30 Okt.
Wie neulich (und auch schon sehr viel früher) angekündigt, habe ich in den letzten Tagen mit einer Generalüberholung des Blogs begonnen. Als erstes musste dazu natürlich die zwei Jahre alte WordPress-Installation auf den neuesten Stand gebracht werden. Das ist inzwischen ohne größere Zwischenfälle abgeschlossen und ich konnte daher auch bereits ein erstes kleines aber feines neues Feature einbauen!
Ab sofort taucht unter manchen Beiträgen (so auch hier) folgender Satz auf „Hat dir der Artikel gefallen? Dann könnte dich auch das interessieren:“ worauf dann eine kleine Liste thematisch verwandter Beiträge vorgeschlagen wird. Das wird jetzt einige Zeit dauern, bis nach und nach bei den ganzen alten Artikeln die entsprechenden Vorschläge eingepflegt sind, aber für den gelegentlichen Besucher von Japankino dürfte das sehr komfortabel sein. Und vielleicht entdeckt so ja auch der eine oder andere Stammleser noch unentdeckt Perlen im Archiv…
Der nächste große Schritt ist dann ein komplett neues Design, an dem ich gerade herumbastele. Wer möchte, kann schonmal einen Blick auf die Baustelle werfen und mir gerne Feedback geben. Und mit dem neuen Design (wenn es denn mal fertig ist) möchte ich dann auch noch weitere Funktionen und Inhalte aufnehmen. Es wird also spannend! 🙂
Wie führt man jemanden an japanische Filme heran? Diese Frage stellt sich mir gerade, weil sich in meinem Japanisch-Intensivkurs eine Gruppe von 5-6 Teilnehmern herausgebildet hat, die regelmäßig gemeinsam japanische Filme schauen. Neulich wurde ich dann gefragt, welche Filme ich denn als absolutes „Must“ empfehlen könnte. Natürlich hatte ich da sofort ein paar Titel auf den Lippen, aber als ich etwas länger drüber nachdachte, fiel mir auf, dass es ganz schön schwer ist, eine Liste mit den wichtigsten und Filmen für den interessierten Einsteiger zusammenzustellen.
Nach langem Hin- und her und vielen schmerzlichen Entscheidungen habe ich schließlich folgende 12 Filme ausgewählt (die Links führen direkt zu Amazon):
Die Auswahl fiel mir so schwer, weil ich nicht einfach meine Lieblingsfilme empfehlen mochte oder die Filme die ich für die besten halte. Es geht mit dieser Liste vielmehr darum, Einsteiger an die Hand zu nehmen und einen ersten, möglichst umfassenden Eindruck von der japanischen Filmlandschaft zu geben. Die ausgewählten Filme sollen also einen Überblick über verschiedene Genres, Epochen, wichtige Filmschaffende und natürlich die Entwicklung des japanischen Films geben. Und nebenbei auch noch möglichst faszinierend sein und die Lust auf mehr wecken. Das alles will unter einen Hut gebracht werden.
Wie kam die Liste also zustande?
Jetzt könnte ich natürlich lange jede einzelne Entscheidung für die Liste oder gegen mögliche Kandidaten begründen, aber das spare ich mir dann für die Kommentare 😉
Wie würde deine Liste aussehen?
21 Okt.
Original: Dekigokoro (1933), von Yasujiro Ozu
Im Zentrum dieser feinen Tragikomödie stehen der einfache Fabrikarbeiter Kihachi (Takeshi Sakamoto) und sein Sohn Tomio (Tomio Aoki, in den 30ern von Ozu regelmäßig in verschiedenen Kinderrollen eingesetzt). Kihachi ist von ziemlich einfachem Gemüt und ein rechter Tunichtgut, und so ist es an dem achtjährigen Tomio, sich für seinen Vater um den Ernst des Lebens zu kümmern.
Die beiden haben sich in dieser ungewöhnlichen Rollenaufteilung gut eingefunden. Diese gerät jedoch etwas durcheinander, als Kihachi sich für die in Nachbarschaft gekommene Harue (Nobuko Fushimi) zu interessieren beginnt. Auch seine Freundschaft mit dem Nachbarn und Kollegen Jiro wird dadurch auf eine ernste Probe gestellt. Doch als Tomio erkrankt, rücken alle zusammen und Kihachi erkennt schließlich, was er an dem Jungen hat.
