29 Jul
Original: Rengou Kantai Shireichoukan Yamamoto Isoroku, (2011) von Izuru Narushima
Isoroku Yamamoto, Admiral der japanischen Streitkräfte, gilt als Architekt des Überraschungsangriffs auf Pearl Harbor. Wenig überraschend spielt dieser Auftakt zum Krieg zwischen Japan und den USA im Film eine prominente Rolle, aber vor allem in seiner Bedeutung als Wendepunkt sowohl für Yamamoto als auch für Japan. Denn Admiral Yamamoto ist kein klassischer Kriegs- oder Actionfilm (auch wenn der Trailer diesen Eindruck weckt), sondern eher eine Mischung aus Biographie und politischem Drama. So wurde ich denn von dem Film, an den ich keine großen Erwartungen hatte, auch positiv überrascht.
Die Handlung setzt Ende der 1930er Jahre ein und schildert wie eine kriegstreibende Koalition aus Armee, rechten Politikern und Medien für einen Dreimächtepakt mit Hitler und Mussolini kämpft und ihn schließlich 1940 bekommt. Yamamoto (Koji Yakusho), der den Pakt strikt abgelehnt hatte und dafür auch öffentlich kritisiert wurde, wird zu dieser Zeit Oberbefehlshaber der Marine und tritt angesichts des sich abzeichnenden Krieges mit den USA für einen Überraschungsangriff ein, in der Hoffnung, damit einen Friedensschluss zum Vorteil Japans erzwingen zu können. Denn ihm ist klar, dass angesichts der wirtschaftlichen Überlegenheit Amerikas ein langer Krieg zwangsläufig in einer Niederlage Japans enden muss.
Dank Yamamotos brillanter Strategie gelingt der Angriff am 7. Dezember 1941 tatsächlich, ohne allerdings der US Navy die erhofften schweren Verluste zuzufügen – kein einziger amerikanischer Flugzeugträger wird versenkt. Schnell zeigt sich nun, dass Yamamoto Recht hatte: Nur wenige Monate später tauchen die ersten Bomber über Tokyo auf, die Amerikaner kämpfen sich Insel für Insel näher an Japan heran. Als er sich nach der verlorenen Schlacht um Guadalcanal auf eine Inspektionsreise begibt, um die Moral seiner Truppe zu heben, wird sein Flugzeug im April 1943 abgeschossen.
Der Film setzt sich mittels der Person Yamamotos erstaunlich kritisch mit der kriegerischen Geschichte Japans von der Meiji-Restauration bis in den Zweiten Weltkrieg auseinander. Yamamoto, der seinem Land in allen Kriegen dieser Zeit gedient hatte und bis heute als größter Held seines Landes verehrt wird, personifiziert einerseits das expansionistische, imperialistische Japan dieser Zeit. Andererseits sind der Ehrenkodex der Samurai und der daraus abgeleitete Wunsch, sein Land zu schützen, so tief in ihm verankert, dass er sich als Bewahrer des Friedens sieht und die Kriegspolitik als selbstmörderisch ablehnt. Zur Darstellung dieses konfliktbehafteten Mannes haben die Filmemacher mit Koji Yakusho den richtigen Darsteller gefunden, der den Admiral mit viel väterlicher Würde, aber auch von Sorgen zerrissen zeigt.
Ob die Darstellung Yamamotos im Film der historischen Wirklichkeit entspricht, kann ich nicht wirklich beurteilen. Dass Regisseur Narushima ein guter Film über eine der schillerndsten Figuren der japanischen Geschichte gelungen ist, dieses Urteil traue ich mir aber zu. Schade nur, dass der Film offenbar vor allem als japanische Antwort auf Pearl Harbor vermarktet wird, was bei vielen Zuschauern zwangläufig zu Enttäuschung führen muss.
