Jedesmal wenn wir ihn ansehen, führt er anderes Wasser.
Eine sehr interessante Frage hat Girish Shambu auf seinem Blog aufgeworfen: Wie verändert sich unsere Wertschätzung eines Films bei mehrfachem Ansehen desselben über eine längere Zeit? Ändern wir unsere Wahrnehmung eines Films, wenn wir ihn zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal sehen? Wenn wir mehr über den Film und seine Hintergründe wissen, etwa durch Kritiken, Zusatzmaterial auf DVDs oder einfach weil wir älter geworden sind und mehr Lebenserfahrung haben? Er stellt dabei sehr auf den analytischen, diskursiven Wert ab:
I find that the €˜value€™ of a film (and by this I mean not some €˜objective value€™ but a subjective determination of the value to a particular viewer) is a complex, mutating entity. Let€™s say that on a given day, I watch a film, think about it, and arrive at a determination of its €˜value€™. As time passes, my thoughts of this film don€™t stay fixed but are instead joined with all the discourse (watching, talking, writing), both about this film and cinema in general, that I encounter from then on.
Im Gegensatz zu Girishs Ansatz (der natürlich auch sehr spannend ist, keine Frage!) sehe ich für mich aber mehr den rein persönlichen Zugang, die individuelle Rezeption losgelöst von wohl überlegtem und analysierten Wert im Vordergrund. Also wie sich etwa meine persönliche Lebenssituation geändert hat oder dass ich den Film in einer komplett anderen Stimmung ansehe und dadurch ein anderes Seherlebnis habe.
Das erste Mal, dass man einen Film sieht, ist immer etwas ganz Besonderes und wann immer man ihn sich noch einmal ansieht, es wird nie wieder so sein wie beim ersten Mal. Bei manchen Filmen kommt Enttäuschung auf, weil man inzwischen erfahren hat, dass er stark auf früheren Werken anderer Künstler aufbaut. Oder weil die Faszination der Geschichte, das Entgegenfiebern der Auflösung wegfällt.
Genausogut kann es sein, dass man es erst bei einem späteren Wieder-sehen richtig funkt. Mir ging das beispielsweise mit Once Upon a Time in the West so. Als ich den das erste Mal gesehen habe, bin ich irgendwann als mal wieder nichts passierte eingeschlafen. Ein paar Jahre später, beim zweiten Ansehen, war ich komplett von den Socken.
Für mich persönlich ist dabei auch die Stimmung sehr wichtig, und zwar nicht nur meine eigene sondern auch die erweiterte Stimmung einer Situation. Was ich damit meine? Wenn du dir einen Film mit deiner Freundin/deinem Freund zusammen anschaust, mag er wunderbar zu eurem Verliebtsein, eurer Zweisamkeit passen und dir bzw. euch etwas ganz besonderes geben. Wenn du ihn dir aber später allein ansiehst, ist er einfach nur stinklangweilig. Oder im schlimmsten Fall, wenn ihr euch inzwischen getrennt habt, weckt er Erinnerungen an die Umstände des ersten Sehens und ruft Schmerz oder Ablehnung hervor, die mit dem Film selbst überhaupt nichts zu tun haben.
Bei mir ist es inzwischen auch so, dass manche Filme die mir sehr gefallen und die ich schon oft gesehen habe eine gewisse Aura entwickeln, weil ich mit ihnen bestimmte Ereignisse, Erinnerungen oder Stimmungen verbinde. Und so schaue ich mir diese Filme nicht nur wegen des Films an sich nochmal an, sondern auch, um in diese ganz eigene Aura einzutauchen.
Wie geht dir das?
Viele Kritiker und Cineasten schätzen Yasujiro Ozu als außergewöhnlichsten und herausragendsten japanischen Regisseur überhaupt. Eine wichtige Rolle spielt dabei sein unverkennbarer, nicht nur an ästhetischen Merkmalen orientierter sondern auch konzeptionell und thematisch einzigartiger Stil. Gerne genannt werden etwa die niedrig positionierte Kamera, die Beschäftigung mit der (japanischen) Familie, die besondere Nutzung des Raums welche im Widerspruch mit Hollywood-Konventionen steht und vieles mehr. David Bordwell bezeichnet Ozus Filme gar als einen kompletten Gegenentwurf zum „klassischen“ Hollywood-Kino.