Passing Fancy beginnt zunächst als stimmungsvolle Komödie, welche die merkwürdige Beziehung zwischen Kihachi und Tomio mit einfachen aber sehr effektiven Mitteln auf den Punkt bringt. Tomio spielt seinem Vater Streiche und kümmert sich zugleich darum, dass dieser seiner Pflicht nachkommt und zur Arbeit geht, sei es zur Not auch durch einen wohlgezielten Schlag gegen das Schienbein des schlafenden Faulenzers.
Aber dann nimmt die Handlung eine überraschende Wendung ins Dramatische, was von Ozu genauso meisterlich gehandhabt wird wie die anfängliche Leichtigkeit. Emotionaler Höhepunkt des Films ist eine Szene, in der Tomio, der wegen seines ungebildeten, einfältigen Vaters von seinen Mitschülern gehänselt und verprügelt wurde, seiner Frustration freien Lauf lässt und selbst auf Kihachi einzuschlagen beginnt. Dieser wehrt sich zunächst, lässt die Schläge seines kleinen Sohnes dann aber widerstandslos über sich ergehen.
Der Rollentausch zwischen Vater und Sohn wird hier wie nirgends sonst im Film verdeutlicht und auch von Kihachi selbst akzeptiert. Ihm ist bewusst, dass er genauso – vielleicht sogar noch mehr – auf Tomio angewiesen ist als der auf ihn. Und natürlich weiss er auch, dass er alles andere als ein vorbildlicher Vater ist. In dieser Szene beweist er, dass er nicht nur ein durch und durch liebenswerter, großherziger und bei all seinen Schwächen ein schlicht guter Mensch ist, sondern dass er auch die Größe hat, für seine Schwächen geradezustehen. Und sei es einem Achtjährigen gegenüber.
Diese menschliche Größe stellt er zudem unter Beweis, als er erfährt, dass Harue in Jiro verliebt ist. Nicht nur stellt er seine eigenen Interessen hintenan, er erklärt sich sogar bereit, bei Jiro für eine Ehe mit Harue zu werben. Mit Kihachi schuf Ozu hier einen Charakter, der – von Takeshi Sakamoto großartig verkörpert – sofort das Herz des Zuschauers stiehlt und später noch in zwei weiteren Filmen Ozus wiederkehrte, wenn auch ohne direkten Bezug auf Passing Fancy.
Die Wende vom komödiantischen ins dramatische (und wieder zurück zur Komödie ganz am Ende) könnte auch zusammenfassend für Ozus Karriere als Ganzes stehen. Denn in seinen darauffolgenden Filmen verließ er mehr und mehr sein angestammtes Terrain der Komödien um einfache Leute und machte sich auf, das Wesen der Familie im Allgemeinen und den Wandel der japanischen Familie im Besonderen zu ergründen.
Auf diesem Weg entwickelte er dann auch seinen weltberühmt gewordenen Stil, der sich hier in manchen Elementen bereits andeutet, etwa in der ihm eigenen Art, den Hauptinhalt des Bildes in die obere Bildhälfte zu verlagern, woraus dann die bekannte „Sitzende Kamera“ entstand. Auch einige weitere Markenzeichen sind bereits vorhanden, aber noch nicht so weit ausgearbeitet und gefestigt, wie es schon im Jahr darauf in A Story of Floating Weeds der Fall war.
Somit ist Passing Fancy ein weiteres Puzzleteil, an dem man die Entwicklung Ozus und seiner Themen, Motive und Stilelemente nachvollziehen kann. Aber auch für sich allein ist der Film ein großes Puzzle aus Komödie, Familiendrama, einem schlitzohrig-bezaubernden Hauptcharakter und einer ungewöhnlichen Vater-Sohn Geschichte, bei dem Ozu es irgendwie schafft, dass alles zusammenpasst und alle Teile sich zu einem gelungenen Ganzen fügen.
18 Okt.
In zwei Wochen, am 30. Oktober, beginnt das Asia Filmfest 2008 in München und zeigt bis 9. November eine bunte Auswahl an asiatischen Filmen. Die meisten davon interessieren mich nicht die Bohne, aber Japan ist gut vertreten, sowohl mit einer Reihe aktueller Filme wie auch einiger Klassiker. Hier der Überblick:
Außer den ersten beiden finde ich das nicht besonders prickelnd, zumal auch einige Werke dabei sind, die bereits von anderen Festivals (z.B. im Mai auch dem JFFH) bekannt sind. Eine Ausnahme, die in der Liste fehlt weil es streng genommen kein wirklich japanischer Film ist, ist Der rote Punkt, mit dessen Machern ich letztes Jahr die Gelegenheit hatte, ein Interview führen zu können und der seine Premiere am 9. November in München hat.
