Archive for the ‘Gedanken’ Category

Wie die anderen Piloten der EVAsShinji und Rei – ist auch Asuka 14 Jahre alt und hat als kleines Kind ihre Mutter verloren; ihr Vater ist Deutscher und so wuchs sie in Deutschland auf. Asuka ist hochintelligent und hat trotz ihrer Jugend bereits einen College-Abschluss – die Serien-Macher waren wohl nicht besonders mit dem deutschen Bildungssystem vertraut. Diese Intelligenz und ihre Ausnahmestellung als EVA-Pilotin befeuern noch die ohnehin hohe Meinung, die sie von sich hat.

Besonders in ihren ersten Szenen in der Serie tritt Asuka überaus selbstbewusst, arrogant, ja hochnäsig und herablassend anderen gegenüber auf sowie als hochemotionales Energiebündel, passend zu ihrem feuerroten Haarschopf. Ihre anfänglichen Erfolge im Kampf mit den Engeln, ihre dabei bewiesene Aggressivität und ihre Kampfkraft scheinen fast selbstverständlich auf eine Position als natürliche Anführerin der Piloten hinauszulaufen. Doch die Fassade der Überlegenheit und Stärke bekommt Risse, als sie eine erste Niederlage im Kampf einstecken muss und Shinji, mit dem sie eine Hassliebe vom Allerfeinsten pflegt, bessere Testresultate erzielt.

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Im Ausschnitt werden (abgesehen von der bemerkenswerten Experimentierfreude der Serienmacher – wer zeigt schon 50 Sekunden Schweigen in einem Aufzug?!) neben Arroganz und Hochnäsigkeit weitere Schattenseiten Asukas offensichtlich: Immer wieder tendiert sie zu Aggressivität anderen gegenüber um von eigenen Schwächen oder Fehlern abzulenken oder diese zu entschuldigen. Zudem ist sie unfähig, sich in den Dienst einer Sache zu stellen und sieht den Zweck ihrer Funktion als Pilotin allein darin, der Welt zu zeigen, wie großartig sie selbst ist.

Die Aufrechterhaltung des sorgsam konstruierten und den Mitmenschen präsentierten Selbstbildes gerät in den späteren Folgen zunehmend außer Kontrolle und nimmt zerstörerische Ausmaße an, bis diese angenommene Identität schließlich in einer dramatischen Niederlage zerbricht.

Nun wird deutlich, dass hinter der Fassade ein sich nach Anerkennung sehnendes, vor dem Alleinsein fürchtendes Mädchen steckt, das dringend Zuwendung – sei es von der Familie oder Freunden – bräuchte, das aber durch sein Verhalten und seine Attitüden selbst unüberwindbare Mauern um sich herum errichtet hat. Niemand kann zu ihr vordringen, weil sie selbst es nicht zulässt. Hintergrund ist ein tiefsitzendes Trauma: Asukas Mutter verlor nach einem Experiment mit einem der EVAs den Verstand, hielt eine Puppe für die eigene Tochter und beging schließlich Selbstmord.

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Die Konfrontation mit diesem Kindheitstrauma und ihren kaputten familiären Verhältnissen (eine Stiefmutter, die Asuka nie wirklich als Tochter akzeptierte, Pflegeeltern) sowie die Nackenschläge, die Asuka im Kampf mit den Engeln einzustecken hat, führen nun dazu, dass sich ihre ursprüngliche Agilität, Energie und Aggressivität in Apathie, Verzweiflung und totale Selbstaufgabe verkehren.

Damit ist sie der Charakter der Serie, der mit Abstand die größte Wandlung vollzieht, ja, der geradezu sein Innerstes nach Außen kehrt und dennoch – oder gerade deshalb? – nicht in der Lage ist, echte zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. Und damit passt sie wieder in das Grundschema der drei Piloten, deren Gemeinsamkeit eben die Unfähigkeit zu sozialen Kontakten ist, aus je unterschiedlichen Gründen: Bei Asuka ist es die mittels aufgesetzter Arroganz und Überlegenheit übertünchte Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit, die ein normales Miteinander unmöglich macht.

Da ihr die Fähigkeit, sich selbst zu hinterfragen völlig abgeht, scheint für sie am Ende auch kein Ausweg aus ihrer selbstgeschaffenen Isolation möglich oder erkennbar. Somit ist Asuka von den drei Piloten-Kindern trotz oder gerade wegen der anfänglich zur Schau getragenen Stärke und dem Selbstbewusstsein eigentlich der hoffnungsloseste Fall.