19 Jul
Zwar liegt das Japanische Filmfest schon fast 2 Monate zurück, aber ich hab mir über das diesjährige Festival einige Gedanken gemacht und die möchte ich als guter Blogger natürlich auch in die Welt hinausposaunen! Wozu macht man sich sonst denn auch Gedanken?! 😉
Für mich war dieses JFFH das erste seit 5 Jahren, bei dem ich wirklich nur Zuschauer war. Natürlich gab es viele Wiedersehen mit Team-Mitgliedern und die alten Zeiten wurden ausgiebig beschnackt. Trotzdem hat es sich ganz anders angefühlt als in den Jahren zuvor, auch im Vergleich zu 2011, als ich mich zwar schon aus dem Team verabschiedet, aber dann während des Festivals immer wieder mitgeholfen und angepackt hatte. Die Distanz war dieses Jahr deutlich größer, bedingt auch durch die schnellen personellen Wechsel im Team der Ehrenamtlichen. Vielleicht ist diese gewachsene Distanz auch ein Stück weit dafür verantwortlich, dass ich das JFFH dieses Jahr kritischer sehe. Aber nicht ewig rumlabern und um den heißen Brei reden, Butter bei die Fische!
Gleich vorneweg: Was in meinen Augen dieses Jahr überhaupt nicht funktionierte war das Rahmenprogramm. Ich war zweimal im Projektor, beim ersten Mal war überhaupt niemand da, beim zweiten Anlauf dann wenigstens ein paar Team-Mitglieder. Vielleicht lag es am Konkurrenzprogramm (parallel liefen Champions League und European Song Contest), ich weiß es nicht. Zudem fand ich es sehr unglücklich, dass das Filmfrühstück nicht mehr im 3001 Kino sondern am einige hundert Meter entfernten Projektor stattfand. Für das Team mag das klare Vorteile haben (die Küchenausstattung im Projektor ist einfach viel besser und man muss sich nicht mit den Kinobetreibern arrangieren), aber aus meiner Sicht des Zuschauers ist das ein klarer Nachteil. Aber das sind eher Randnotizen, nun kommen wir zum Eingemachten 😉
Denn zum ersten Mal habe ich wirklich große technische Probleme miterlebt. Ich denke, dass ich seit 2006 rund 100 Filmvorführungen beim JFFH als Zuschauer besucht oder als Vertreter des Teams begleitet habe. Dabei kam es noch nie vor, dass eine Vorstellung wegen technischer Probleme ausfallen musste. Und jetzt erwischte es ausgerechnet eines der absoluten Highlights des Festivals, die gut besuchte Freitagabend-Vorführung von Shion Sonos Guilty of Romance. Ein Desaster für einen Festivalveranstalter! Wobei das JFFH hier keine oder nur eine geringe Schuld trifft, denn wie sich später herausstellte war das Filmmaterial absolut in Ordnung und es schien sich um einen Bedienungsfehler der Filmvorführerin im Metropolis gehandelt zu haben. Dieser Fehler war aber kein Einzelfall, auch weitere prestigeträchtige Filme wie Miikes Harakiri und Shinkais Children who chase lost voices from deep below, die beide als Bluray vorlagen, wurden in sehr schlechter Bildqualität vorgeführt, die bestenfalls auf DVD-Niveau war. Inwieweit diese das Filmerlebnis arg schmälernden Probleme durch das Festivalteam hätten vermieden werden können, etwa durch eine intensivere Vorab-Prüfung des Materials oder Briefing der Kinobetreiber, ist Spekulation. Aber bei einem bin ich mir sicher: In früheren Jahren hätte es für solche Highlights mehr als eine Vorstellung gegeben und damit die Chance, den Fehler auszubügeln und den Fans im zweiten Durchgang die Filme in all ihrer Pracht zu zeigen.
Damit sind wir direkt bei einem weiteren Punkt, den ich zunehmend kritisch sehe: Die Anzahl der gezeigten Filme ist in den letzten beiden Jahren dramatisch gestiegen. Das bedeutet, dass zum einen im Programm kein Platz für mehrfache Vorführungen mehr ist und die Zuschauer bei Terminkonflikten keine Ausweichmöglichkeit mehr haben – was tendenziell auf Kosten kleiner, wenig bekannter Filme gehen dürfte. Zum anderen sind dadurch die Filmvorführungen auch sehr gedrängt. Noch letztes Jahr gab es pro Tag und Kino maximal 5 Vorführungen, so dass immer genug Zeit blieb um zwischendurch mal was essen zu gehen oder von einem Kino ins andere zu fahren. Das war dieses Jahr kaum mehr möglich, am Samstag fanden im Metropolis sechs Vorstellungen statt, am Sonntag im 3001 ebenfalls sechs und im Metropolis sogar sieben! Für den „normalen“ Zuschauer, der sich sowieso nur einen oder zwei Filme anguckt ist das natürlich kein Problem, aber wer sich als Fan möglichst wenig entgehen lassen möchte, kann diese Marathon-Tage kaum noch richtig genießen. Ich habe dann auch am Sonntag die Spätvorstellung von Hideo Nakatas Incite Mill ausfallen lassen, weil ich nach fast 10 Stunden im Kino einfach fertig war.
