… entdeckt David Bordwell und lässt uns dankenswerterweise wieder einmal an seinen Erkenntnissen teilhaben. Ausgangspunkt ist die dem Leben und Werk des Schwertfilmstars Bando gewidmetet Dokumentation Bantsuma: The Life of Tomasaburo Bando, die ihm zufolge tiefe und begeisternde Einblicke in die außergewöhnliche Kreativität und Innovationskraft des japanischen Actionkinos der frühen 1920er Jahre erlaubt.
In seiner unnachahmlichen Weise verdeutlicht Bordwell dies mit Analysen zahlreicher Screenshots und ausgewählter Szenen und kommt zu der Schlussfolgerung, dass bereits diese frühen Filmemacher die Logik und Normen des Continuity-Cuttings verinnerlicht haben und konsequent anwenden. Dabei gehen sie aber noch einen Schritt weiter und stehen – Bordwell zufolge – damit in einer Reihe mit den etwa zur gleichen Zeit von Eisenstein entwickelten Ideen der Montage.
This is innovative filmmaking of a high order, and it took place in a shamelessly commercial film industry. Mainstream filmmaking in Japan has been open to stylistic experiment to a degree rare in other popular cinemas. You can trace a line from the 1920s to the present, from the chambara directors through Ozu and Mizoguchi and Kinoshita and Suzuki Seijin right up to Kitano and Miike.
Und genau dieser Wille und diese Bereitschaft zur Innovation und zum Außergewöhnlichen auch des kommerziellen Kinos sind es, die mich von Anfang an so an japanischen Filmen faszinierten. Immer wieder entdecke ich Neues, Atemberaubendes und Unerwartetes, sei es in „klassischen“ Filmen eines Mizoguchi, Shindo, Teshigahara, ihren Nachfolgern der Gegenwart wie Miike oder Iwai oder den vor Kreativität und Wagemut geradezu sprühenden Anime. Das macht das japanische Kino für mich so unvergleichlich!
Daniel war neulich in Paprika und hat die Erfahrung, diesen außergewöhnlichen Film in einem fast leeren Kino gesehen zu haben, in eine Generalabrechnung mit dem amerikanischen Kinogänger umgewandelt, der sich mit dem x-ten Sequel zu Pirates of the Caribbean oder Scary Movie zufrieden gibt:
There’s a reason you see nothing but junk food on the shelves, folks. Junk food is all that you consume. It’s as simple as that. No corporatist conspiracy theories, no nightmare scenarios of Dick Cheney peering into your brain for unpure thoughts, no Ned Beatty howling about the primal forces of nature. You’re stuck with Shrek the Third because you shelled out good money for Shrek the Second. And you didn’t show up for Tokyo Godfathers. Or Innocence. Or Triplets of Bellville. Or Metropolis.
Dem ist wenig hinzuzufügen. Dass ich letzte Woche Shrek der Dritte gesehen habe wäre mir jetzt extrem peinlich, wäre das nicht ein Team-Event gewesen, für das Cheffe gezahlt hat. 🙂
Also reißen wir uns jetzt alle zusammen und gehen nur noch in anspruchsvolle Filme, die unser Geld auch wirklich wert sind!? Ganz so einfach ist es wohl nicht, wie Daniel auch selbst erkennt:
Satoshi Kon is one of the smartest filmmakers around today. His are the kind of psychologically-driven character tales that great American directors once tackled. We used to make these sort of movies, albeit live-action. A whole generation of Americans are accustomed to expect movies to be little more than toy commercials, videogame demos, and wall-to-wall explosions. And fart jokes.
Denn es liegt ja eben nicht nur an den Konsumenten. Die können zwar letztlich mit ihrem Geld über Erfolg und Misserfolg entscheiden, aber auch Faktoren wie Marketing, Reichweite des Verleihs, PR etc. spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Und natürlich muss erstmal jemand da sein, der die entsprechenden Filme produziert, damit Kinogänger sie in den Box-Office-Listen nach oben pushen können. Und da sehe ich das Problem, jedenfalls was anspruchsvolle Anime angeht.
