Archive for Oktober, 2009

Im Juni hatte ich nach dem J-Film Blogathon schon die imho interessantesten und lesenswertesten Diskussionen daraus genannt. Aber eines hatte ich damals vergessen, was ich jetzt nachholen möchte: Einen Blog vorstellen, der mich damals ganz besonders beeindruckt hat.

Es geht mir um Mikkokoivisto’s Weblog; der Name verrät nicht viel, außer, dass der Blog von einem Finnen geführt wird (damit hat er bei mir natürlich sofort einen Stein im Brett, schließlich habe ich ein Jahr in Finnland studiert). Mikko schreibt hautpsächlich über japanische Filme, manchmal wird auch ein bisschen zu weiteren asiatischen Filmen abgeschweift, aber der Blog ist eindeutig auf J-Film gepolt. So sehr, dass Mikko auch schon mal von Begegnungen mit Nobuhiro Yamashita träumt. In solchen Momenten äußert sich dann auch der typische, trockene finnische Humor. Die Beiträge und besonders die Filmkritiken sind objektiv und eigentlich immer lesenswert, der Blog hat nur ein großes Manko, auf das ich Mikko auch schon einmal angesprochen habe: Man findet nirgends eine Übersicht der von ihm besprochenen Filme, was inzwischen so an die 200 sein dürften (überwiegend Gegenwartskino der letzten 20-30 jahre übrigens). Aber wen das nicht stört und gerne ein bisschen stöbert, kann sich bei Mikko wirklich sattlesen!

Der zweite Blog, den ich heute am Start habe, ist noch ganz frisch – so frisch, dass er anscheinend noch nicht mal einen klar erkennbaren Namen hat 😉 Autor escapistolero, nach dem der Blog wohl benannt ist, beschäftigt sich jedenfalls ganz mit Anime und dabei vorwiegend mit Anime-Serien, von denen ich noch nie gehört habe: Canaan, Ristorante Paradiso, Umi Monogatari oder Endless Eight, um mal ein paar Beispiele zu nennen. Nun ist es wirklich keine Kunst, sich mit Anime-Serien zu befassen, die ich nicht kenne. Mein Ding sind eher Filme und die einzigen Serien, die ich bisher gesehen habe, waren NGE, Cowboy Bebop und Serial Experiments Lain (demnächst kommt noch Haibane Renmei dazu). Eine Kunst ist es aber sehr wohl, so eingänglich-begeisternd und zugleich doch kritisch über diese Serien zu schreiben wie escapistolero das macht. Und wenn daraus ein dauerhaft geführtes Blog-Projekt wird (was man nur hoffen kann) wird das problemlos der beste im Sinne von interessanteste und anspruchsvollste deutsche Anime-Blog werden. Ganbatte!

Departures

Original: Okuribito (2008) von Yojiro Takita

Als Departures Anfang des Jahres mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde, war das für die meisten (nicht nur Japaner) eine riesige Überraschung. Der Film hatte zwar schon zuvor reihenweise Auszeichnungen eingesammelt, vor allem in Japan aber auch bei einigen internationalen Festivals, aber die ganz großen Ehrungen, die ihn in eine Favoritenrolle gebracht hätten, waren nicht dabei. Auch ich war damals sehr überrascht, aber jetzt wo ich ihn gesehen habe, finde ich es gar nicht mehr so sehr verwunderlich.

Der Film beginnt mit einem Flashback: Der Cellist Daigo (Masahiro Motoki) kehrt Tokyo den Rücken nachdem sein Orchester aufgelöst wurde und bezieht zusammen mit seiner Frau Mika (Ryoko Hirosue) das alte Haus seiner Eltern in einer ländlichen Kleinstadt. Über eine Stellenausschreibung findet er Arbeit als zeremonieller Leichenpräparator. Eine Aufgabe, die früher traditionell von den Familienangehörigen übernommen wurde, die sich heute aber zu fein dafür sind und lieber andere dafür bezahlen.

Anfangs kostet Daigo die Arbeit viel Überwindung, aber der patriarchalische Firmengründer Sasaki (Tsutomu Yamazaki) fördert und unterstützt ihn und entwickelt sich zu einer regelrechten Vaterfigur für Daigo. Daigos leiblicher Vater ließ ihn und seine Mutter nämlich im Stich, als er noch ein kleiner Junge war, was er bis heute noch nicht verarbeitet hat. Ein Problem mit der Verarbeitung seines neuen Jobs hat dagegen Mika, sie ist entsetzt, ja, angeekelt von ihrem mit Leichen arbeitenden Mann und zieht aus, als der sich keine andere Arbeit suchen will. Hier endet der ca. einstündige Flashback, und der Plot beginnt, die aufgeworfenen Konflikte zu ihrem Höhepunkt zusammenzuführen. Und dabei will ich es auch belassen, schließlich möchte ich niemandem den Spaß an dem Film verderben.

Was mich an Okuribito besonders beeindruckt hat, waren die teilweise überraschenden, aber immer beeindruckend souveränen Stimmungswechsel. Einen Moment werde ich wahrscheinlich nie vergessen: Nach einer sehr emotionalen, traurigen Bestattungszeremonie, bei der eine Leiche gewaschen, angekleidet und geschminkt wurde, schneidet Regisseur Takita direkt auf die Großaufnahme einer Schüssel voll panierter Hühnchenschlegel, die von Daigo und Sasaki mit den Worten „Zum Sterben gut“ laut schmatzend verzehrt werden. Der Effekt ist völlig grotesk, aber auch urkomisch, und reisst unvermittelt aber dennoch auf eine positive – weil lustige – Art aus der traurigen Melancholie der Bestattung. Solche beeindruckenden Momente gibt es immer wieder.

Großartig auch, dass im ganzen Film wenig Worte gebraucht werden und statt dessen viel mehr mit Stimmung und Atmosphäre gearbeitet wird (kein Wunder, wenn die Musik von Joe Hisaishi stammt). Das ist natürlich zum einen logische Konsequenz der zahlreichen, intensiv porträtierten Bestattungsriten, zum anderen aber typisch für japanische Filme und auch eine der Eigenheiten, die mich an japanischen Filmen so faszinieren. In so einen Film passt Tsutomu Yamazaki natürlich perfekt, der hier wieder grandios seine Paraderolle des mürrisch-schweigsamen Einzelgängers mit dem großen Herzen spielen kann.

Warum schrieb ich anfangs, dass ich mich über den Oscar für Departures jetzt, da ich den Film gesehen habe, nicht mehr so sehr wundere? Der Film ist sehr gut, keine Frage, aber er ist kein Meisterwerk für die Ewigkeit, dazu ist er zu wenig subtil und arbeitet zu sehr mit Stereotypen. Aber er trifft genau die Mischung aus anspruchsvollem Gefühlskino und gleichzeitiger Mainstreamkompatibilität, die bei der Academy auch in der Vergangenheit schon des öfteren sehr gut funktioniert hat. Zudem greift der Film ein Thema auf, dem durchaus eine gewisse Tabuisierung eigen ist. Insofern finde ich es naheliegend, dass der Oscar an Departures ging und als treuer Freund des japanischen Films freue ich mich natürlich ganz besonders.