Womit wir nach dem ganzen Gemotze langsam mal zu den Filmen kommen. Einen absolut alles überragenden, einzigartigen Film gab es dieses Jahr nicht, aber das muss ja auch nicht immer sein. Wegen des dichtgedrängten Programms konnte ich dieses Jahr leider nur wenige Nachwuchsfilme und überhaupt keine Kurzfilme sehen, dennoch dominieren kleine Indie-Perlen in meiner Hitliste:
1. Sukiyaki
2. About the Pink Sky
3. Shing Shing Shing
4. Children who chase lost voices from deep below
Ziemlich enttäuscht war ich dagegen von den größeren Produktionen und allen voran vom Eröffnungsfilm Black Dawn. Wie ich aus dem Filmteam gehört habe, gab es intern wohl ziemlich heftige Diskussionen darüber, welcher Film am Premierenabend gezeigt werden sollte, und Black Dawn scheint wohl eine Art fauler Kompromiss gewesen zu sein. Eine große filmische Enttäuschung war für mich auch Takashi Miikes Remake des fast 60 Jahre alten Meisterwerks Harakiri. Aber dazu komme ich ein andermal, sonst nimmt das hier heute gar kein Ende mehr!
Auch wenn ich mich oben ziemlich ausgelassen habe, alles in allem hat mir das Filmfest natürlich wieder Spaß gemacht, ich habe tolle Filme gesehen und mich sehr gut unterhalten. Aber irgendwie gab es immer wieder diese kleinen, unschönen Makel, die einem magischen Ereignis im Weg standen. Aber im nächsten Jahr wird das bestimmt wieder besser! 🙂
12 Jul
Isuzu Yamada, eine der ganz großen Charakterdarstellerinnen aus der goldenen Ära des japanischen Films, starb am Montag im Alter von 95 Jahren in Tokyo.
Geboren am 5. Februar 1917 in Osaka als Tochter des Schauspielers Kazuo Yamada, lernte sie schon in ihrer Kindheit die Welt des Theaters kennen und machte sich mit traditionellen darstellerischen Künsten wie etwa Tänzen bekannt. Im Alter von nur 13 Jahren gab sie ihr Leinwanddebüt und arbeitete in den folgenden Jahren vor allem mit Regisseur Daisaku Ito zusammen, dem Meister der klassischen Jidai-geki. Ihren endgültigen Durchbruch als anerkannte Charakterdarstellerin brachte die Zusammenarbeit mit Regisseur Kenji Mizoguchi, in dessen wegweisenden Filmen Osaka Elegy und Die Schwestern von Gion sie in kontroversen Hauptrollen brillierte.
Bis in die frühen fünfziger Jahre wirkte sie in vielen erfolgreichen und gefeierten Filmen bekannter Regisseure wie Masahiro Makino, Mikio Naruse, Kajiro Yamamoto oder Teinosuke Kinugasa mit und brachte dabei sowohl ihr komödiantisches als auch dramatisches Talent ein. So lebhaft wie ihre Filmkarriere gestaltete sich auch ihr Privatleben: Nach drei Scheidungen heiratete sie im Jahr 1956 bereits zum vierten Mal, für das damals noch sehr traditionelle Japan ein erstaunlicher Vorgang!
Nach einigen ruhigen Jahren begann ab 1957 mit Rollen in Akira Kurosawas Das Schloss im Spinnwebwald sowie Nachtasyl, durch die sie auch im Westen bekannt wurde, der zweite Frühling ihrer Karriere. Bis 1970 drehte sie noch fast 30 weitere Filme mit einer jungen Generation von Regisseuren wie Masahiro Shinoda oder Kon Ichikawa. Anschließend klang ihre Karriere als Filmschauspielerin, in der sie in mehr als 100 Filmen und zahlreichen TV-Serien ihr außerordentliches Können und ihre große Bandbreite unter Beweis gestellt hatte, langsam aus.