Seit Jahren haut Hollywood in schöner Regelmäßigkeit eine Comic-Adaption nach der anderen raus, darunter immer mal wieder auch der eine oder andere gute Film. Aber alles sind live-action-Filme, obwohl doch eigentlich bei einer Comic-Adaption ein animierter Film der naheliegendste Gedanke sein müsste. Doch bei den zuständigen Studios scheint da keiner auch nur drüber nachzudenken. Und das, obwohl Animationsfilme mit viel niedrigeren Produktionskosten (durchschnittlich 3 Mio. Dollar, bei einzelnen Großprojekten bis zu 20 Millionen, jedenfalls in Japan) verbunden sind, das finanzielle Risiko also vergleichsweise gering ist. Da muss sich definitiv also was in den Köpfen der Studiobosse bewegen.
Was uns natürlich nicht davon abhalten sollte, unser Geld für gute Filme auszugeben statt für Trash!
23 Jun
Original: Ran (1985) von Akira Kurosawa
Jahrelang hatte Kurosawa Geld gesammelt, Storyboards und Designstudien entwickelt, um sich auf dieses Projekt vorzubereiten, das die Krönung seines filmischen Schaffens werden sollte. Er ging sogar so weit, seinen vorhergehenden Film Kagemusha, der immerhin die Goldene Palme in Cannes gewann und für den Oscar nominiert war, als bloßen Testlauf für Ran zu bezeichnen. Und hat er erreicht, was ihm vorschwebte, nämlich sein Werk zu krönen? In mancher Hinsicht: ja.
Ran basiert auf Shakespeares Drama König Lear, versetzt die Handlung jedoch ins Japan des 16. Jahrhunderts. Der alternde Fürst Hidetora (Tatsuya Nakadai) beschließt, abzutreten und sein Reich unter seinen drei Söhnen aufzuteilen. Sein jüngster Sohn Saburo (Daisuke Ryu) hält nichts von diesem Plan und spricht seine Zweifel offen aus, weshalb Hidetora ihn verstößt. Doch schon bald erweist sich Saburos Skepsis als wohlbegründet, da die beiden Brüder Taro (Akira Terao) und Jiro (Jinpachi Nezu), getrieben von Ehrgeiz, Neid, Gier und der schönen aber hinterhältigen und skupellosen Lady Kaede (Mieko Harada) sich zuerst gegen Hidetora verbünden, ihn aus seinem Reich vertreiben und sich dann gegenseitig bekämpfen.
Dem Wahnsinn verfallen streift Hidetora durch sein zerfallendes Reich, begleitet und beschützt von einem treuen Vasallen und seinem philosophierenden Hofnarren. Während er von allen seinen Sünden, Schandtaten und dem Blutvergießen der Vergangenheit eingeholt wird, erkennt Hidetora, dass allein Saburo, sein von ihm selbst verstoßener Sohn, ihn wirklich liebte. Als dieser, unterstützt von einem benachbarten Fürsten, zurückkehrt, um seinen Vater zu retten, kommt es endgültig zum blutigen Untergang der Familie.
Kurosawa baut den Spannungsbogen langsam und gemächlich auf, die erste Hälfte des Films ist geprägt von Gesprächen Hidetoras mit seinen Söhnen und den Ratgebern sowie den von Kaede gesponnenen Intrigen am Hof, die zu Hidetoras Isolation und Rückzug auf eine einsame Burg führen. Wie aus dem Nichts bricht dann über Hidetora das Schicksal in Form eines Angriffs seiner Söhne, und über den Zuschauer eine Schlacht herein, wie es so noch keine gab.
