12 Apr
Original: Chichi ariki (1942) von Yasujiro Ozu
Der alleinstehende Lehrer Shuhei (Chishu Ryu) kümmert sich liebevoll um seinen Sohn Ryohei. Nach einem tragischen Unfall bei einem Schulausflug gibt Shuhei seinen Beruf auf und kehrt in seine Heimatstadt Ueno zurück, wo der kleine Ryohei zu seinem Entsetzen in einem Internat eingeschult wird. Die Entfremdung der beiden beginnt und wird beschleunigt, als Shuhei nach Tokyo zurückkehrt um mit der Arbeit in einer Fabrik das Geld für die Ausbildung seines Sohnes zu verdienen.
Die Jahre vergehen, Ryohei hat seine Ausbildung abgeschlossen und ist nun wie sein Vater einst selbst Lehrer mit einer Anstellung in Akita. Bei einem gemeinsamen Urlaub nähern sich die beiden wieder an und Ryohei schlägt seinem Vater vor, wieder als Familie zusammen zu leben. Doch Shuheis tiefsitzendes Verantwortungsgefühl lässt dies nicht zu, bis es schließlich zu spät ist.
Die Vater-Sohn-Geschichte dümpelt die meiste Zeit gemütlich vor sich hin und wird zudem durchbrochen von einigen Episoden, in denen Shuhei einen alten Kollegen trifft und sich mit dessen Familie anfreundet, sowie einer Wiedersehensfeier mit seinen alten Schülern. Diese Abschweifungen lassen die Beziehung von Vater und Sohn phasenweise fast zur Nebensache werden. Auch in den Momenten des Wiedersehens von Vater und Sohn will kein wirkliches Gefühl der Verbundenheit aufkommen, da sie kaum einmal über den Austausch von Belanglosigkeiten hinaus kommen. Ryohei ist seinem Vater vor allem durch Dankbarkeit und ein Gefühl der Verpflichtung verbunden.
Auch wenn Es war einmal ein Vater klassische Ozu-Themen wie familiäre Werte und den Umgang mit den Beschwernissen des Lebens aufgreift, war er doch ein Propagandafilm, der von den amerikanischen Zensoren um einiges gekürzt wurde. Die Feier mit den ehemaligen Schülern Shuheis beispielsweise soll von patriotisch-nationalistischen Ansprachen und Gesängen durchsetzt gewesen sein, von denen heute nichts mehr erhalten ist.
So ist der in der Hochphase des Zweiten Weltkriegs entstandene Film vor allem eine doppelte Hymne auf ein wohlmeinendes Patriarchat (und als solche wurde der Film von der Militärregierung auch verstanden): Auf der einen Seite der selbstlose Vater, der sein ganzes Leben ohne Rücksicht auf sein eigenes Wohl schuftet, um seinem Sohn eine Ausbildung und ein gutes Leben zu ermöglichen, und der selbst noch am Sterbebett dessen Hochzeit mit der Tochter eines Freundes arrangiert; auf der anderen Seite der brave Sohn, der sich der Weisheit und den Wünschen des Vaters unterordnet, obwohl er nichts anderes will als mit seinem Vater zusammen zu leben.
Der Film zeigt aber immer wieder auch die Schmerzen und die Enttäuschung Ryoheis, so dass man durchaus versteckte Kritik an einem Ideal erkennen kann, das Verpflichtung und Selbstaufopferung über soziale und familiäre Bindungen, Gefühle und menschliche Nähe stellt. Diese zweischneidige Interpretationsmöglichkeit verleiht dem Film aus meiner Sicht eine gewisse Würze, die ihn – neben dem Umstand, dass Chishu Ryu von Ozu erstmals in einer Hauptrolle eingesetzt wurde – erst so richtig interessant macht. Denn ansonsten zählt der Film nicht gerade zu denjenigen Werken Ozus, die man unbedingt gesehen haben muss.
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