11 Jul
Das Jidaigeki-Genre, im Westen meist fälschlicherweise als „Samurai-Film“ bezeichnet, begann sich Anfang der 1920er Jahre herauszubilden. Die etablierte Erklärung für den anschließenden großen Erfolg des Genres ist, dass diese im feudalen Japan vor der Meiji-Restauration von 1867 spielenden Filme oft der Auseinandersetzung mit der Gegenwart dienten. Die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen, welche die Modernisierung Japans mit sich brachte, hätten sich in den historischen Stoffen wiedergespiegelt und so Künstlern und Publikum eine versteckte Auseinandersetzung mit der Gegenwart möglich gemacht.
Eine interessante, stärker am Zuschauer orientierte Variante dieser Theorie von Mitsuhiro Yoshimoto, die ich kürzlich gelesen habe, geht so:
When filmmakers turned their attention to contempary Japan, what they saw was not a fully modernized society but strains and contradictions caused by the ongoing process of modernization. As their daily lives were increasingly transformed by the modernizing forces of monopoly capitalism, the audiences demanded more speed and spectacle; yet because of the incomplete state of modernization, that demand could not always be satisfied by showing contemporary Japanese life.
Sprich: Es entstand ein Paradoxon, weil die Modernisierung dazu führte, dass das Publikum mehr Äktschn wollte, die in der gegenwärtigen Gesellschaft auf Grund der unvollständigen Modernisierung aber nicht abgebildet werden konnte, so dass die Nachfrage nach historischen Filmen stieg.
Besonders faszinierend an dieser Erklärung finde ich, dass sich damit der Zusammenbruch der Jidaigeki in den 1960ern wunderbar erklären lässt. Die Modernisierung war nämlich an einem Punkt angekommen, an dem sie die Gesellschaft so weit durchdrungen hatte, dass die Nachfrage nach „speed and spectacle“ nun nicht mehr mit historischen Stoffen befriedigt werden musste. Der Alltag der modernen Gesellschaft Japans bot nun genug eigene Stoffe, allen voran die Yakuzafilme, die eine Übertragung der Kämpfe, Rituale und Codices der Samurai in die Moderne möglich machten (man betrachte nur die zahlreichen Parallelen von der Clan-Struktur bis hin zum rituellen Selbstmord zur Aufrechterhaltung der Ehre) und somit konsequenterweise die Jidaigeki nahezu komplett verdrängten.
2 Kommentare for "Jidaigeki und die Modernisierung Japans"
Du solltest aber auch nicht vergessen das die amerikanische Besatzungsmacht (durch erhöhtes Zensuraufkommen bei allen jidai-geki, da man in diesen feudalen Strukturen erkannte und diese misbilligte)durchaus auch einen Einfluß auf die Entsehung des Yakuza-Genre hatte, was letztlich, wie du schön geschrieben hast, einen großen Marktanteil auf Kosten der jidai geki einnahm.
Du hast Recht, die amerikanische Zensur hätte die Jidaigeki fast gekillt. Aber das war unmittelbar nach dem Krieg. Die Zensur der Besatzungsbehörden endete offiziell im Oktober 1949 und auch wenn die zuvor gegründete Japanische Filmbehörde Eirin die Anzahl der Jidaigeki zunächst noch limitierte, wurden auch diese Begrenzungen 1951 ganz aufgehoben. Im jahr 1952 wurden schon wieder 90 Jidaigeki produziert und die Zahlen stiegen in den Folgejahren kräftig an, bis zum Durchbruch der Yakuza-Filme dauerte es da noch über ein Jahrzehnt.
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