Die neue Website der Nippon Connection 2008 ist jetzt online! Infos zu den Festivallocations stehen zur Verfügung, den Spielplan gibts als pdf-Download und natürlich Überblicke über das Programm in den fünf Sparten: Nippon Cinema, Cinema Award, Nippon Digital, Nippon Retro und Nippon Culture. Das Wichtigste, nämlich Informationen zu den Filmen, fehlt leider noch komplett! Ebenso sieht es aus was die Gäste und besonders die Tickets betrifft (der Kartenvorverkauf beginnt am 19. März).
Ziemlich schwach finde ich allerdings den Bereich Links bei NC, der offenbar seit Jahren nicht mehr aktualisiert wurde. Ein Blick ins Archiv zeigt, dass die Linkliste absolut identisch mit der von 2005 ist, was dann auch die ganzen Links ins Leere und solche Merkwürdigkeiten wie den Link auf diese Seite erklärt – nichts gegen deren Macher Till, der einen guten Filmgeschmack hat und sich offenbar wirklich Mühe mit der Seite gegeben hatte… vor 7 oder 8 Jahren! Für das größte japanische Filmfestival der Welt (laut Pressemitteilung von vor 2 Wochen) ist das mal so richtig peinlich!
Die Website selbst, auf die ich dieses Jahr natürlich ein besonderes Auge werfe, kommt sehr übersichtlich daher, ganz in blau und weiss mit ein paar auffallenden pinkfarbenen Akzenten. Also wird die neue Seite fürs Japanische Filmfestival Hamburg blau dann wahrscheinlich eher meiden 😉
10 Mrz
Aus Anlass des Todes von Kon Ichikawa habe ich diesen neulich als den letzten großen Regisseur aus der goldenen Nachkriegsära des japanischen Films bezeichnet. Für die allererste Garde ist das sicher zutreffend, aber es gibt da noch einen nicht ganz so bekannten Regisseur, der noch immer am Leben und sogar noch älter ist: Kaneto Shindo.
Geboren am 28. April 1912 kam Shindo Mitte der 1930er zum Film, zu einer Zeit also, als in Japan noch überwiegend Stummfilme gedreht wurden! Zunächst war er als Drehbuchautor tätig (in seiner langen Karriere kann er auf etwa 200 Drehbücher zurückblicken), und arbeitete als solcher mehrfach mit Kenji Mizoguchi zusammen, der zu seinem großen Vorbild wurde. Aus dieser Zusammenarbeit gingen in den Nachkriegsjahren mit My Love has been burning und The Victory of Women zwei Filme mit hohem sozialkritischem Anspruch hervor. Überhaupt wird Shindo als dem sozialistisch-kommunistischen Lager zugehörig beschrieben, nicht zuletzt von Donald Richie.
1951 gab er dann mit Story of a beloved wife sein Debut als Regisseur, mit seiner Ehefrau Nobuko Otowa in der Hauptrolle, die auch bei seinen weiteren Filmen mitwirkte. Größere Bekanntheit als Regisseur erlangte er dann 1952 mit Die Kinder von Hiroshima und vor allem ab 1960 mit Filmen wie Die nackte Insel, der den Großen Preis des Moskauer Filmfestes gewann, und seinem wohl bekanntesten Werk überhaupt, Onibaba. Letzterer läutete eine thematische Wende hin zu Themen der Sexualität ein.
Mizoguchis Einfluss auf Shindos Filme ist kaum zu übersehen: Lange Einstellungen, viele ausladende Kamerafahrten, sehr harmonische Bildkomposition und viel Liebe und Zuwendung zum Detail. Zudem stehen auch bei Shindo meist Frauen und ihr hartes Schicksal im Zentrum der Filme. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Shindo 1975 eine zweieinhalbstündige Dokumentation über Leben und Werk seines großen Vorbilds drehte.
Sein neuester Film Hanawa Chiredomo ist übrigens für ein Release in diesem Jahr vorgesehen, was ihn mit bald 96 Jahren zum ältesten zweitältesten aktiven Regisseur der Welt macht. Wahrlich ein lebendes Stück Filmgeschichte!
Wichtige Filme Kaneto Shindos:
1951 – Story of a beloved wife
1952 – Children of Hiroshima
1955 – Okami
1960 – Die nackte Insel
1963 – Mother
1964 – Onibaba
1968 – Kuroneko
1975 – Kenji Mizoguchi: The Life of a Film Director
1981 – Hokusai manga
1992 – The Strange story of Oyuki
2003 – Fukurō
Nicht im Sinne der Produktionskosten, sondern in der Anschaffung für den Filmfan! Und zwar in der günstigsten Variante, die auf dem Markt erhältlich ist. Irgendwer ne Idee? Naja, da ich hier darüber schreibe, könnt ihr euch schon denken, dass ich nicht an Star Wars (33,99 $) oder Lord of the Rings (24,99 $, jeweils bei Amazon) sondern natürlich eine japanische Filmtrilogie denke.
