22 Jun
Original: Hula gâru (2006), von Sang-il Lee
1965, in einer kleinen Bergarbeiterstadt im Norden Japans: Die örtliche Kohlemine soll dicht gemacht werden, Tausende stehen vor dem Nichts. Anstelle der Mine will die Firma um die örtlichen heißen Quellen herum einen hawaiianischen Erlebnispark aufbauen. Die Tänzerinnen dafür sollen aus den Bergarbeiterfamilien kommen, doch die lehnen das scheinbar aussichtslose Projekt rigoros ab. Nur Kimiko (Yu Aoi) und Sanae (Eri Tokunaga) begreifen dies als Chance, das harte Leben hinter sich zu lassen.
Unterstützung finden sie bald bei der in Tokyo engagierten Tanzlehrerin Hirayama (Yasuko Matsuyuki), die eigentlich total abgehalftert ist und sich nun mit diesem miesen Job in der Provinz abgeben muss. Zunächst nur widerwillig nimmt sie die Mädchen unter ihre Fittiche, aber bald bemerkt sie, wie wichtig das Tanzen für diese ist und gegen welche Widerstände in ihren Familien sie sich durchsetzen müssen, so dass sie sich immer engagierter für die Mädchen und die Sache einsetzt. Dadurch gelingt es ihr schließlich, sogar Kimikos Bruder Yojiro, einen Bergarbeiter der das Hawaii-Projekt strikt ablehnt, umzustimmen.
Hula Girl beruht auf einer wahren Geschichte, und einer sehr interessanten noch dazu, aus der man eine ganze Reihe sehr verschiedener Filme hätte machen können: Eine Gesellschaftsstudie mit politischer Message vor dem Hintergrund des Niedergangs des Kohlebergbaus über die Auswirkungen auf die Menschen und wie diese mit den Veränderungen umgehen, welche Konflikte dabei entstehen und wie sie ausgetragen werden. Eine Liebesgeschichte zwischen der Tanzlehrerin und Yojiro. Eine Geschichte über einige Mädchen, die aus ihrem Bergarbeiterumfeld ausbrechen und etwas aus ihrem Leben machen wollen, darüber Konflikte mit ihren Familien austragen und am Ende den großen Traum Wahrheit werden lassen. Eine Charakterstudie der in Tokyo gescheiterten Tänzerin, die sich verzweifelt an den früheren Ruhm klammert, aber nun in der Provinz neu anfangen muss und dabei zu sich selbst findet. Einen klassischen Sport- und Tanzfilm mit typischen Elementen wie Teamgeist, harten Trainings, Fahrten zu Auftritten, Verarbeitung von Rückschlägen und Niederlagen und dem großen Triumph am Ende.
All das hätten vor dem spannenden historischen Hintergrund richtig gute und aussagekräftige Filme werden können. Leider konnten sich die Macher für keine der Möglichkeiten entscheiden und haben deshalb versucht, alles auf einmal in den Film hineinzustecken.
Dabei blieb vieles auf der Strecke: Konflikte und Charaktere werden kurz angerissen, Handlungsfäden angedeutet, aber allzu viel bleibt leider oberflächlich. Die komödiantischen Elemente wollen irgendwie nicht so recht zum ernsten Hintergrund (inklusive eines Grubenunglücks, bei dem der Vater einer der Tänzerinnen stirbt) passen. Die emotional-sentimentalen Höhepunkte zum Ende des Films sind stark übersteigert und ziehen sich scheinbar endlos dahin – die letzten 15 bis 20 Minuten des Films bestehen eigentlich nur noch aus Tränen, Tanzen und Trara.
So bleibt Hula Girl leider weit unter dem Potenzial der Ausgangsgeschichte. Herausgekommen ist ein brauchbares Stück leichter Familienunterhaltung, das einige Einblicke in das harte ländliche Leben im Japan der 1960er Jahre gibt (was schon selten genug ist), über das ich mich aber doch ziemlich geärgert habe, denn mit ein bisschen Mut zur Entscheidung und Konzentration auf das Wesentliche hätte man so viel mehr aus diesem Film machen können!
1 Kommentar for "Hula Girl"
[…] beitreten. Da Swing Girls anders als der von einer ähnlichen Grundkonstellation ausgehende Hula Girl von jedem unnötigen Ballast befreit bleibt, ist der Film in sich stimmig, atmosphärisch dicht und […]
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