Die weiteren Artikel aus der NGE-Reihe:

Daniel war neulich in Paprika und hat die Erfahrung, diesen außergewöhnlichen Film in einem fast leeren Kino gesehen zu haben, in eine Generalabrechnung mit dem amerikanischen Kinogänger umgewandelt, der sich mit dem x-ten Sequel zu Pirates of the Caribbean oder Scary Movie zufrieden gibt:

There’s a reason you see nothing but junk food on the shelves, folks. Junk food is all that you consume. It’s as simple as that. No corporatist conspiracy theories, no nightmare scenarios of Dick Cheney peering into your brain for unpure thoughts, no Ned Beatty howling about the primal forces of nature. You’re stuck with Shrek the Third because you shelled out good money for Shrek the Second. And you didn’t show up for Tokyo Godfathers. Or Innocence. Or Triplets of Bellville. Or Metropolis.

Dem ist wenig hinzuzufügen. Dass ich letzte Woche Shrek der Dritte gesehen habe wäre mir jetzt extrem peinlich, wäre das nicht ein Team-Event gewesen, für das Cheffe gezahlt hat. 🙂

Also reißen wir uns jetzt alle zusammen und gehen nur noch in anspruchsvolle Filme, die unser Geld auch wirklich wert sind!? Ganz so einfach ist es wohl nicht, wie Daniel auch selbst erkennt:

Satoshi Kon is one of the smartest filmmakers around today. His are the kind of psychologically-driven character tales that great American directors once tackled. We used to make these sort of movies, albeit live-action. A whole generation of Americans are accustomed to expect movies to be little more than toy commercials, videogame demos, and wall-to-wall explosions. And fart jokes.

Denn es liegt ja eben nicht nur an den Konsumenten. Die können zwar letztlich mit ihrem Geld über Erfolg und Misserfolg entscheiden, aber auch Faktoren wie Marketing, Reichweite des Verleihs, PR etc. spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Und natürlich muss erstmal jemand da sein, der die entsprechenden Filme produziert, damit Kinogänger sie in den Box-Office-Listen nach oben pushen können. Und da sehe ich das Problem, jedenfalls was anspruchsvolle Anime angeht.

Seit Jahren haut Hollywood in schöner Regelmäßigkeit eine Comic-Adaption nach der anderen raus, darunter immer mal wieder auch der eine oder andere gute Film. Aber alles sind live-action-Filme, obwohl doch eigentlich bei einer Comic-Adaption ein animierter Film der naheliegendste Gedanke sein müsste. Doch bei den zuständigen Studios scheint da keiner auch nur drüber nachzudenken. Und das, obwohl Animationsfilme mit viel niedrigeren Produktionskosten (durchschnittlich 3 Mio. Dollar, bei einzelnen Großprojekten bis zu 20 Millionen, jedenfalls in Japan) verbunden sind, das finanzielle Risiko also vergleichsweise gering ist. Da muss sich definitiv also was in den Köpfen der Studiobosse bewegen.

Was uns natürlich nicht davon abhalten sollte, unser Geld für gute Filme auszugeben statt für Trash!

Während ich gestern Shrek der Dritte sah und popcornkauend in meinem Kinosessel saß, musste ich an das Zitat von Manohla Dargis zum Unterschied zwischen amerikanischen und japanischen Animationsfilmen denken:

One of this week’s indisputable standouts is “Paprika,“ the latest eye-popping anime from Satoshi Kon (“Millennium Actress,“ “Tokyo Godfathers“), which, despite the dizzying spirals of its overly compressed narrative, offers continued evidence that Japanese animators are reaching for the moon (and other far-out destinations), while most of their American counterparts remain stuck in the kiddie sandbox with their underage audiences.

Shrek ist wirklich kein schlechter Film, er weist die bekannten, sympathischen Charaktere auf, ist witzig, hat eine zwar vorhersehbare aber doch nette Story und seine Animation ist in manchen Details (die Haare von Arthur oder Prince Charming!) unfassbar naturalistisch.

Doch da liegt auch schon ein Teil des Problems. Anstatt die Möglichkeiten der Animation für ungewöhnliche Effekte, spannende Bildkompositionen oder expressionistische Elemente, welche den Charakteren mehr Tiefe geben könnten, zu verwenden, versucht man sich bei Dreamworks daran, Haare oder ein Getreidefeld immer noch „realistischer“ und naturgetreuer hinzubekommen. Anstatt seinem Publikum etwas zum Staunen zu geben, es zu überraschen und dabei vielleicht auch zu fordern, verlässt man sich auf altbekannte Rezepturen und die etablierte Marke.