Zu ihren wichtigsten Filmen zählen:
1931: Adauchi senshu
1935: Osen mit den Papierkranichen (Orizuru Osen)
1936: Osaka Elegie (Naniwa erejî)
1936: Die Schwestern von Gion (Gion no shimai)
1941: Shanhai no tsuki
1944: Shori no hi made
1952: Gendai-jin
1957: Das Schloss im Spinnwebwald (Kumonosu jo)
1957: Nachtasyl (Donzoko)
1960: Bonchi
1961: Yojimbo €“ Der Leibwächter (Yojimbo)
8 Jul
Original: Gokudo meshi (2011) von Akira Maeda
Als Neuankömmling in seiner Gefängniszelle ist Kenta (Tasuku Nagaoka) für die anderen fünf Insassen ein Rätsel: Er sondert sich ab, schweigt die ganze Zeit vor sich hin, und er weigert sich sogar, an ihrem traditionellen Erzählwettbewerb zum Jahresende teilzunehmen! Der Gewinner des Wettbewerbs darf sich bei den anderen Zelleninsassen etwas von dessen Neujahrs-Essen aussuchen, und das ist im Gefängnis nunmal das einzige richtig gute Essen im ganzen Jahr. Die Regeln des Wettbewerbs sind einfach: Reihum erzählt jeder Insasse Geschichten aus seinem Leben, in denen er unvergesslich gut gegessen hat. Es gewinnt derjenige, der den anderen das meiste Wasser im Mund zusammen laufen lässt.
Während die fünf sich den Gefängnisalltag mit ihren kulinarischen Erinnerungen verschönern, sind diese Geschichten für Kenta eine Qual. Denn gutes Essen erinnert ihn vor allem an seine Mutter, die ihn als kleines Kind verließ, und an seine große Liebe Shiori (Fumino Kimura), eine Ramen-Köchin. Als er jedoch überraschend einen Brief von Shiori erhält, kommt Bewegung in die kleine Zelle.
Wie so viele Filme, die derzeit aus Japan den Weg zu uns finden, ist auch Sukiyaki die Verfilmung eines erfolgreichen Manga. Allerdings haben Regisseur Maeda und sein Team einen rundum gelungenen und überzeugenden Film daraus gemacht, dessen erste Hälfte von den gleichermaßen appetitanregenden wie witzigen Erinnerungen an die Gourmet-Erlebnisse der Häftlinge dominiert ist, bevor sich der Schwerpunkt auf Kentas weniger erfreuliche Lebensgeschichte verlagert. Auch wenn der Film – wie nicht anders zu erwarten – mit vielen Flashbacks arbeitet, sind diese Episoden immer nahtlos eingebettet und funktionieren exzellent.
Getragen wird dieser low-budget Film ganz klar von den Darstellern, die ihre Häftlingscharaktere wunderbar menschlich-authentisch spielen, wobei Kenta als düster-mysteriöser Gegenpol zu den vor allem komödiantisch ausgerichteten Häftlingen fungiert. Jeder Charakter erzählt seine eigene kleine Geschichte, voller großer und kleiner witzig-sympathischer Macken und mit ganz viel Liebe zum Detail. Diese zeigt sich sowohl in den Gefängnisszenen als auch natürlich bei den Erinnerungen an die Leckereien der japanischen Küche und die damit verbundenen biographischen Ausschnitte aus den bewegten Leben der Knastbrüder.
Sukiyaki ist sowohl bezüglich der Charakterkonstellation als auch des Handlungsverlaufs darauf ausgelegt, uns Zuschauern eine emotionale Breitseite zu verpassen. Selten habe ich einen Film gesehen, in dem Humor, Liebe, Verzweiflung und Traurigkeit eine so ausgewogene, stimmige und unterhaltsame Mischung eingehen. Zusammen mit den Erinnerungen an Reis-Omelett, Sukiyaki, BBQs am Strand oder Oppai-Pudding bietet diese höchst unterhaltsame Mischung das Potenzial, zu einem ähnlichen Kultfilm wie Tampopo zu werden, auch wenn er letztlich nicht an dessen filmische Qualität heranreicht.