So ist es vielleicht verständlich, dass ich einen Heidenrespekt vor seinen Filmen hatte und diese bisher nicht gebloggt habe, auch wenn Tokyo Story neben Rashomon und den Miyazaki-Filmen das Feuer meiner Faszination für japanische Filme ursprünglich mit angefacht hat. Als Einstieg in das Thema Ozu und um an einem ganz simplen Beispiel einen ersten Eindruck zu vermitteln, was seine Filme so einzigartig macht, möchte ich heute die Titelsequenzen heranziehen.
Der Screenshot zeigt den Titel des 1934 entstandenen Films A Story of Floating Weeds, im Original Ukigusa monogatari. Die gesamten Credits der Beteiligten werden genau wie der Titel vor dem Hintergrund eines simplen Stückes Sackleinenstoff gezeigt. In seinen zuvor gedrehten Filmen wie Passing Fancy oder I was born, but… dienten jedoch comic-hafte Zeichnungen als Hintergründe für die Titel. Ozu schafft hier also einen starken Gegensatz und hebt den Film von Anfang an allein durch die Titelsequenz schon von seinen früheren Filmen ab.
Da A Story of Floating Weeds in einer ländlichen Kleinstadt spielt, unterstreicht er durch diesen Gegensatz zunächst wunderbar die Atmosphäre des Films. Insofern könnte man das Sackleinentuch einfach als konsequentes Mittel zur Abrundung und Ergänzung des Erscheinungsbilds dieses speziellen Films abtun. Aber Ozu machte diesen Auftakt zu einem festen Bestandteil für seine nachfolgenden Filme und somit zu einem Markenzeichen für sein Werk ganz generell!
Record of a tenement Gentleman (1947):
Tokyo Story (1953):
Early Spring (1956):
Floating Weeds (1959):
Die Umstellung auf Farbfilme brachte nur eine kleine Veränderung, nämlich dass manche Schriftzeichen in Rot gefasst wurden. Am schlichten Erscheinungsbild und Auftakt der Filme änderte sich sonst nichts. Bis zu seinen letzten Filmen kurz vor seinem Tod im Jahr 1963, behielt Ozu das Motiv des Sackleinenstoffes bei, und das, obwohl zu dieser Zeit seine Filme schon lange nicht mehr die einfache Atmosphäre des Landlebens wiedergaben, sondern meist im mittelständischen Milieu von Großstädten spielten.
Daher wird der mit A Story of Floating Weeds vollzogene Wechsel zum Sackleinen heute oft als ein Signal Ozus interpretiert, dass er mit diesem Film „sein“ Kino gefunden hatte, dem er dann bis zum Schluss treu blieb. So findet sich auch in seinem vorletzten Film The End of Summer (1961) das wohlbekannte Titelbild:
Das nenne ich Konsequenz!
Weitere Markenzeichen Ozus:
Teil II – Trocknende Wäsche
Teil III – Zugfahrten
Hayao Miyazaki feiert heute seinen 67. Geburtstag, der richtige Zeitpunkt, um Julia Nieders Buch Die Filme von Hayao Miyazaki zu empfehlen. Der Einleitung zufolge handelt es sich dabei um ihre Abschlussarbeit an der Universität Mainz, entsprechend ist das Werk sehr klar und fast etwas rigide strukturiert und auch Wortwahl und Sprachstil orientieren sich an akademischen Gepflogenheiten – dennoch ist es gut lesbar.
Nach einem einleitenden Kapitel zu den Besonderheiten und der Geschichte der Anime sowie einem kurzen biografischen Überblick zu Miyazaki selbst, setzt sich Nieder in chronologischer Reihenfolge mit allen seinen Filmen von Das Schloss des Cagliostro bis zu Das wandelnde Schloss auseinander.