In den anderthalb Stunden Shrek, so unterhaltsam sie auch waren, dachte ich nicht ein einziges Mal „Wow“, war nie von den Bildern und der Kreativität der Animateure so überwältigt, wie mir das bei japanischen Anime regelmäßig passiert, kurz: das „eye-popping“ fehlte komplett. Und das ist kein Problem von Shrek, sondern von amerikanischen Animationsfilmen ganz generell. Man denke an Madagascar, Ice Age, Hennen rennen und auch die meisten der Pixar-Filme, die – was Charakterentwicklung, Tiefe des Plots und Kreativität der Animation angeht – nicht einmal im Entferntesten mit den Japanern mithalten können.

Zentrales Problem dabei ist, dass Trickfilme aus den USA nach wie vor ausschließlich auf das Komödien-Genre beschränkt sind. Niemand scheint die Möglichkeiten, die der Animationsfilm für so naheliegende ernsthaftere Genres wie Science-Fiction oder Fantasy, die Anime in Japan so erfolgreich gemacht haben, bietet, zu erkennen. Oder es wagt einfach niemand, auch mal den eigentlich logischen, ja überfälligen, Schritt über die Komödie hinaus zu machen. Dargis‘ Zitat weist hier bereits auf die einseitige Orientierung auf ein jugendliches Publikum hin, doch dies kann nicht der Grund für die Erstarrung der US-Animationsfilme sein, denn schließlich sind ja gerade Jugendliche die Hauptkonsumenten von Anime und müssten Experimenten gegenüber eigentlich aufgeschlossen sein. Zudem werden auch in Japan Kinofilme in erster Linie für ein junges Publikum produziert.

Vermutlich liegt der Kern des Problems – wie so häufig – in den Führungsetagen, wo über Filmprojekte und deren Budgets entschieden wird und wo Innovation, Kreativität und Risikobereitschaft häufig eben nicht als Garant für Erfolg gesehen werden. Auf das einzelne Filmprojekt bezogen mag das auch stimmen, aber auf lange Sicht bedeutet Stagnation schlicht Rückschritt. Angesichts der rasch wachsenden globalen Popularität von Anime mit ihrem breit aufgestellten thematischen Repertoire und ihren exzellenten, visionären und hochinnovativen Animateuren ist die US-Filmindustrie auf dem besten Weg, sich ohne Not in einer Nische einzubuddeln.

Seit ich vor kurzem anfing, mich intensiver mit Anime zu beschäftigen und Blogs und Bücher zu lesen um meine Defizite zum Thema abzubauen, gewinne ich mehr und mehr den Eindruck, dass es zwischen Anime-Fans und Realfilm-Fans einen nahezu unüberbrückbaren Graben geben muss. Woran kann das liegen?

Typisches Beispiel für die Nichtbeachtung von Animes durch ausgewiesene Filmfans wären etwa die Cineasten-Threads im Rolling-Stone-Forum (wo ich ab und zu mitdiskutiere). Dort beschäftigt man sich fast ausschließlich mit Realfilmen, es gibt lediglich zwei verwaiste Threads über Miyazaki und Mangas/Anime im Allgemeinen. Auch sonst gibt es unzählige Webseiten und Blogs zu Filmen, die Anime aber praktisch nicht wahrnehmen. Und nicht nur die Weiten des Internets scheinen in zwei Lager gespalten zu sein.

Donald Richie, anerkanntermaßen einer der größten Kenner des japanischen Kinos, befasst sich in seinem Buch A 100 Years of Japanese Film sehr intensiv mit der japanischen Filmhistorie und geht auf alle möglichen bekannten und unbekannten Realfilme ein. Anime, die aus der japanischen Filmindustrie seit Jahrzehnten nicht wegzudenken sind, handelt er dagegen auf den letzten 5 Seiten ab.

Die Voreingenommenheit gegenüber Anime hängt bei vielen Otto-Normalkinogehern mit schlichter Unkenntnis zusammen. Ein typisches Beispiel dafür habe ich in einem Gespräch mit Freunden erlebt, die unter Anime nur die Sonntagmorgen-Serien im Kinderprogramm verstehen, in denen Schulmädchen in kurzen Röcken gegen Roboter kämpfen. Dass Anime nicht automatisch kindisch sind, ist dann nur schwer zu vermitteln. Bei Insidern und Kritikern, die Anime zwar kennen, aber auf sie herabschauen und eine „Das sind ja keine richtigen Filme“-Einstellung vor sich hertragen, sind solche Vorurteile vermutlich noch tiefer verankert.