Aber es gibt ja noch die Sektion „Asia Spezial“, und da sind einige Leckerbissen dabei, als da wären:
Bis auf Appleseed kann ich die alle empfehlen, wobei für Audition vielleicht vor dem Kinogang ein kurzer Check der Magenstabilität nicht schlecht wäre. Die komplette Übersicht des Filmprogramms enthält neben allen weiteren Filmen auch weiterführende Links zu den schön gemachten und informativen jeweiligen Filmseiten.
Außerdem werden vom 10. bis 12. November Wiederholungen einiger Filme gezeigt und vom 14. bis 16. November wird eine Auswahl von 10 Filmen (hoffentlich sind da auch ein paar gute japanische mit dabei) in Berlin und Hamburg gezeigt. Da gibts aber leider noch keine genaueren Infos drüber.
Edit: Habe ich doch glatt eine ganze Filmsektion übersehen! Im Bereich „Asia Matinee“ laufen Hinokio, intergalactic love sowie Spring Snow und der ganz fantastische (aber auch schon lange nicht mehr neue) Linda Linda Linda. Danke an Flo für den Hinweis!
16 Okt.
Bei Amazon.co.uk läuft gerade der Herbstschlussverkauf, und es gibt einige geniale japanische Filme aus der exzellenten Masters of Cinema-Reihe abzugreifen, teilweise bis über 50 Prozent reduziert! Beispiele gefällig?
Es gibt noch eine Reihe weiterer Schnäppchen, da dürfte für die meisten was dabei sein. 10 britische Pfund sind übrigens knapp 13 Euro, für die Lieferung nach Deutschland kommen nochmal 2,50 Euro Versand dazu. Ich kann Amazon.co.uk wärmstens empfehlen, Lieferung erfolgt prompt, Versandkosten sind vernachlässigbar und Gedanken wegen Zoll braucht man sich auch nicht zu machen. Also schlagt zu! 🙂
14 Okt.
So könnte das Symposium auch heißen, das am 30. und 31. Oktober im Berliner Japanisch-Deutschen Zentrum stattfinden wird, es heisst aber etwas trockener „Anime – Japanischer Zeichentrick global“.
Besonders spannend: Unter den Teilnehmern ist auch Masao Maruyama vom berühmten Anime-Studio Madhouse. Maruyama war als Produzent unter anderem an Satoshi Kons Meisterwerken Perfect Blue und Tokyo Godfathers beteiligt, dürfte also einiges interessantes zu berichten haben. Außerdem wird am Vorabend der Tagung Piano no mori gezeigt.
Thema des Symposiums ist die Frage, wieso japanische Popkultur (und darunter ganz besonders Anime) heute weltweite Popularität erreicht haben. Eine medienwissenschaftliche Diskussion soll dabei helfen, die Attraktivität von Anime für bestimmte Zielgruppen zu erklären und wie japanische Kultur zu dieser Attraktivität beiträgt. Klingt sehr interessant, ich bin allerdings schon anderweitig verplant…
Den Überblick über das Symposium findet ihr beim JDZ, ebenso wie die pdf-Downloads für das komplette Programm und die Teilnahmeregistrierung.
12 Okt.
Die Vorbereitungen für das nächste Japanische Filmfest Hamburg laufen weiter auf Hochtouren, und weil wir nächstes Jahr unser 10. Festival haben, legen wir uns natürlich ganz besonders ins Zeug und haben bereits den Termin festgemacht: Das JFFH2009 läuft vom 27. bis 31. Mai!
Um die frohe Botschaft entsprechend unters Volk zu bringen, haben wir auch einen Flyer im Angebot (der übrigens super geworden ist, großes Dankeschön Ulli!), den wir seit ein paar Tagen bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten verteilen. Und so sieht er aus:
Außerdem fand gestern die „Mitgliederversammlung“ von Nihon Media statt, dem Verein, der das JFFH organisiert. Unser Cheffe Olli konnte dort den andächtig lauschenden Mitgliedern von seiner Japanreise berichten, auf der er endlich die seit langem geplante Nakajima-Retrospektive eintüten konnte. Außerdem waren noch die üblichen Formalitäten zu regeln und dann haben wir bei Bier und Chicken Wings noch lange gequatscht und Ideen und Pläne ausgeheckt.
