12 Dez
Original: Zoku Sugata Sanshiro (1945) von Akira Kurosawa
Fünf Jahre sind vergangen, in denen nicht nur Sanshiro (Susumu Fujita) zu einem der bekanntesten Judo-Kämpfer Japans wurde, sondern die auch die Ablösung von Jujitsu durch Judo als führenden Kampfsport gesehen haben. Als Sanshiro einen Rikscha-Jungen vor einem aggressiven, prügelnden amerikanischen Matrosen beschützt, wird er von dem Jungen erkannt und um Aufnahme in die Judo-Schule gebeten. Doch der Vorfall hat auch die Aufmerksamkeit eines Boxers erregt, der nun gegen Sanshiro antreten will. Als Sanshiro, angewidert von der tierischen Aggressivität des westlichen Sports und seines Publikums, dies ablehnt, hält an seiner Stelle ein heruntergekommener Jujitsu-Kämpfer den Kopf hin und wird übel aufgemischt.
So ist es nun an Sanshiro, die Ehre der japanischen Kampfkunst – und damit die Ehre Japans – wiederherzustellen und den Amerikaner in einem weiteren Kampf zu besiegen. Doch eine viel gefährlichere Auseinandersetzung bahnt sich an, weil Sanshiro von seiner Vergangenheit eingeholt wird: Die Brüder seines Opponenten aus dem ersten Film sind auf Rache aus und fordern Sanshiro zum Duell.
Oberflächlich betrachtet knüpft Kurosawa mit der Fortsetzung unmittelbar an seinen überaus erfolgreichen Debutfilm an, es finden sich in Sanshiro Sugata II zahlreiche visuelle Anspielungen und Parallelen zum Vorgänger. Gleich zu Beginn etwa die Szene, in der sich Sanshiro des prügelnden Matrosen entledigt, indem er ihn ins Hafenbecken befördert, fast eine Kopie der ersten Begegnung Sanshiros mit Meister Yano im ersten Teil. Nur dass nun Sanshiro an die Stelle des Meisters getreten ist, ein häufiges Motiv bei Kurosawa. Auch der finale Endkampf erinnert in seiner Inszenierung stark an den im ersten Teil.
Bei den visuellen Parallelen bleibt es dann aber auch, denn Kurosawa hat diesen Film offensichtlich mit wenig Begeisterung und Herzblut gedreht, war er doch eine reine Auftragsarbeit, die auch der Kriegspropaganda des in den letzten Zügen liegenden Militärregimes dienen sollte. Und das fällt gerade in den Szenen wie oben auf, die den Vergleich mit dem Original haushoch verlieren, uninspiriert und wenig dynamisch daherkommen.
Der Film hat jedoch auch einige starke Momente – er ist immerhin ein Kurosawa – zu denen vor allem die Boxszenen gehören. Hier scheint Kurosawa tatsächlich Spaß und Ehrgeiz gehabt zu haben: Dynamik, schnelle Schnitte, unkonventionelle Perspektiven und am Ende, als Sanshiros Gegner besiegt zu Boden stürzt und das Publikum ungläubig erstarrt, sogar einige an Eisenstein gemahnende Standbilder. Hier gelingt es Kurosawa nochmals an die besten Momente aus dem Original anzuknüpfen.
Zugleich sind dies allerdings auch die Szenen, in denen der propagandistische Charakter des Films am stärksten hervortritt. Die Konfrontation des aufrechten, edlen Kämpfers Sanshiro mit dem blutrünstigen, wilden Amerikaner ist von Klischees geprägt, die Figuren werden zu grotesken Karikaturen verzerrt. Beispielhaft dafür kann der japanische Übersetzer stehen, der Sanshiro zu dem Kampf überredet. In seiner westlichen Kleidung und mit seinem eitlen, überdrehten Gehabe wird dieser zur reinen Witzfigur – die ideologische Botschaft an das Publikum könnte kaum platter sein.
Unter dieser propagandistischen Simplifizierung leiden natürlich die Charaktere ganz massiv, eine Entwicklung findet nicht statt. Sanshiro ist in seiner naiven Gutmütigkeit und Loyalität erstarrt, mit der er Messias-ähnlich die bösen amerikanischen Eindringlinge auf ihren Platz verweist und seine japanischen Kontrahenten auf den Pfad der Tugend zurückführt.
Das Fehlen der sonst für Kurosawa so wichtigen konfliktbehafteten, mit sich selbst ringenden Heldenfigur und die für seine Werke höchst untypische, an simplen „gut und böse“-Schemata orientierte Anlage der Charaktere, sind bei all den anderen Schwächen von Sanshiro Sugata II das eindeutigste Zeichen für das mangelnde Interesse Kurosawas an dem Projekt. Was aber auch einen interessanten Einblick in seine Arbeits- und Denkweise zulässt, ist, dass er trotzdem großen Wert auf eine perfekte Inszenierung legte und seine Darsteller für das finale Duell tatsächlich barfuß auf einem eingeschneiten Berg kämpfen ließ, was ihm sein Hauptdarsteller Susumu Fujita bei jeder späteren Begegnung der beiden wieder aufs Brot schmierte.
In seiner Biographie spricht Kurosawa davon, dass er sich zwingen musste, diesen Film überhaupt zu machen, der rein kommerziell durch den großen Erfolg des Vorgängers motiviert war. Nicht verwunderlich, bedenkt man noch die anti-amerikanischen Anforderungen der Kriegspropaganda. Verglichen mit anderen propagandistischen Machwerken jener Zeit ist Sanshiro Sugata II zwar immer noch ein ordentlicher Film, aber angesichts von Kurosawas Fähigkeiten so schlecht, dass es schwer fällt, hier überhaupt von einem richtigen Kurosawa zu sprechen.
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