Im Gegensatz zu den realistisch dargestellten Schlachten, die Kurosawa früher in Die Sieben Samurai oder Die verborgene Festung inszenierte, ist diese sehr stark stilisiert. Kurosawa verzichtet auf diegetischen Ton, nur die klagende Musik Toru Takemitsus liegt in der Luft und die Bilder sind fast ganz in Grautönen gehalten, vom Rot des vergossenen Blutes abgesehen. Und das Blut fließt in Strömen! In drastischen, alptraumhaften Bildern zeigt Kurosawa verstümmelte Kämpfer, hingemetzelte Konkubinen, abgehackte Gliedmaßen und brennende Körper. Krieg wird als abartige, barbarische Selbstzerstörung der Menschen thematisiert und die Welt als ein Ort dargestellt, an dem Werte nichts mehr gelten und die Menschheit am Abgrund steht. Besonders eindrücklich zeigt dies die Schlusszene, in der ein Blinder – verlassen vom Glauben und seinen ermordeten Mitmenschen – auf sich allein gestellt am Rand eines Abgrunds taumelt.
Wie in keinem anderen Film zuvor inszeniert Kurosawa eine alptraumhafte Welt voll surrealer Bilder, die dem Zuschauer die kommentierende, pessimistische Perspektive des Regisseurs regelrecht aufdrängen. Exemplarisch dafür stehen neben der erwähnten Schlacht auch das im Screenshot gezeigte Abgleiten Hidetoras in den Wahnsinn, als er buchstäblich von den Armeen seiner Söhne durch die Hölle geschickt wird. Auch Dialoge sind voll von Verzweiflung und Resignation. Beispiele gefällig? „Der Mensch zieht Trauer der Freude vor, und Leiden dem Frieden.“ Oder: „Der Mensch wird weinend geboren. Wenn er genug geweint hat, stirbt er.“
Mit seiner verzweifelten Stimmung und düsteren Thematik stellt Ran zweifelsohne den Höhepunkt von Kurosawas pessimistischer Phase der 1970er und 80er Jahre dar, in der er sich völlig von seinem in Filmen wie Ikiru oder Yojimbo zum Ausdruck gebrachten Credo, menschliches Handeln und der menschliche Wille könnten alle Hürden überwinden, lossagte. Doch Ran ist nicht nur in dieser Hinsicht ein außergewöhnliches Werk Kurosawas.
Einzigartig ist auch die starke Verfremdung, Schematisierung und Generalisierung der Charaktere. Drei Söhne, denen jeweils eine Farbe fest zugeordnet ist, blau für Saburo, rot für Jiro und gelb für Taro und die idealtypische, konzentrierte Verkörperung menschlicher Eigenschaften und Gefühle durch bestimmte Personen: Ehrgeiz bei Jiro, Selbstlosigkeit und Loyalität bei Kurogane, Grausamkeit und Hinterhältigkeit bei Lady Kaede, Großmut und Güte bei Lady Sue, Aufrichtigkeit bei Saburo. Dies will so gar nicht zu den vielschichtigen, vom Kampf mit sich selbst und dem Ringen von Gut und Böse gekennzeichneten Charakteren früherer Filme passen, die immer auch für die Entwicklung von Persönlichkeit standen. Ran dagegen wird durch diese Abstraktion menschlicher Charakterzüge und ihre Projektion auf einzelne Personen sowie die surreale Atmosphäre zu einer Parabel menschlichen Handelns.
Mit dieser außergewöhnlichen Abstraktion erreicht Kurosawas Schaffen tatsächlich einen besonderen Höhepunkt. Ganz anders als in früheren Filmen wie etwa Rotbart, in denen die dem Zuschauer vermittelte Lektion immer eine emphatische Komponente hatte, ist Ran nur intellektuell zu erfassen. Es gibt niemanden, mit dem man sich identifizieren, niemanden mit dem man mitfühlen könnte. Der Zuschauer wird immer auf Distanz gehalten während Kurosawa die Abgründe der menschlichen Seele seziert.