Beim Zusammenstellen einer Liste der besten japanischen Filme (kommt demnächst) bin ich nämlich auf Masaki Kobayashis dreiteiligen Kriegsepos Ningen no joken (The Human Condition) gestoßen, die offenbar out of print ist und für die man – jedenfalls außerhalb Japans – richtig viel Geld in die Hand nehmen muss, nämlich schlappe 600 Dollar!
Teil 1 – 205,83 US-$
Teil 2 – 189,95 US-$
Teil 3 – 189,95 US-$
Ich drück dann mal dem Eurowechselkurs weiter kräftig die Daumen 😉
7 Mrz
Original: Gembaku no ko (1952), von Kaneto Shindo
Jahre sind vergangen seit die Kindergärtnerin Takako (Nobuko Otowa) das letzte Mal in ihrer Heimatstadt Hiroshima war. Nun kehrt sie für ein paar Tage zurück, um alte Freunde und die Kinder zu besuchen, die sie vor dem Abwurf der Atombombe betreut hatte. Bei der Ankunft in der Stadt und dem Besuch des durch die Bombe zerstörten Hauses ihrer Familie, leben zunächst ihre eigenen Erinnerungen an diesen schrecklichen Tag wieder auf, bevor sie nach und nach mit jeder Person der sie begegnet mit den Folgen für die Überlebenden konfrontiert wird.
Da ist ihre Freundin und frühere Kollegin, die gerade mit ihrem Mann ein Kind adoptieren will, weil sie selbst steril wurde. Ein Mädchen, das plötzlich an den Spätfolgen der Strahlung stirbt. Eine Frau, die unter ihrem eigenen, einstürzenden Haus begraben und zum Krüppel wurde. Und natürlich die Kinder, von denen viele zu Waisen wurden, die nun in Heimen aufwachsen.
Shindo verlagert dann den Schwerpunkt des Films langsam von der Auseinandersetzung mit dem Leid der Vergangenheit und der Gegenwart aber auf den Kampf um die Zukunft. Symbolisiert wird diese durch den Enkel eines ehemaligen Angestellten von Takakos Familie, der durch den Blitz der Bombe erblindete, nun als Bettler dahinvegetiert und das Kind daher in ein Heim geben musste. Takako bietet ihm an, sich um den Jungen zu kümmern und ihn zu ihrer Verwandtschaft mitzunehmen, wo er in sicheren Verhältnissen aufwachsen würde und ihm die Zukunft offenstünde.
Für den alten Mann ist sein Enkel jedoch der einzige Halt in diesem von der Bombe zerstörten Leben. Er lehnt das Angebot zuerst ab, gerät dadurch aber in einen schweren Gewissenskonflikt, den er schließlich nur durch Selbstmord zu lösen im Stande ist. So kann Takako am Ende doch den kleinen Jungen aufnehmen und ihm den Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft öffnen, angedeutet in der letzten Szene des Films: Hand in Hand machen sich die beiden an Bord eines Schiffes auf zu neuen Ufern, Hiroshima und die Vergangenheit hinter sich lassend.
Dass die Wunden des Erlebten nicht ganz so einfach heilen, macht Shindo vorher aber noch sehr nachdrücklich deutlich: Als Takako sich am Hafen von ihrer Freundin verabschiedet, ist das Motorengeräusch eines einzelnen Flugzeugs in der Ferne zu hören. Unwillkürlich blicken beide besorgt und verängstigt gen Himmel und werden erst durch den Jungen, der ganz unbedarft – fast begeistert – auf das Flugzeug reagiert, in die Gegenwart zurückgeholt.
Die Kinder von Hiroshima war meines Wissens der erste Film, der sich mit dem Atombombenabwurf beschäftigte. Die Ereignisse des 6. August 1945 selbst spielen dabei eine sehr untergeordnete Rolle und werden nur kurz mittels einiger Flashbacks aus Takakos Sicht beleuchtet.
Regisseur Kaneto Shindo nahm nur ganz wenige, kurz aufblitzende schockierende Bilder zu Hilfe, was auch dem fast dokumentarischen Charakter des Films entspricht. Dieser ist zum einen geprägt von der Trauer um die Toten und Takakos Mitgefühl für das Leiden der Überlebenden, ohne dabei aber allzu sehr auf die Tränendrüse zu drücken. Zum anderen geht es um die Überwindung des Traumas und um einen Neuanfang für die nachkommenden Generationen, was dem Film am Ende einen fast hoffnungsvollen Touch verleiht.
Somit geht es dem Film weniger darum, die Grausamkeit der Bombe (und damit die Amerikaner) anzuklagen, als vielmehr, das Leid der Betroffenen zu beklagen, aber dieses letztlich auch zu überwinden. Mit diesem Ansatz enttäuschte Shindo zwar nicht das Publikum, aber wohl seinen Auftraggeber, die Lehrergewerkschaft.
