29 Mai
Im letzten Jahr hab ich mich ja ziemlich ausgelassen über den einen oder anderen, mir nicht genehmen Trend beim Japanischen Filmfest Hamburg: Technische Probleme, sogar eine ausgefallene Vorstellung, wenig spannendes Rahmenprogramm und andere Dinge waren mir etwas auf den Senkel gegangen. Dieses Jahr gab es überhaupt keinen Grund, sich über etwas derartiges zu beschweren! Bei den Filmen lief alles glatt, sie wurden durchweg in sehr guter Qualität gezeigt, Pannen gab es keine, alles lief wie geschmiert. Dazu kamen wieder eine Vielzahl Gäste, darunter auch die Kengekikai Kampfkunst-Truppe, die extra aus Kyoto eingeflogen war und rund um das Festival und den Japantag in Hamburg Shows und Workshops anbot. Wer also nicht nur Filme sehen sondern auch darüber hinaus was erleben wollte, dem bot sich reichlich Gelegenheit.
Lustigerweise passt so gar nicht zu diesem eigentlich sehr gelungenen Eindruck, dass wohl in der Organisation einiges drunter und drüber ging. Ich bin zwar nicht mehr im Team selbst aktiv, habe aber noch einen guten Draht zu einigen Team-Mitgliedern und bekomme so einiges mit. So hatte das Team sowohl mit dem Wegbrechen einiger erfahrener Helfer als auch von Fördermitteln der Stadt zu kämpfen. Das äußerte sich dann unter anderem darin, dass das Programmheft erst am Tag vor der Eröffnung verfügbar war, dass kaum Plakate gedruckt werden konnten und dass natürlich die verbliebenen Helfer noch mehr Stress hatten. Dass trotzdem das Filmfest weitgehend glatt lief, ist vor diesem Hintergrund eine noch größere Leistung!
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Kurze Durchsage: Wenn du aus dem Raum Hamburg bist und schon immer mal hinter die Kulissen eines Filmfests schauen wolltest, melde dich direkt bei mir oder in den Kommentaren! Ich stelle sehr gerne den Kontakt her.
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So, kommen wir damit zu den Filmen, denn um die geht es ja letztlich bei der ganzen Chose. Die Filme haben mir in diesem Jahr wirklich einige Sorgenfalten auf die Stirn getrieben. Einen echten „wow!“-Film gab es schon letztes Jahr nicht, und von den Filmen die ich gesehen habe verdienten nur zwei oder drei das Prädikat „gut“ (die werde ich noch gebührend vorstellen, eine Bestenliste macht da aber keinen Sinn). Der Rest war mehr oder weniger belangloses Mittelmaß und einer so richtig schlecht. OK, ich habe Himizu verpasst und Kuro, der wohl eines der Highlights sein sollte, musste leider kurzfristig noch aus dem Programm genommen werden. Trotzdem muss ich leider konstatieren, dass ich zum ersten Mal in 7 Jahren enttäuscht bin.
Die Enttäuschung wird nicht gerade kleiner wenn ich auf das Programm der NipponConnection schiele, die in zwei Wochen startet und eine ganze Latte von Hochkarätern zu bieten hat, die ich alle verpassen werde weil ich dieses Jahr leider nicht nach Frankfurt fahre. Mein Bauchgefühl vom letzten Jahr, dass sich das JFFH beim Versuch, zahlenmäßig mit der NipponConnection und ihren weit über 100 Filmen mitzuhalten, überhebt und Quantität mehr und mehr die Qualität verdrängt, hat sich leider verstärkt. Und das ist kein gutes Gefühl, denn ich hänge nach wie vor sehr am JFFH, habe tolle Erinnerungen sowohl an grandiose filmische Momente als auch an den ganzen Spaß im Team. Enttäuscht nach Hause zu gehen nach einem Festivaltag tut mir weh und ich hoffe und drücke die Daumen, dass es im nächsten Jahr wieder richtig geniale Filme gibt!
19 Mai
Original: Tokyo kazoku (2013) von Yoji Yamada
Tomi (Kazuko Yoshiyuki) und Shukichi (Isao Hashizume), ein älteres Ehepaar, reisen aus der Provinz nach Tokyo, um ihre Kinder und Enkelkinder zu besuchen. Nach der anfänglichen Freude und Begeisterung anlässlich des Wiedersehens müssen die beiden bald erfahren, dass ihre Kinder angesichts der Arbeit und ihrer eigenen Familien kaum Zeit und Geduld haben, sich mit den beiden Alten abzugeben. Nur ihr jüngster Sohn Shoji (Satoshi Tsumabuki) kann sich als Freiberufler etwas Zeit freischaufeln und sie zumindest auf einer Bustour durch die Stadt begleiten.
So organisieren die Kinder für ihre Eltern ein Hotel, wo die beiden es aber nicht lange aushalten. Zurück in Tokyo müssen sie jedoch feststellen, dass sie keine Unterkunft haben, weshalb Shukichi einen Bekannten besuchen und Tomi bei Shoji unterkommen möchte. Dort lernt sie überraschend dessen Freundin Noriko (Yu Aoi) kennen und schließt sie sofort in ihr Herz. Doch bevor sie Shukichi davon erzählen kann, erleidet Tomi einen Schlaganfall und fällt ins Koma. Die Überraschung in der Familie ist groß, als Shoji mit Noriko im Krankenhaus auftaucht, um von der Mutter Abschied zu nehmen.