In animation, there is no underlying expectation of any kind of normality. Characters may expand, shrink, or transform. Pigs can fly and cats can talk.

Die Probleme vieler Menschen in Europa und Amerika in der Rezeption und im Umgang mit Anime dürften mit dem Fehlen allgemeingültiger Normen darüber, was Realität ist, zusammenhängen. In Realfilmen (mit Ausnahme mancher Fantasy- und Science-Fiction-Filme) gehen wir selbstverständlich von der Einhaltung gewisser Regeln aus, die wir aus unserem alltäglichen Leben kennen: Prinzipiell gelten hier dieselben sozialen und physikalischen Gesetze. Dies führt dazu, dass der Zuschauer gewisse Erwartungen bezüglich des Handlungsstrangs und der Charaktere hat.

Die meisten Anime dagegen sind geprägt von einer wechselseitigen Durchdringung von Realwelt und Fantasiewelten: Übermenschliche Kräfte, Negierung physikalischer Gesetze, übernatürliche Erscheinungen wie Geister, Dämonen etc. sind hier an der Tagesordnung und treten ganz selbstverständlich in einer ansonsten völlig real scheinenden Welt auf (idealtypisch zu beobachten in den Miyazaki-Filmen). Die Erwartungen an eine „normale“ Entwicklung von Plot und Charakteren werden enttäuscht, was zu einem unbefriedigenden, verstörenden Rezeptionserlebnis und weitgehendem Unverständnis bis hin zu Ablehnung dieser merkwürdigen Welt der Anime führt.

Umgekehrt bin ich aber auch vielen Blogs, Foren, Webseiten aller Art zu Animes begegnet, in denen sich kein Mensch für die großartigen Filme berühmter Regisseure von Kurosawa über Imamura bis Kitano interessiert. Dieses Desinteresse an japanischen Realfilmen seitens der Anime-Fans speziell im Westen mag zum einen daher rühren, dass die Anime-Szene durch die ihr im Westen aufgedrängte Außenseiterrolle sehr stark auf sich selbst fixiert ist und sich dadurch eine in sich abgeschlossene Subkultur gebildet hat.

Besonders bei Fans der Anime-Serien (also wohl dem Großteil der Fanszene) kann ich mir darüber hinaus gut vorstellen, dass die dauerhafte, intensive Teilhabe an den sich von Folge zu Folge weiterspinnenden Handlungssträngen den Blick über den Tellerrand erschwert. Außerdem ist es wahrscheinlich gerade die wechselseitige Durchdringung von Realität und Fantasiewelt in den Anime, die diese Fans so fesselt und die sie in den Realfilmen vermissen, wodurch diese für sie nicht attraktiv sind.

Jedenfalls scheint es höchste Zeit zu sein, dass hier eine Nausicaä oder ein Ashitaka auftauchen, mit unverstelltem Blick zwischen den beiden Lagern eine Brücke schlagen und auf die Chancen zur Bereicherung durch die Auseinandersetzung mit beiden Filmformen hinweisen! 😉

So, trotz des herrlichen Wetters hab ich mich auf meine vier Buchstaben gesetzt und den angekündigten Essay zu Akira Kurosawa abgeschlossen. Der Essay basiert auf einem Vortrag, der sich an ein bunt zusammengesetztes Laienpublikum, sowohl filmtheoretisch als auch was Kurosawa betrifft, richtet. Für diesen Vortrag hatte ich mich für eine Mischung aus chronologischem und thematisch-systematischem Vorgehen entschieden, und so ist auch der Essay strukturiert.