Zudem überragt die schiere Bildgewalt von Ran alle anderen Filme Kurosawas: Die grausamen Schlachten, die grandiosen Panoramen, die stilisierten, an das Noh-Theater angelehnten Auftritte von Kaede und das verstörende Ende suchen ihresgleichen. Doch so sehr der Film visuell und intellektuell auch beeindruckt, etwas fehlt. Nämlich eben die in seinen früheren Filmen immer spürbare Begeisterung und Anteilnahme an der Entwicklung seiner Helden sowie der Glaube, etwas bewirken zu können.
Mit Ran erreichte Kurosawa zwar zweifelsohne einen Gipfel seines Schaffens, um seine Botschaft unmissverständlich zu vermitteln opferte er aber Menschlichkeit, Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit. So kann Ran, bei all seiner atemberaubenden Ästhetik und brillanten Abstraktion, niemals dieselbe Faszination und Begeisterung wie Die Sieben Samurai, Ikiru oder Rotbart im Zuschauer wecken.
21 Jun
Bei Asianpopcorn findet sich ein bunter Mix aus News, Interviews und Filmtipps aus Japan, Korea und China. Besonders umfangreich ist die Sammlung an Trailern. Gut gemachte Seite, aber ein bisschen zu zeitgemäß und celebrity-lastig für meinen Geschmack. Muss aber jeder für sich entscheiden, ein Besuch ist auf jeden Fall lohnenswert.
Jason Gray ist für Leser von Midnight Eye kein Unbekannter, hat er sich dort doch schon des öfteren mit japanischen Filmen auseinandergesetzt. Auf Jasons Blog gibt es mehr davon und vor allem mehr News, Gedanken und Interessantes auch jenseits der Filmwelt.
Um den Dreier vollzumachen hätte ich dann noch einen weiteren Lieferanten von Wissenswertem aus der japanischen Filmwelt, HogaNews. Kritiken finden sich hier aber eher selten, und der Fokus ist sehr US-zentriert (Kinostarts und ähnliches). Kann man in seinen Feed-Reader aufnehmen, muss man aber nicht.
Während ich gestern Shrek der Dritte sah und popcornkauend in meinem Kinosessel saß, musste ich an das Zitat von Manohla Dargis zum Unterschied zwischen amerikanischen und japanischen Animationsfilmen denken:
One of this week’s indisputable standouts is “Paprika,“ the latest eye-popping anime from Satoshi Kon (“Millennium Actress,“ “Tokyo Godfathers“), which, despite the dizzying spirals of its overly compressed narrative, offers continued evidence that Japanese animators are reaching for the moon (and other far-out destinations), while most of their American counterparts remain stuck in the kiddie sandbox with their underage audiences.
Shrek ist wirklich kein schlechter Film, er weist die bekannten, sympathischen Charaktere auf, ist witzig, hat eine zwar vorhersehbare aber doch nette Story und seine Animation ist in manchen Details (die Haare von Arthur oder Prince Charming!) unfassbar naturalistisch.
Doch da liegt auch schon ein Teil des Problems. Anstatt die Möglichkeiten der Animation für ungewöhnliche Effekte, spannende Bildkompositionen oder expressionistische Elemente, welche den Charakteren mehr Tiefe geben könnten, zu verwenden, versucht man sich bei Dreamworks daran, Haare oder ein Getreidefeld immer noch „realistischer“ und naturgetreuer hinzubekommen. Anstatt seinem Publikum etwas zum Staunen zu geben, es zu überraschen und dabei vielleicht auch zu fordern, verlässt man sich auf altbekannte Rezepturen und die etablierte Marke.