Jedem Film sind dabei ziemlich genau 10 Seiten gewidmet, auf denen alles wichtige zur Handlung, den Charakteren, Ästhetik, Stilelementen und auch zu den Produktionshintergründen abgedeckt wird. In jedem Kapitel verweist Nieder auf Besonderheiten, die in dem gerade analysierten Film hervorstechen, sich aber oft auch in den anderen Werken Miyazakis wiederfinden; etwa die häufige Verwendung weiblicher Protagonisten als Mittel der Verfremdung, welche sie exemplarisch an Nausicaä aus dem Tal der Winde bespricht.
In ihrem abschließenden Schlusswort fasst Nieder die wichtigsten Merkmale der Filme Hayao Miyazakis zusammen. Erwähnung finden unter anderem:
Sehr schade finde ich, dass die Anfänge Miyazakis, insbesondere seine Mitarbeit an verschiedenen Zeichentrickserien und dass er sich immer wieder auf diese bezieht, nur nebenbei erwähnt werden. Zudem werden die vielen Screenshots in meinen Augen zu wenig für eine systematische Analyse verwendet, etwa um übergreifende Gemeinsamkeiten der Filme herauszustreichen oder Metaphern und Symbole zu diskutieren. Um dies in der angemessenen Ausführlichkeit machen zu können, hätte Die Filme von Hayao Miyazaki aber deutlich umfangreicher als „nur“ 120 Seiten ausfallen müssen, was dann zugegebenermaßen wohl das Konzept gesprengt hätte.
So ist das Buch auf Grund der konzentrierten und klar voneinander abgegrenzten Auseinandersetzung mit den einzelnen Filmen vor allem als eine Art Nachschlagewerk sehr zu empfehlen: Um sich nach – oder zur Not auch vor – dem Sehen eines der Filme mit wichtigen Hintergründen und Interpretationen vertraut zu machen, ist es genau richtig. Angesichts des Preises von nur etwa 15 Euro und da es das bisher einzige deutschsprachige Buch zu Miyazaki ist, kann ich es als Einstiegslektüre wärmstens empfehlen.
3 Jan
Original: Kōkaku kidōtai (1995), von Mamoru Oshii
Die Zukunft. Synthetische Cyborg-Implantate, Computergehirne und ganze Cyborg-Körper, in die nur noch das menschliche Bewusstsein („Ghost“) implantiert wird, ermöglichen den Menschen unvorstellbare Fähigkeiten. Motoko Kusanagi, Major einer Spezialeinheit, besitzt einen solchen Cyborg-Körper und so sehr sie die damit verbundenen Annehmlichkeiten auch schätzt (etwa die beneidenswerte Fähigkeit, Alkohol in Sekundenschnelle abzubauen), hinterfragt sie doch ihre Identität und ihr „Menschsein“.
Ghost in the Shell besteht aus zwei Akten, deren erster die Charaktere, allen voran Kusanagi sowie ihren freundschaftlich verbundenen Kollegen Batou, einführt und uns mit der Identitätskrise Kusanagis vertraut macht sowie die Rahmenhandlung vorgibt. Diese besteht aus der Jagd auf einen übermächtigen Hacker, den Puppetmaster, der Ghosts manipuliert indem er Erinnerungen löscht und neue, virtuelle Erinnerungen in seinen Opfern abspeichert.
Im zweiten Akt nimmt der Puppetmaster selbst menschliche Gestalt an: Sein „Ghost“ wird von Kusanagis Einheit in einem auf mysteriöse Weise produzierten Cyborg-Körper entdeckt. Bei der Übergabe an das Außenministerium, das für die Jagd auf den Hacker verantwortlich ist, erwacht dieser Körper plötzlich zum Leben und der Puppetmaster gibt sich als von Menschen geschaffenes Computerprogramm zu erkennen, das sich seiner selbst bewusst wurde und nun als intelligente, eigenständige Lebensform anerkannt werden will. Doch Unbekannte überfallen das Labor und entführen den Puppetmaster. Kusanagi nimmt die Verfolgung auf und hat nur ein Ziel: Sie will diesen rätselhaften „Ghost“ kontaktieren und herausfinden, was es mit ihm auf sich hat.