Für alle, die sich die 10 Seiten nicht durchlesen möchten, auf die Schnelle einige zentrale Punkte:

  • Kurosawas Schaffen lässt sich grob in vier Phasen unterteilen. Eine etwa bis Rashomon (1950) reichende Frühphase, in der er mit Techniken und Stilmitteln experimentiert und in der sich beherrschende Themen und Motive herauskristallisieren. Dann die bis Rotbart (1965) andauernde Reifephase, auf die eine Zeit großer professioneller und persönlicher Krisen folgt, die zu sehr pessimistisch geprägten Filmen führt, die 1985 in Ran kulminiert. Darauf folgt schließlich ein versöhnliches Alterswerk, das sich ästhetisch und thematisch stark von allen anderen Filmen unterscheidet.
  • Zentrales Thema vieler Filme Kurosawas sind die Entwicklung eines Helden und dessen Kampf mit sich selbst und dem gesellschaftlichen Kontext. Dabei sind die Helden mit dem Dilemma konfrontiert, dass der Weg zu Selbsterkenntnis und Verbesserung gesellschaftlicher Zustände ein einsamer ist, gleichzeitig aber ein Leben ohne Einsatz für ein Ziel, ohne hartes Arbeiten an sich selbst und ohne Hingabe an ein höheres Ideal oder einen Meister leer und bedeutungslos ist.
  • Wichtige Merkmale von Kurosawas Stil sind die Fragmentierung (durch lineare Muster) und Kompression (durch Teleobjektive) des dargestellten Raums, was wiederum zusammen mit kontrastierender Schnitttechnik eine hohe Dynamik hervorbringt (außer in den Filmen der Spätphase). Außerdem verwendet er häufig Wind und Wetter, um wichtige Entwicklungen anzukündigen oder eine bedrohliche, bedrückende Stimmung zu schaffen.

pdf-iconDie ausführliche Version als PDF mit biographischem Hintergrund, Beispielen aus Filmen und ein paar Screenshots kannst du hier herunterladen. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und freue mich auf Anregungen, Fragen und Kritik!

Gestern mal wieder Rotbart von Akira Kurosawa gesehen (über den muss ich bei Gelegenheit noch ausführlicher schreiben), und gestaunt über die dezente, aus dem Leben gegriffene und selbstverständliche Verwendung der historischen Sets. Was für ein Unterschied zu den Monumentalfilmen der letzten Jahre!

Der Aufwand, den Kurosawa für Rotbart betrieb, ist legendär: Für die zwei Jahre dauernden Dreharbeiten (!!) wurde eine komplette Kleinstadt aus der Tokugawa-Periode unter Verwendung gealterter oder wirklich aus alten Häusern stammender Materialien gebaut. Selbst die Innenausstattung der Sets wurde vor den Dreharbeiten durch tatsächliches monatelanges Benutzen auf alt getrimmt.

Aber der gigantische Aufwand spiegelt sich in keiner Weise in der Verwendung des Sets im Film selbst: Es gibt keine fulminanten Schwenks und Totalen, die den Zuschauer beeindrucken sollen. Statt dessen wird diese künstliche Stadt schlicht zum Hintergrund für ein Gespräch auf der Straße oder für den Blick aus dem Fenster. Im Mittelpunkt stehen immer die Charaktere, und das ist es, was diesem Film seine Authentizität, seinen Realismus und die Glaubwürdigkeit verleiht.

Ganz im Gegensatz zu der Verwendung der – oft computergenerierten – Szenerien und Sets in den großen Historien- oder Fantasyfilmen der letzten Jahre, die uns Zuschauern immer in majestätischen Kamerafahrten und langen Einstellungen aufgezwungen werden. Weil sie sehen ja so toll und realistisch aus. Dabei ist es genau dieses plumpe Vorzeigen, dieses Auf-dem-Silbertablett-präsentieren, das sie unrealistisch und unglaubwürdig macht und das den Zuschauer in die Perspektive eines Touristen versetzt und nicht in die eines Bewohners.

Was ich damit meine? Wer als Tourist in Berlin ist, steht staunend vor Reichstag und Brandenburger Tor und knipst seine Fotos. Beeindruckend, außergewöhnlich. Wer in Berlin lebt, nimmt diese Bauwerke nicht bewusst wahr, für ihn werden sie schlichter Hintergrund eines Spaziergangs, in dem selbstverständlich das Gespräch mit der begleitenden Person im Vordergrund steht und nicht das Drumherum.

Das ist der Unterschied zwischen der Verwendung von Sets, die uns als Zuschauer zum Teilhaber, zum Miterlebenden macht und uns in die Welt des Films hineinzieht (wie in Rotbart) und dem aufdringlichen Vorzeigen großartiger Bilder, die das wirklich Wichtige nicht betonen sondern mit ihm konkurrieren.