Nihon Media sucht übrigens ständig nach neuen Partnern, Sponsoren und Helfern, ganz besonders drängend ist das Thema PR. Sollte jemand jemanden kennen… bitte die betreffende Person anstupsen oder direkt mit mir Kontakt aufnehmen! Wir werden zudem auch testweise ein Praktikum ausschreiben für den Bereich Event-Management, also die Organisation des Rahmenprogramms wie Festival-Party, Premieren-Abend, Vorträge und Diskussionsrunden. Wer Interesse hat, bitte ebenfalls auf den obigen Link klicken und sich bei mir melden, ich gebe dann gerne mehr Infos!
6 Okt.
Original: Daibosatsu tōge (1966), von Kihachi Okamoto
Der Film spielt in den frühen 1860er Jahren vor dem Hintergrund der politischen Wirren des Machtkampfs zwischen Kaiser und Shogun um die Öffnung Japans. Im Mittelpunkt steht der psychopathische Samurai Ryunosuke (Tatsuya Nakadai), der Dank seiner überlegenen Kampfkunst seine Freude am Töten und an der Erniedrigung anderer Menschen hemmungslos ausleben kann, darüber aber nach und nach den Verstand verliert.
Zu Beginn des Films ermordet er aus einer Laune heraus einen alten Pilger. Dann erpresst er Hama (Michiyo Aratama), die Frau eines Wettkampfgegners, mit ihm zu schlafen, wenn er sich dafür von ihrem Mann besiegen lässt. Nur um diesen dann doch zu töten. Später lebt Ryunosuke unter Pseudonym zusammen mit Hama und verdingt sich als Auftragskiller für eine Gruppe der Shinsengumi, einer Miliz, die für den Erhalt des Shogunats kämpft.
Hyoma (Yuzo Kayama), der Bruder des Getöteten, bereitet sich unterdessen in der Schule des Schwertkämpfers Shimada (Toshiro Mifune) darauf vor, Rache an Ryunosuke zu üben. Als dieser mit seiner Truppe nach Kyoto aufbricht, folgt ihm Hyoma und begegnet dort der Enkelin des von Ryunosuke ermordeten Pilgers. Ohne dass die beiden von diesem Zusammenhang etwas ahnen, erklärt sie sich bereit, Hyoma bei seiner Jagd auf den Mörder zu helfen.
Wenn man mit dem historischen Hintergrund nicht vertraut ist, ist es manchmal etwas beschwerlich, der Handlung zu folgen. Besonders die Ränkeschmiede der Shinsengumi und die sich daraus ergebenden Kämpfe und Morde können für Verwirrung sorgen. Doch liefern diese letztlich nur den Hintergrund ab, ich kann also nur empfehlen, sich nicht zu sehr von den historischen Ereignissen ablenken zu lassen. Denn im Kern ist dieser Film die Charakterstudie eines Mannes, der einen Wirbel aus Gewalt lostritt, in dem er mehr und mehr untergeht und sich selbst zugrunde richtet.
Dem Pilger erscheint er zunächst wahrhaftig wie ein allmächtiger Todesengel, und so sieht er sich auch selbst: In den folgenden Duellen und Kämpfen agiert er im vollen Bewusstsein seiner Überlegenheit mit absoluter Präzision, Eiseskälte und Grausamkeit. Doch als er Zeuge wird, wie die Shinsengumi irrtümlich Shimada überfallen und von diesem geradezu spielerisch besiegt werden, erhält sein Selbstbewusstsein erste Risse. Zum ersten Mal begegnet er einem Mann, der ihm kämpferisch ebenbürtig ist. Dazu kommt noch der schwelende Konflikt mit Hama, die zwar an Ryunosuke gebunden ist, ihn aber immer wieder konfrontiert und ihm seine unterentwickelte Emotionalität und Moral aufzeigt. So ist es nur logisch, dass er als einzige ihm bekannte Möglichkeit der Konfliktlösung Hama schließlich tötet.
Während die Machtkämpfe der Shinsengumi ihren Höhepunkt erreichen, gerät Ryunosukes mentales Gleichgewicht endgültig aus den Fugen als er der Enkelin des von ihm ermordeten Pilgers begegnet und sich der Kreis somit schließt. Dieses Aufeinandertreffen und die Erinnerungen, die es in ihm weckt, lassen seine Taten wie Schatten der Vergangenheit auferstehen und führen in einen selbstzerstörerischen Exzess der Gewalt, bevor der Film dann abrupt endet.