Als es ihr mit der Hilfe von Batou schließlich gelingt, eine direkte Verbindung mit dem Puppetmaster herzustellen, erlebt sie eine Überraschung: Dieser ist genau wie sie auf der Suche nach Antworten auf seine drängenden Identitäts- und Existenzfragen. Er hat in Kusanagi eine „Seelenverwandte“ entdeckt und nahm nur ihretwegen einen Körper an. Er möchte mit Kusanagis „Ghost“ verschmelzen, um endlich die Eigenschaften, die ihm in seinen Augen zu einer echten Lebensform noch fehlen, annehmen zu können: Variation durch den mit der Fortpflanzung verbundenen Remix von Informationen (Genen) sowie Sterblichkeit.
OK, soviel in aller Kürze zur Handlung, die noch eine Vielzahl von politischen Ränkespielen, philosophierender Monologe und (für 1995) absolut bahnbrechender Actionsequenzen enthält, eine Fülle von Handlungselementen, die beim ersten Sehen fast unmöglich zu begreifen sind. Dies ist in meinen Augen auch der einzige Schwachpunkt des Films. Bevor ich gleich zu Analyse und Interpretation komme, noch einige Worte zur Ästhetik.
Die Animation ist großartig, die Bewegungen und die Hintergründe sind fast beängstigend real. Absolut beeindruckend. Wirklich grandios ist aber, wie Regisseur Mamoru Oshii es schafft, trotz der dicht gedrängten Handlung dem Film phasenweise einen fast meditativen Charakter zu verleihen, der exzellent zu den universellen Fragestellungen passt. Oshii geht aber noch weiter und nutzt diese Stimmungsgemälde gezielt, um den Erzählfluss zu steuern und dem Zuschauer Pausen zum Nachdenken und Innehalten zu bieten, in denen zugleich die in ihrer Schlichtheit umso mitreißendere Musik Kenji Kawais ihre ganze Wirkung entfalten kann.
Die Stimmung der Stadt, der Panoramen ist sehr düster und klaustrophobisch. Das große Vorbild war unverkennbar Blade Runner, was Oshii bestätigte: Er verehrt den Klassiker selbst als unerreichbaren Meilenstein der Science Fiction. Mittels der besonderen Abstraktionsmöglichkeiten der Anime sowie ungewöhnlicher Perspektiven, Zeitlupeneffekte und der seltsamen Fremdartigkeit der Stadt (Hongkong soll als Vorbild gedient haben) erreicht Ghost in the Shell einen ausgeprägten, ganz eigenen Surrealismus, wie er in einem Realfilm niemals möglich wäre. Kein Wunder, dass sich die Wachowski-Brothers für Matrix hier nicht nur die Titelsequenz mit den grünen Symbolreihen abgeguckt haben.
Wie bereits erwähnt besteht der Film aus zwei Akten. Diese weisen zahlreiche Parallelen auf: Einmal stehen die existenziellen Fragen Kusanagis im Zentrum, dann die des Puppetmasters. Beide Akte beginnen zunächst mit der Konstruktion eines Konflikts und führen dann über eine Verfolgungsjagd zu einem finalen Kampf, in dem jeweils Kusanagi allein einem Gegner gegenübersteht, bevor es zu einer Auseinandersetzung mit philosophischen Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Definition von Identität kommt. Schließlich enden beide mit Bibelzitaten aus dem 1. Korintherbrief (die allerdings in der englischen Fassung stark abgewandelt und als solche nicht erkennbar sind, ich weiss nicht, wie das in der deutschen Synchro gehandhabt wurde).
Die erste Passage, der Vers 12, wird von einer Stimme zitiert, nachdem Kusanagi in einem eindringlichen Monolog Batou ihre Identitätskrise offenbarte: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht.“ Eine häufig zitierte Stelle, die in ihrer englischen Übersetzung „Through a glass, darkly“ Eingang in zahlreiche künstlerische Werke fand. Gemeint ist damit die problembehaftete, schwierige Selbstwahrnehmung, womit dieses Zitat den zuvor geführten Monolog Kusanagis nochmals zusammenfasst und bereits eine Lösung für die Zukunft andeutet.