Sechzig Jahre nach Yasujiro Ozus Meisterwerk Tokyo Story machte sich Yoji Yamada an ein Remake, und das mit der dem Original gebührenden Ehrfurcht. Die Story ist nahezu unverändert geblieben, ganze Szenen bis in kleinste Details hinein wurden übernommen: Vom schüchternen Enkelsohn, der bei der Ankunft der Großeltern davonläuft über den Schwiegersohn, der für Tomi und Shukichi Süßigkeiten mit nach Hause bringt und sie fast im Alleingang aufisst bis hin zu Tomis Uhr, die Shukichi Noriko am Ende schenkt – wer das Original kennt und schätzt wird auf Schritt und Tritt altbekanntem begegnen.
Die wichtigsten Änderungen wurden an der Charakterkonstellation vorgenommen. Aus ursprünglich fünf Kindern wurden drei, wobei der mittlere Sohn Shoji – im Original im Krieg gefallen – nun am Leben ist und neben den beiden Großeltern in eine zentrale Rolle rückt. Nicht nur ist es hauptsächlich er, der Zeit mit den beiden verbringt, in seiner Figur kristallisiert sich zugleich die Modernisierung von Ozus Klassiker. Während seine älteren Geschwister Koichi und Shige wie im Original als Arzt respektive Besitzerin eines Schönheitssalons einen klassischen Beruf haben, verkörpert er nämlich eine junge Generation Japaner, die sich oft mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsjobs durchs Leben schlägt.
Mit seiner unsteten, künstlerischen und nicht auf eine erfolgreiche Karriere ausgelegten Freiberufler-Tätigkeit stößt er auf Unverständnis und Kritik bei seinem Vater und auch bei seinen Geschwistern, die ihn mehr oder weniger für einen Versager halten. So ist es auch kein Wunder, dass Shoji und Shukichi ein sehr gespanntes Verhältnis haben und im Umgang miteinander kaum ein Wort über die Lippen bringen. Ausgerechnet Shoji – bzw. dessen Freundin Noriko – ist es dann aber, die dem alles in allem enttäuschenden Besuch in Tokyo eine erfreuliche Wendung geben.
Zwar bleibt Yamada bei seinem Remake sehr nahe an der Handlung, er hat aber erfreulicherweise der Versuchung widerstanden, dem Film auch noch den „Ozu-Look“ mit dessen typischen stilistischen Merkmalen zu verpassen. Die berühmte niedrige Kameraposition etwa kommt so selten zum Einsatz, dass die wenigen Momente eher wie eine verbeugende Hommage denn wie ein Stilmittel wirken, und die Frontalaufnahmen bei Gesprächen fehlen fast völlig.
Es fehlt aber auch der wichtige und bedeutungsschwere Schluss des Originals, so dass der Film alles in allem so leichter und zugänglicher wird, aber auch etwas an Tiefe verliert. Dennoch würde ich die – vor allem von Shoji und Noriko verkörperte – vorsichtige Modernisierung durchaus als gelungene Neu-Interpretation ansehen, so weit ich das mit nur einer Sichtung im Flugzeug beurteilen kann. Bleibt zu hoffen, dass der Bezug zum Ozu-Meisterwerk vielleicht für eine Veröffentlichung auch bei uns reicht.
10 Mai
Seit ein paar Tagen ist das komplette Programm des Japanischen Filmfests Hamburg auf der Webseite nachzulesen, gerade rechtzeitig um noch vor dem Filmfest ein bisschen Stimmung zu machen und die Werbetrommel zu rühren 🙂
Ich habe noch nicht alle Filme angesehen – sind ja auch wieder verdammt viele, um die achtzig – aber ein paar hab ich mir schon rausgeguckt. Zu den Highlights dürfte wohl der Eröffnungsfilm, der bildgewaltige und effektgeladene historische Actionfilm The Floating Castle gehören, oder Helpless and Reckless, eine düster-mitreißende Inzestgeschichte.
Spannend klingen auch Ushijima the loanshark oder Ringing in their ears, sowie My Departure, der neue Film von Tetsu Maeda, der im letzten Jahr mit Sukiyaki einen der Knallerfilme zum Festival beigesteuert hatte. Dieses Mal scheint er sich eher im Bereich Familiendrama zu bewegen, mal sehen, wie er sich da zurecht findet. Eher witzig klingt dafür Nana and Kaoru, ebenso wie einer der wenigen Anime den wir auf dem JFFH zu sehen bekommen werden, Memories of Family. Und dann ist da natürlich noch Himizu, Sion Sonos vor dem Hintergrund der Tsunami-Katastrophe spielendes Coming-of-Age Drama, das ich mir auf keinen Fall entgehen lassen werde!
Gut, dass das Kurosawa-Buch so gut wie fertig ist, da kann das Filmfest kommen 🙂