Irgendwo habe ich gelesen, dass The Sword of Doom ursprünglich der Auftakt zu einer Trilogie sein sollte, die dann aber nie realisiert wurde, was das unerwartete Ende in einem etwas anderen Licht erscheinen ließe. Wie auch immer es nun dazu kam, dass der Film das Ende bekam, das er hat, die Wirkung ist schlicht genial. So genial, dass es etwas später für Butch Cassidy and the Sundance Kid übernommen wurde.
Abgesehen von dem schockierenden Effekt, der den Zuschauer erstmal mit seinen Eindrücken und Gedanken ganz allein lässt, betont das Ende die Fokussierung auf Ryunosuke. Es kommt nie zum lange erwarteten Duell zwischen ihm und Hyoma (was den Aspekt der Rache hervorgehoben hätte) noch zu der Konfrontation mit Shimada (was die Auseinandersetzung eher auf die Ebene Lehrling-Meister verlagert hätte). Vielmehr richtet sich der von Wahnvorstellungen getriebene Ryunosuke in einem berserkerhaften Amoklauf selbst zugrunde.
Es geht Regisseur Okamoto somit nicht darum, Ryunosuke in einen vergleichenden Kontext zu setzen und zu beurteilen, sondern ihn als einen Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten zu porträtieren, dem allerdings Gewissen, Moral, Respekt gegenüber anderen und jegliche Fähigkeit zu emotionaler Entwicklung fehlen. Wegen seiner herausragend entwickelten Fähigkeiten hat er zudem keine Perspektive, kein Ziel auf das er hinarbeiten könnte. Mal wirkt es, als sei Gewalt für ihn einfach nur ein Zeitvertreib, so wie eine Katze mit einer gefangenen Maus spielt, mal nutzt er sie zur Konfliktlösung oder zum Broterwerb. Eine andere Form des Umgangs mit Menschen kennt er jedenfalls nicht, so dass er selbst zur Ursache seiner Probleme wird und die Lösung nur die eigene Zerstörung sein kann.
Auch wenn keine direkte Wertung erfolgt, handelt es sich bei Sword of Doom doch um ein außergewöhnliches Statement, gedreht zu einer Zeit, als offene Gewalt eine immer größere und dominantere Rolle in der Filmkultur einnahm. Von den Filmen über jugendliche Delinquenten der 50er Jahre bis zu den Schwertkampffilmen wurde Gewalt mehr und mehr zu einem sinnstiftenden Element (dieser Trend ist ja leider bis heute ungebrochen). Okamoto treibt dies hier auf die Spitze mit einem Charakter, dessen Existenz nur auf grausamer Gewalt basiert, deren Leere am Ende deutlich wird. Und der übrigens von Tatsuya Nakadai grandios verkörpert wird!
Diese Leere wird genial unterstrichen durch die Inszenierung von Ryunosuke und den gesamten Stil des Films. Starke Kontraste von schwarz und weiss sind allgegenwärtig, viele der Kämpfe finden im Schnee statt. In den Close-ups sehen wir Ryunosuke fast immer vor einem kahlen, leeren Hintergrund, sein Gesicht teilweise im Schatten. Die atemberaubenden Bildkompositionen sind von bestechender Eindringlichkeit und überraschen immer wieder. So gibt es einige Szenen, in denen eine Hauptperson zunächst durch einen anderen Charakter verdeckt wird, bis dieser durch eine Bewegung den Blick auf die Person freigibt. Ein Beispiel wäre die Szene des ersten Screenshots, in dem zuerst nur der betende Pilger zu sehen ist. Dann dreht er sich um und zum Vorschein kommt der vor dem Hintergrund der weißen Wolken ganz in schwarz gekleidete Ryunosuke. Ein echter Gänsehaut-Moment!
Sehr konsequent verwendet Okamoto bei Dialogen auch Schuss-Gegenschuss-Einstellungen, in denen der gerade sprechende Charakter von Kopf und Schulter seines Gegenübers eingerahmt oder teilweise verdeckt wird (ein Stilelement, dessen Verwendung mir in der jüngeren Vergangenheit besonders in der Bourne-Trilogie ganz extrem aufgefallen ist). Wie bei vielen anderen Szenen nutzt er also auch hier sehr stark negativen Raum zur Steuerung von Aufmerksamkeit, schafft es durch clevere Arrangements aber auch, Schnitte zu vermeiden – wie etwa bei den verdeckten Personen.
Atemberaubende Bilder, eine intelligente, spannende Story, großartige schauspielerische Leistungen, packende Kampfszenen und reichlich Anstöße zum Nachdenken… The Sword of Doom ist wirklich ein absoluter Klassiker, den man unbedingt gesehen haben sollte!