In den anderthalb Stunden Shrek, so unterhaltsam sie auch waren, dachte ich nicht ein einziges Mal „Wow“, war nie von den Bildern und der Kreativität der Animateure so überwältigt, wie mir das bei japanischen Anime regelmäßig passiert, kurz: das „eye-popping“ fehlte komplett. Und das ist kein Problem von Shrek, sondern von amerikanischen Animationsfilmen ganz generell. Man denke an Madagascar, Ice Age, Hennen rennen und auch die meisten der Pixar-Filme, die – was Charakterentwicklung, Tiefe des Plots und Kreativität der Animation angeht – nicht einmal im Entferntesten mit den Japanern mithalten können.
Zentrales Problem dabei ist, dass Trickfilme aus den USA nach wie vor ausschließlich auf das Komödien-Genre beschränkt sind. Niemand scheint die Möglichkeiten, die der Animationsfilm für so naheliegende ernsthaftere Genres wie Science-Fiction oder Fantasy, die Anime in Japan so erfolgreich gemacht haben, bietet, zu erkennen. Oder es wagt einfach niemand, auch mal den eigentlich logischen, ja überfälligen, Schritt über die Komödie hinaus zu machen. Dargis‘ Zitat weist hier bereits auf die einseitige Orientierung auf ein jugendliches Publikum hin, doch dies kann nicht der Grund für die Erstarrung der US-Animationsfilme sein, denn schließlich sind ja gerade Jugendliche die Hauptkonsumenten von Anime und müssten Experimenten gegenüber eigentlich aufgeschlossen sein. Zudem werden auch in Japan Kinofilme in erster Linie für ein junges Publikum produziert.
Vermutlich liegt der Kern des Problems – wie so häufig – in den Führungsetagen, wo über Filmprojekte und deren Budgets entschieden wird und wo Innovation, Kreativität und Risikobereitschaft häufig eben nicht als Garant für Erfolg gesehen werden. Auf das einzelne Filmprojekt bezogen mag das auch stimmen, aber auf lange Sicht bedeutet Stagnation schlicht Rückschritt. Angesichts der rasch wachsenden globalen Popularität von Anime mit ihrem breit aufgestellten thematischen Repertoire und ihren exzellenten, visionären und hochinnovativen Animateuren ist die US-Filmindustrie auf dem besten Weg, sich ohne Not in einer Nische einzubuddeln.
17 Jun
Tokyo Story, Kein Bedauern für meine Jugend, Repast… herausragende Filme einer außergewöhnlichen Schauspielerin. Setsuko Hara, die mysteriöse „Ewige Jungfrau“, wird heute, am 17. Juni 2007, 87 Jahre alt.
Geboren als Masae Aida, kam sie bereits mit 14 Jahren auf Empfehlung eines bei Nikkatsu tätigen Onkels zum Film. Bereits während des Krieges wurde sie zu einer der populärsten Schauspielerinnen Japans, bevor ihre Karriere dann in der Zusammenarbeit mit Yasujiro Ozu ihren Höhepunkt fand. Ihr großer Erfolg wurde jedoch von tragischen Ereignissen überschattet, so musste sie mitansehen, wie ihr als Kameramann tätiger Bruder bei einem Unfall während der Dreharbeiten zu Tode kam und konnte aus gesundheitlichen Gründen vielversprechende Rollen nicht annehmen.
Auch wenn sie – besonders in ihrer Zusammenarbeit mit Akira Kurosawa – ihre Vielseitigkeit eindrücklich unter Beweis stellte, waren es doch vor allem ihre Rollen als der Familie verbundene Tochter in den Filmen Yasujiro Ozus, die ihren Ruf prägten. Über diese Zusammenarbeit schrieb Fritz Göttler:
Um das Erschrecken der Jugend geht es in diesen Filmen, dass sie alle mal so werden müssten wie die Alten, und um das Lächeln der Alten, darüber, dass das Leben glücklich sein kann, auch wenn es die Hoffnungen nicht erfüllen mag, die man in der Jugend hatte. Dieses Lächeln ist das Geheimnis, das allein Setsuko Hara kennt.
