Am 22. September 2006 erblickte der erste Artikel dieses Blogs das Licht der Öffentlichkeit. Heute, am 22. September 2011 und somit auf den Tag 5 Jahre später, schreibe ich den 500. Artikel. Yiehaaa! Ein doppeltes Jubiläum, wie aus einer kitschigen Soap-Opera einem oscar-reifen Drehbuch 🙂
Damals schrub ich unter dem Titel Wie alles begann:
Eine besondere Faszination üben dabei die Filme der schwarz-weiß Ä„ra auf mich aus; als das japanische Kino sich noch durch bestimmte Erzählformen sowie ästhetische und thematische Besonderheiten vom Weltkino abhob und Meisterregisseure wie Kurosawa, Ozu, Mizoguchi oder Naruse ihm ihren Stempel aufpägten.
Abgesehen von dem Tippfehler im letzten Wort stehe ich da noch genauso zu wie vor 5 Jahren. Auch wenn ich seitdem – speziell durch die Mitarbeit beim JFFH – auch viele zeitgenössische Regisseure und Werke kennen und schätzen gelernt habe und mich mit aktuellen Entwicklungen beschäftige, mein Herz hängt doch ganz besonders an den Klassikern. Und immer wenn ich nach einem Festival in den Blog schaue und lauter Rezensionen mit bunten Bildern sehe, dann bekomme ich ein schlechtes Gewissen und schreibe schnell wieder über einen Schwarzweiß-Film.
Dabei habe ich mich immer bemüht, meinem Stil und meinen Ansprüchen treu zu bleiben. Ich möchte nicht, dass mein Blog klingt wie das Feuilleton der FAZ oder Zeit, auch wenn sich das vielleicht super-beeindruckend liest. Ich bin Film-Fan und ich möchte für andere Fans und Filminteressierte schreiben, nicht für andere Kritiker oder Theoretiker. Gleichzeitig ist mein persönlicher Anspruch an meine Beiträge im Lauf der Zeit deutlich gestiegen, es kamen Screenshots hinzu und auch die Texte wurden länger. Mit einigen frühen Rezensionen war ich letztlich so unzufrieden, dass ich sie überarbeitet und aktualisiert habe – was demnächst auch mit der Kritik zu Yojimbo passieren dürfte, einer meiner ältesten.
Wenn ich über die Jahre zurückdenke, dann gibt es ein paar Rezensionen, die herausstechen. Ein solches Highlight war auf jeden Fall Ghost in the Shell, bis heute eine der umfangreichsten Rezensionen, in die ich ganz schön viel Arbeit gesteckt habe und auf die ich auch ein bisschen stolz bin. Eine Rezension, die ich wohl nie vergessen werde: Crazed Fruit. Stundenlang hab ich damals rumgefrickelt, bis endlich diese Montage der Screenshots aus der Schlussszene fertig war! Oder die Rezension zu Tokyo Olympiad, die ich tatsächlich durch Zufall am Tag der deutschen Einheit geschrieben habe. Und natürlich meine 6-teilige Serie zu Neon Genesis Evangelion, der einzigen Anime-Serie, die bisher den Weg in den Blog gefunden hat.
Was habe ich vor 5 Jahren noch geschrieben?
Ich bin mir durchaus bewusst, dass das Thema dieses Blogs etwas verdammt exotisch ist und dass mir wahrscheinlich nicht gerade die Tür eingerannt werden wird.
Natürlich sind japanische Filme heute wie damals im deutschsprachigen Raum eine winzige Nische und auch ziemlich exotisch. Aber zum einen bin ich erfreulicherweise schon lange nicht mehr allein in der Nische, ein paar andere Blogger leisten mir Gesellschaft und beschäftigen sich regelmäßig (oder sogar ausschließlich) mit japanischen Filmen. Zum anderen haben sich nach und nach immer mehr Besucher hierher verirrt und auch wenn man mir nach wie vor nicht gerade die Tür einrennt, mehr als 150.000 Besuche können sich glaube ich durchaus sehen lassen.
Zwei Dinge freuen mich dabei besonders: Die kleine Gruppe von Stammlesern und diejenigen, die nur ganz selten, vielleicht nur einmal hier aufschlagen, und denen ich bei einer konkreten Frage (z.B. einem lange gesuchten Filmtitel) weiterhelfen konnte. Denn genau das war und ist nach wie vor der Kern dieses Blogs, das was Japankino für mich ausmacht und warum ich diesen Blog führe:
Auf dieser Seite möchte ich meine Eindrücke von Filmen und erworbenes Wissen weitergeben, meine Begeisterung greifbar machen und auch ein Stück weit weitergeben.
Daher, auch wenn es die letzten Wochen und Monate sommer- und urlaubsbedingt etwas ruhig war: Auf die nächsten 5 Jahre! Und jetzt her mit dem Sake 😀
Original: Nagayaka shinshiroku (1947) von Yasujiro Ozu
Der Wahrsager Tashiro (Chishu Ryu) bringt eines Abends einen kleinen Jungen mit nach Hause, der sich scheinbar verlaufen hat. Doch niemand in der armen Nachbarschaft mag sich um den Kleinen kümmern und ihn für die Nacht aufnehmen. Schließlich lässt Tashiro ihn einfach bei der griesgrämigen Witwe Tane (Choko Iida), die den Jungen widerwillig aufnimmt.
