch Kira versagt dem Neuling Asano wichtige Hinweise, worauf dieser sich am Hofe blamiert und einen Anschlag auf Kira verübt.
Weil er das Friedensgebot am Hof verletzt hat, wird Asano zum Tode verurteilt und sein Clan aufgelöst, was alle seine Vasallen und Samurai zu Ronin, herrenlosen Kämpfern, macht. Unter Führung von Oishi Kuanosuke (Chojuro Kawarasaki) schließen sich 47 von ihnen zusammen, um ihren Herrn zu rächen. Nach einer Zeit voll bangen Wartens und Entbehrungen ergreifen sie eine günstige Gelegenheit, überfallen Kiras Residenz und töten ihn. Anschließend stellen sie sich der Justiz und folgen ihrem Herrn in den Tod.
Kritik
Zwei Dinge machen Chushingura so außergewöhnlich:
Die Ästhetik des Films besticht durch eine außergewöhnliche Ruhe, Langsamkeit und Distanziertheit. Bereits in der Eröffnungssequenz wird der Zuschauer auf diese kontemplative Atmosphäre vorbereitet:
Die Kamera fährt – so langsam, dass es für heutige Zuschauer eigentlich nur in FastForward erträglich ist – entlang eines Innenhofs, der im Stil der berühmten Zen-Gärten gestaltet ist. Die Kamera schwenkt dann auf Kira und zeigt den Angriff Asanos. Drei Minuten, alles ohne Cut!
Brillant auch eine spätere Szene, in der Asano zum Gericht geführt wird. Vor dem Tor wartet einer seiner Samurai, von dem er sich verabschiedet, ehe er im Innenhof verschwindet. Die Kamera fährt nach oben, so dass zwei Handlungsebenen im Bild erkennbar werden: Im unteren Teil des Bildes der vor der Mauer kauernde Samurai, im oberen Asano selbst, wie er seinen Richtern gegenübertritt. Durch den Dachfirst der Hofmauer wird das Bild entsprechend der beiden Handlungsebenen auch visuell in zwei Hälften geteilt €“ wahrscheinlich die erste Anwendung des Split-Screen.
Das – bei einem jidai-geki – überraschende Fehlen von Action hängt damit zusammen, dass es Mizoguchi vor allem darum geht, die persönlichen Konflikte zu schildern, die sich für alle Charaktere aus Asanos Verurteilung ergeben. Die zentrale Frage, der sich die Samurai gegenüber sehen, ist die nach dem ethisch-moralisch angemessenen Handeln. Sobald diese Frage entschieden ist, wird die Ausführung der Handlung zur Banalität, die sich off-screen ereignet – nach Hollywood-Konventionen undenkbar!
Wegen dieser inhaltlichen und ästhetischen Konsequenz frage ich mich, ob Noel Burch vielleicht doch Recht hat mit seiner Behauptung, die frühen Mizoguchi-Filme seien sehr viel visionärer als die im Westen bekannten Spätwerke wie Ugetsu. Bisher konnte ich mir das gar nicht vorstellen, aber nachdem ich Chushingura gesehen habe…
Ein interessantes Detail: Der Film wurde von den Zensurbehörden im Krieg stark gefördert (man muss sich nur die unglaublich aufwändigen Bauten ansehen). Einerseits ist das nachvollziehbar, lässt Mizoguchi doch den Ehrenkodex der Samurai hochleben. Andererseits wird vor allem im ersten Teil die Ungerechtigkeit der Regierung und die Pflicht, sich solcher Ungerechtigkeit zu widersetzen, thematisiert. Eigentlich erstaunlich, dass diese Teile nicht der Zensur zum Opfer gefallen sind.
2 Dez
Was war drin? Natürlich zwei DVDs: Das Leben der Frau Oharu und Die 47 Samurai, zwei Meisterwerke von Kenji Mizoguchi, nach denen ich schon lange gesucht hatte.
In Deutschland waren die einfach nicht aufzutreiben, aber wozu gibt’s schließlich Ebay? Dort bin ich dann bei einem (netten und zuverlässigen) Typen aus Südkorea fündig geworden, der öfter mal Klassiker des japanischen Kinos anzubieten scheint. Da ist mir mal wieder klar geworden, dass ich ohne die technische und wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen 10 bis 15 Jahre mit meinem Hobby ganz schön aufgeschmissen wäre!
Lang lebe das Internet! Lang lebe die Globalisierung!
Beim Auspacken hab ich dann zwar kurz einen kleinen Schrecken bekommen, als auf der einen Hülle keine englischen Untertitel erwähnt waren (koreanische Untertitel sehen zwar lustig aus, sind aber nicht wirklich hilfreich, und mein japanisch ist bestenfalls *hüstel* rudimentär).
Jetzt freu ich mich natürlich erstmal auf zwei faszinierende Filmabende! Und sobald ich mal wieder Zeit hab, folgen die Eindrücke zu den Filmen.