Doch ihr Lächeln ist nicht das einzige Geheimnis, das sie umrankt. 1963, kurz nach dem Tode Ozus, kehrte sie der Filmindustrie den Rücken, brüskierte ihre zahlreichen Fans mit dem Kommentar, das Schauspielern sei eine Qual gewesen, die sie lediglich zur Unterstützung ihrer Familie auf sich genommen habe. Sie zog sich komplett aus der Öffentlichkeit zurück, lebt seitdem abgeschieden in Kamakura und lehnte jegliche Interviews – selbst für eine Dokumentation über Ozu – ab. So rätselhaft ihre Charaktere, ihr Lächeln in ihren Filmen waren, so rätselhaft bleibt sie selbst.
Noch ein kleiner Überblick über ihre wichtigsten Filme:
1935: Tamerau nakare wakodo yo
1937: Die Tochter des Samurai (Atarashiki tsuchi)
1940: Hebihime-sama
1946: Kein Bedauern für meine Jugend (Waga seishun ni kuinashi)
1949: Late Spring (Banshun)
1951: Repast (Meshi)
1953: Tokyo Story (Tōkyō monogatari)
1954: Sound of the mountain (Yama no oto)
1960: Late Autumn (Akibiyori)
1961: The End of Summer (Kohayagawa-ke no aki)
16 Jun
Original: Kurutta kajitsu (1956) von Ko Nakahira
Mit seinem Debutfilm Crazed Fruit läutete Regisseur Nakahira die japanische Nouvelle Vague (oder im Japanischen: Nuberu Bagu) ein. Die Geschichte über eine dekadente Jugend und ihre sexuellen Abenteuer, verbunden mit einem völlig neuen visuellen Stil machen diesen Film zu einem der einflussreichsten in der Geschichte des japanischen Kinos. Umso unverständlicher, dass er heute kaum noch gewürdigt wird und sein Regisseur komplett in Vergessenheit geriet.
Crazed Fruit beginnt mit einem auf die Kamera zufahrenden Motorboot, und während der Opening Titles (wie heisst das eigentlich auf Deutsch?) sehen wir eine Nahaufnahme des am Steuer sitzenden jungen Mannes. Erst ganz am Ende wird klar werden, dass die gesamte im Anschluss gezeigte Handlung ein Flashback ist, und zwar von Haruji (Masahiko Tsugawa), eben jenem Jungen im Motorboot. Er verbringt den Sommer mit seinem älteren Bruder Natsuhisa (Yujiro Ishihara) und dessen Clique wohlhabender Freunde am Meer, wo die jungen Leute ihre Zeit mit Parties, Pokern und Prügeleien totschlagen. Und natürlich mit Frauen.
Haruji fällt aus dieser Clique heraus, er ist sexuell noch unerfahren, zurückhaltend und kritisiert die Sinnlosigkeit des Treibens der anderen. Zudem verliebt er sich bereits bei seiner Ankunft in die mysteriöse, attraktive Eri (Mie Kitahara), deren sexuellen Reizen bald auch sein Bruder verfällt und der hinter Harujis Rücken eine Affäre mit ihr beginnt. Als Haruji den Betrug schließlich entdeckt, kommt es zur unausweichlichen Katastrophe.
Bemerkenswert für einen japanischen Film der 1950er Jahre ist ein allgegenwärtiges sexuelles Vibrieren, das meist wie selbstverständlich die Stimmung prägt und manchmal zu außergewöhnlicher Spannung ansteigt. Herausragendes Beispiel dafür ist die erste Liebesszene mit Haruji und Eri, in der nichts passiert, die aber durch die detaillierte Dokumentation jeder noch so kleinen Bewegung auch eines Fingers in Großaufnahme geradezu knistert.