Diese wollte sich des Films als Mittel im Streit um die politisch-historische Wertung des Bombenabwurfs bedienen und die japanische Opferrolle untermauern (die Verharmlosung japanischer Kriegsverbrechen setzt sich nahtlos bis in die Gegenwart fort). Vermutlich hatte man sich von Shindo, der aus dem sozialistischen Lager kam, eine anti-amerikanische Haltung versprochen, wurde darin aber enttäuscht. Er nutzte die Gelegenheit statt dessen, um einen durch und durch unpolitischen und humanistischen, zeitlosen Film zu machen, der dadurch bis heute sehenswert und in seinem reifen Umgang mit der schwierigen Materie beeindruckend ist.
Many people have suggested that I write an autobiography, but I have never before felt favorably disposed toward the idea. This is partly because I believe that what pertains only to myself is not interesting enough to record and leave behind me. More important is my conviction that if I were to write anything at all, it would turn out to be nothing but talk about movies. In other words, take „myself“, subtract „movies“ and the result is „zero“.
Glücklicherweise hat sich Akira Kurosawa irgendwann um 1980 dann doch noch aufgerafft, seine Autobiographie zu schreiben. Und man merkt schon den ersten Sätzen, in denen er seine frühesten Kindheitserinnerungen beschreibt, an, was für ein großartiger Erzähler er war. Kein Vergleich mit den verschiedenen Politiker-Autobiographien, die ich bisher gelesen habe! Hier werden die Erinnerungen wirklich lebendig, entstehen dramatische oder nostalgisch-verklärende Bilder vor unseren Augen.
Von einem wahrhaft bewegten Leben kann Kurosawa berichten, der ja noch in der Meiji-Ära 1910 geboren wurde, als Japan sich mitten im Umbruch von einer feudalistischen, zurückgebliebenen Nation zu einer modernen Industriegesellschaft befand. Die ersten Kapitel berichten von seiner nicht einfachen Schulzeit, Hobbies, dem Alltag und wichtigen Vorbildern wie seinem älteren Bruder oder einem Kunstlehrer. Dramatische Erlebnisse bringen dann die 1920er, beginnend mit dem Kanto-Erdbeben, über sein Engagement in linksradikalen Künstlerkreisen bis hin zum Selbstmord seines Bruders.
Richtig spannend wird es dann mit seinem Eintritt in das Filmstudio PCL 1935 und den Schilderungen über seine erste Arbeit als Assistent von Kajiro Yamamoto, den Kurosawa als den besten Lehrmeister verehrt. Mit den ersten eigenen Filmen während der Kriegs- und Besatzungszeit und den damit verbundenen Erinnerungen erfahren wir dann noch einiges mehr über Kurosawas politische Ansichten und auch seine (durchaus kritische) Einstellung zu seiner japanischen Herkunft und der ihn prägenden Kultur und Lebensweise.
Besonders interessant sind natürlich seine Erinnerungen an die Produktion und die Zusammenarbeit mit seinen langjährigen Mitarbeitern und Weggefährten. Eine meiner Lieblingsstellen ist seine Schilderung, wie er auf Hinweis von Takamine Hideko den sich gerade in einem Vorsprechen abmühenden Toshiro Mifune entdeckte. Bevor wir uns versehen, lesen wir von den Dreharbeiten zu Rashomon und Kurosawas Überraschung, als der Film den Goldenen Löwen in Venedig gewann, und sind damit auch schon am Ende des Buches.
Vielleicht hat Kurosawa an dieser Stelle plötzlich die Lust verloren, oder er wandte sich wieder Filmprojekten zu, oder er dachte im Sinne des Eingangsstatements, dass seine restliche Lebensgeschichte nun nur noch im Zeichen seiner Filme stehen würde. Oder die Autobiographie sollte von Anfang an bei Rashomon enden, diesem Film, der wie kein anderer die Verfälschung der Realität durch subjektive Wahrnehmung thematisiert.
Auch wenn letztere Variante dem Ende des Buches einen selbstironischen Dreh geben mag, ist es doch jammerschade, dass wir nicht aus AKs Perspektive einen Blick auf die Arbeiten an seinen weiteren Meisterwerken werfen dürfen, dass wir nichts über die tiefe Krise erfahren, die er um 1970 durchlebte, oder den Bruch mit Mifune. Eine kleine Entschädigung sind die abschließenden Leitsätze zu Filmen und der Arbeit an ihnen. Einer dieser Leitsätze lautet:
There is something that might be called cinematic beauty. It can only be expressed in a film, and it must be present in a film for that film to be a moving work. When it is very well expressed, one experiences a particularly deep emotion while watching that film. I believe it is this quality that draws people to come and see a film, and that it is the hope of attaining this quality that inspires the filmmaker to make his film in the first place. In other words, I believe that the essence of the cinema lies in cinematic beauty.
Auch wenn Kurosawa in seiner Autobiographie nur die erste Hälfte seines Lebens und lediglich den Auftakt seiner außergewöhnlichen Karriere behandelt, bietet uns dieses knapp 200 Seiten (in der US-Paperback-Version) starke Büchlein viele Einblicke in den Menschen und den Künstler Kurosawa. Für den Fan und den Filmtheoretiker gleichermaßen ein Muss, zumal es sich um eine wirklich hervorragend geschriebene Autobiographie handelt.