Eine bitterböse Abrechnung mit aktuellen Tendenzen der Filmkritik hat neulich Thomas in sein Filmtagebuch gehackt. Abgesehen davon, dass darin sogenannte Filmkritiker, die letztlich nur weichgespülte PR für die gerade angesagten Blockbuster machen, in die Pfanne gehauen werden, finden sich auch wichtige Gedanken zur Bedeutung von Filmkritik:

Filmkritik kann vieles sein. Zuallererst eine Dokumentation von Erfahrung. Dann Speicher für Beobachtungen, Festhalten von Eindrücken und Auffälligkeiten. Nicht zuletzt wird der einzelne Film mit seinen ephemeren Qualitäten verankert in einem Netz aus Bedeutungen, Ansichten, Geschichten, Traditionen. Filmkritik ist Reden über einen Film – mit dem Vorteil einer dokumentierenden Speicherung der Auseinandersetzung.

Wo er Recht hat, hat er Recht! Reden über einen Film – am besten in vertrauter Runde – bringt immer noch die besten Gedanken hervor, hilft dabei, das Erlebnis Film zu verarbeiten und sich zu vergegenwärtigen, was der Film in einem selbst bewegt und ausgelöst hat.

Diese Chance bietet ein Stück weit auch eine Filmkritik, denn der Autor setzt sich natürlich mit einem Film, über den er schreibt, zwangsweise ganz anders auseinander. Was einer klassischen Filmkritik aber immer abgeht, ist das Einbeziehen und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sichtweisen. Der Kritiker schreibt eben aus seiner Perspektive, und man kann sich dann seinen Teil dazu denken.

Das Großartige an Kritiken in Blogs ist dagegen, dass sich durch Kommentare das Reden über den Film gewissermaßen simulieren lässt. Das war eben auch die Hoffnung, die ich mit dem Bloggen hier verbunden habe: Diskutieren über die genialen – und natürlich auch weniger genialen – Filme, Eindrücke austauschen und Stimmen sammeln. Da mir natürlich bewusst ist, dass ich mir dafür eine ziemlich abstruse Nische ausgesucht habe, ist mir auch klar, dass ich einen langen Atem brauche. Aber ich bin zuversichtlich, denn da draußen gibt’s genug Verrückte wie mich. 😉

Zu diesem Fazit gelangt Robert Castle in seinem Artikel über die Zatoichi-Filmserie der 1960er und 1970er Jahre, der gerade in der neuesten Ausgabe vom Bright Lights Film Journal erschienen ist.

Er berichtet von Castles Überraschung, als er durch Takeshi Kitanos „Zatoichi“ von den 25 Vorgängerfilmen um den blinden Schwertkämpfer Ichi erfuhr und wie er die Serie lieben lernte. Ich habe einige mir wichtig erscheinende Aussagen des (englischen) Artikels zusammengefasst, eine sehr gute Übersicht über den Inhalt der ganzen Ausgabe hat Thomas zusammengestellt. Und bei twitchfilm gibt’s übrigens eine Review zu den auf DVD erscheinenden TV-Folgen von Zatoichi.

Was zeichnet also Ichi, den Held von 25 Filmen, aus?

  • Seine menschlichen Schwächen: Abgesehen von seiner Blindheit ist Ichi ein passionierter Glücksspieler und gehörte früher zur Yakuza.
  • Seine Bescheidenheit: Durch die Blindheit weiss er um seine Schwächen und Grenzen, er akzeptiert diese und maskiert damit zugleich seine Unbezwingbarkeit im Schwertkampf.
  • Sein Wille, sich durch nichts ablenken zu lassen: Neben der übermenschlichen Schräfung seiner anderen Sinne gehört dazu auch sein überwiegendes Desinteresse an Frauen.
  • Seine Hilfsbereitschaft und Gutmütigkeit: Er kann keine Bitte ablehnen und hilft jederzeit den Schwächeren und Bedrängten.

Als das Paradoxon der Serie bezeichnet Robert Castle, dass Ichi trotz all dieser positiven, friedfertigen Eigenschaften immer wieder mit absolut mörderischer Gewalt konfrontiert wird. Die Urheber dieser Gewalt müssen jedoch immer mit dem Leben bezahlen. Damit werde Ichi zum idealen Helden der kleinen Leute, so Castle.

Das überraschendste an der Serie scheint zu sein, dass trotz der 25 Teile anscheinend kein Verfall, keine schematischen Wiederholungen auftreten, dass es den Produtzenten im Gegenteil immer wieder gelang, durch kleine Kniffe die Serie zu beleben.

Daher das Fazit: Zatoichi forever!