Die Geschlechterrollen und ihre Beziehungen untereinander sind jedoch völlig konventionell. Eri als Angelpunkt der Dreiecksbeziehung reagiert nur, geht nie in die Offensive, hat praktisch keinen eigenen Willen, ist nur als emotional und fühlend dargestellt. Sie leidet zwar unter der Situation und fühlt, dass etwas falsch läuft, ist aber nicht in der Lage, dies zu verbalisieren und die Männer – insbesondere Natsuhita, der sie massiv bedrängt – damit zu konfrontieren.
Im Gegensatz zu Donald Richie im Audiokommentar der DVD sehe ich in Eri trotzdem einen interessanten Charakter: Sie ist mit einem sehr viel älteren Mann verheiratet (diese Ehe scheint ihr aber nichts weiter zu bedeuten), entwickelt für Haruji – dessen aufrichtige, unschuldige Liebe ihr etwas gibt, was sie nie hatte – echte Gefühle und beginnt zudem noch eine leidenschaftliche Affäre. Ehe, Liebe, Leidenschaft – drei völlig andersgeartete Beziehungen, die sie nicht miteinander vereinbaren kann, zwischen denen sie sich aber auch nicht entscheiden kann. Gerade die Konventionalität ihres Charakters betont und kritisiert somit die Unmöglichkeit für die nach konventionellen Vorstellungen lebende Frau, Leidenschaft, aufrichtige Liebe und den Alltag des Ehelebens zu verbinden.
Nakahira greift zur Strukturierung des Films stark auf Parallelismen zurück, die offensichtlichsten davon sind die Großaufnahmen Harujis im Motorboot am Anfang und Ende sowie die verschiedenen Liebesszenen zwischen Eri und Haruji. Die bereits erwähnte findet später eine ähnlich strukturierte, aber entspanntere Wiederholung. Erster Kuss und erster Sex der beiden werden jeweils mit exakt demselben Ablauf und Setting (Fahrt im Auto, Spaziergang am Strand, in-die-Büsche-schlagen) inszeniert.
Wieviel Wert Nakahira auf eine klare Strukturierung legte, wird besonders in der fantastisch inszenierten und geschnittenen Schlusssequenz deutlich, in der Haruji nach langer Fahrt und Suche endlich Eri und seinen Bruder in ihrem Segelboot findet. Zunächst beobachten die beiden erstaunt und ahnungslos das nahende Motorboot. Während die beiden wie eine Beute von ihrem Jäger umkreist werden, und langsam merken, dass etwas nicht stimmt, nähert sich die Kamera ihnen immer weiter bis zur extremen Großaufnahme.
Crazed Fruit ist ein großartiger Film, dessen Bedeutung für die Entwicklung des japanischen Kinos kaum überschätzt werden kann, und der mit der Masters-of-Cinema Criterion-DVD gebührend gewürdigt wurde. Auch wenn ich persönlich von Richies Kommentar (so sehr ich ihn auch als Kurosawa-Experte schätze) etwas enttäuscht war – er schweift einfach zu häufig und weit vom Film ab. Noch ein interessantes Detail am Rande: Mie Kitahara und Yujiro Ishihara wurden tatsächlich ein Paar und waren (hoffentlich glücklich?) verheiratet.
14 Jun
Zatoichi #1
Ich habe ja keinen Fernseher, aber es soll Leute geben, die ein solches Gerät besitzen… und die werden zur Abwechslung mal belohnt, es kommt nämlich Zatoichi von und mit Takeshi Kitano! Freitag, 22.06. – 00:15, ZDF
Zatoichi #2
Das Affenheimtheater berichtet von der neuesten Auflage der Endlosserie rund um den blinden Schwertkämpfer, der nun sein Geschlecht wechseln soll: Haruka Ayase übernimmt die Titelrolle, und ist im gezeigten Video von den Dreharbeiten schon eifrig dabei, die Gegner aufzuschlitzen.
Zatoichi #3
Eine ausführliche Rezension zur DVD der 20. Episode der Zatoichi-Reihe, Zatoichi meets Yojimbo mit Stargast Toshiro Mifune, gibt es drüben bei critic.de zu lesen.