Am Ende des zweiten Aktes wird dann der vorangehende Vers 11 zitiert, diesmal von Kusanagi selbst, allerdings nach ihrer Verschmelzung mit dem Puppetmaster. Der Satz lautet: „Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.“ Im Kern beider Verse steht also – wie im ganzen Korintherbrief, der Fragen nach dem Selbstverständnis der noch jungen christlichen Kirche beantworten sollte – dieselbe Thematik, mit der sich auch der Film befasst.
Das erste Zitat unterstreicht und betont nochmals die vorgebrachten Fragen Kusanagis nach ihrer Identität und ihrer Menschlichkeit. Denn einen menschlichen, organischen Körper hat sie schon lange nicht mehr. Körper sind ersetzbar und austauschbar geworden und taugen daher nicht mehr als Ansatzpunkt für die Selbstdefinition eines Individuums. Das dunkle Bild, das sie im Spiegel sieht, hat also nichts mit ihrer äußeren Gestalt zu tun, sondern allein mit ihrem „Ghost“, ihrer Intelligenz, ihren Erinnerungen, Erfahrungen, Weltanschauungen und Gedanken.
Doch auch diese sind verletzlich, was die Hackerangriffe des Puppetmasters beweisen. Daher muss es im ureigensten, vom Selbsterhaltungstrieb eines jeden menschlichen Wesens gespeisten Interesse sein, nicht nur die Informationen über seinen Körper – also die Gene – sondern auch sein Bewusstsein durch die Verschmelzung mit anderen weiterzugeben, um nach dem Tod ein Stück weit in anderen Menschen weiter zu existieren.
Und genau das ist es, was Kusanagi und der Puppetmaster am Ende von Ghost in the Shell durchführen: Eine Form der geistigen Fortpflanzung mittels Verschmelzung ihrer „Ghosts“. Die Loslösung von einer körperlichen Existenz, welche am Anfang des Films in dieser grandiosen Erschaffungssequenz von Kusanagis Cyborg-Körper eingeleitet wird, findet hier ihre letzte Konsequenz.
Dass es sich bei einem der beiden Beteiligten um eine künstliche Intelligenz handelt, muss im Kontext des zweiten Zitats gesehen werden und verleiht der Diskussion noch eine ganz neue Dimension: Die Elemente künstlicher Intelligenz ermöglichen es Kusanagi, einen objektiveren, weniger durch Gefühle, Ängste, Eitelkeit und Zweifel beeinträchtigen Blick auf die eigene Existenz zu werfen. Das zuvor dunkle Spiegelbild wird nun ergänzt durch die unmittelbare Wahrnehmung durch eine neutrale Instanz, und das von Angesicht zu Angesicht.
Die Ergänzung und Optimierung des menschlichen Körpers mittels Technologie findet somit ihre logische Konsequenz in der Einbeziehung von künstlicher Intelligenz in das Bewusstein. Dass dies als regelrecht notwendiger evolutionärer Schritt präsentiert und durch Bibelzitate untermauert wird eröffnet eine ganz neue Dimension der Diskussion, die ich an dieser Stelle erstmal nicht weiter fortführen möchte. Sonst nimmt das hier gar kein Ende mehr!
Was mich neben dieser faszinierenden Idee und den vielen Fragen nach unserem Selbstverständnis als menschliche Wesen angesichts einer zunehmenden Entmenschlichung mittels Technisierung (und natürlich der großartigen Animation sowie des genialen Soundtracks) an Ghost in the Shell am meisten begeistert, sind die vielen Details und Anspielungen: Die klaustrophobische Stadt mit ihrem asiatisch-kulturellen Crossover; dass Kusanagi fast nie blinzelt; der Stammbaum der Menschheit, welcher von dem Kampfpanzer zerschossen wird; dass Kusanagi zu Beginn des Films ihre Tage hat und dass sie am Ende einem dunklen Spiegelbild von sich gegenübersitzt, genau wie im Korinther-Zitat angesprochen. Brillant, wie Oshii hier die beiden Teile des Films nahtlos zusammenführt, bevor dann das zweite Zitat folgt.
Für mich einer der absolut besten Anime, die ich kenne. Und je mehr ich über Ghost in the Shell nachdenke, umso besser wird er.