Am nächsten Morgen bringt sie ihn zu seinem Zuhause und es stellt sich heraus, dass sein Vater verschwunden ist – offenbar wurde der Junge ausgesetzt. Genau das versucht nun auch Tane, doch der Kleine will sich nicht abschütteln lassen und folgt ihr bis nach Hause. Mit seiner stoischen, aufrechten Art bringt er die alte Witwe nach und nach dazu, ihre harte Schale abzulegen und so dauert es nur ein paar Tage, bis sie ihn in ihr Herz geschlossen hat und sich darüber selbst verwandelt. So wird der Junge, den sie zunächst als Bürde abgelehnt hat, zu ihrer geliebten Familie, bis plötzlich sein Vater in der Tür steht.
Die Charaktere des Films leben mitten in einer zertrümmerten Stadtlandschaft und in einfachsten Verhältnissen. Sie halten sich mit Tauschgeschäften, Lebensmittelrationen und kleinen Dienstleistungen über Wasser. Damit dürften sie kurz nach Kriegsende die Realität der allermeisten Japaner wiederspiegeln und vor diesem Hintergrund ist die Botschaft des Films eine eindeutige: Gerade wenn man es schwer hat und scheinbar nichts zu teilen, dann sind Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit besonders wichtig. All die Sorgen, die Tanes Alltag anfangs bestimmen, treten zum Ende hin völlig in den Hintergrund und statt über günstige Kartoffeln und geklaute Süßigkeiten zu grübeln genießt sie das Leben zusammen mit dem Jungen.
Hier muss ich übrigens kurz die Darstellung der Tane durch Choko Iida hervorheben, die wirklich ganz vorzüglich spielt und Tane mit vielen kleinen Macken und ihren Wandel sehr glaubhaft verkörpert – allein die Grimassen, die sie manchmal zieht, sind köstlich! Dabei scheint Iida 1947 bereits auf eine lange Karriere zurückblicken zu können, ihr Debut gab sie offenbar bereits 1924. Ein echtes Urgestein des japanischen Kinos also!
In Ozus Werk sehe ich Record of a tenement gentleman insofern in einer Sonderrolle, als es zwar um Familienbande geht, aber hier ganz die Entdeckung der schönen, sinnstiftenden Aspekte der Familie im Zentrum stehen. Im Vergleich dazu sind die meisten seiner anderen Filme (jedenfalls der Bekannteren) sehr viel zweideutiger im Umgang mit Familie und beleuchten meist die Konflikte und Themen wie Entfremdung oder unerfüllte Hoffnungen.
Davon abgesehen wird sich jeder, der schon den einen oder anderen Ozu gesehen hat, hier gleich wie zuhause fühlen. Ästhetisch wie thematisch (und auch was einige bekannte Gesichter angeht) ist diese kleine aber feine Tragikomödie unverkennbar ein Ozu, aber im Vergleich zu einigen seiner nachfolgenden Filme sehr viel leichter zugänglich. Ein Einsteiger-Ozu gewissermaßen.
Zwischendurch eine kurze, für mich und meine zahlreichen Hamburger Leser aber ziemlich interessante Info: Zwar ist auch dieses Jahr wieder nur ein Film aus Japan am Start, aber immerhin handelt es sich um Hanezu, das neueste Werk von Naomi Kawase, das in Cannes für die Goldene Palme nominiert war.
Naomi Kawase ist ursprünglich als Dokumentarfilmerin bekannt geworden, hat aber auch einige Spielfilme gedreht. Als ich vor 4 Jahren ebenfalls auf dem Filmfest Hamburg The Mourning Forest gesehen habe, war ich vom Fleck weg begeistert, nur leider sind kaum andere ihrer Werke im Westen erhältlich und ich konnte mich nicht weiter mit ihrer Arbeit vertraut machen. Anfang des Jahres brachte dann das Metropolis Kino eine Werkschau mit zahlreichen auch frühen Dokumentarfilmen nach Hamburg, und ich war einfach nur baff! Eine solche Entschlossenheit, das eigene Leben und den Sinn der eigenen Existenz mittels des Mediums Film zu durchdringen, und die Unmittelbarkeit, die sie dabei erreicht, hatte ich noch nie gesehen. Ein bisschen wird das auch in diesem arte-Interview angesprochen, das sie in Cannes gab. Lange Rede kurzer Sinn: Ich werde mir Hanezu auf jeden Fall ansehen und kann jedem nur raten, das ebenfalls zu machen. Die Spielzeiten:
30.09.2011 um 22:15 Uhr im 3001 Kino
02.10.2011 um 16:30 Uhr im Passage-Kino auf der Mönckebergstrasse
Außerdem zeigt das Filmfest noch Tatsumi, einen Film des singapurischen Regisseurs Eric Khoo über das Leben des einflussreichen Mangakünstlers Yoshihiro Tatsumi, der in den 50er Jahren mit seinen alternativ-anspruchsvollen Werken die sich nicht an klassische Mangaleser richteten, ein ganz neues Genre schuf. Diesen Film könnt ihr sehen am:
30.09.2011 um 21:30 Uhr im B-Movie und am
02.10.2011 um 17:00 Uhr im Abaton Kino