14 März
Original: Yūkoku (1965) von Yukio Mishima
Im Februar 1936 scheitert ein von Offizieren geplanter Staatsstreich. Ein Leutnant wird dem Exekutionskommande zugeteilt, doch er unterstützt die Putschisten und entscheidet sich mit seiner Frau zum rituellen Selbstmord, dem Seppuku. Diese einfachen Hintergründe erfahren wir mittels einer Schriftrolle, denn Patriotism ist ein Stummfilm, begleitet allein vom „Liebestod“ aus Richard Wagners Tristan und Isolde.
Yukio Mishima drehte diesen 30-minütigen Kurzfilm in zwei Tagen auf Basis seiner eigenen, vier Jahre zuvor verfassten Kurzgeschichte und spielt dabei auch gleich selbst die Rolle des Leutnants. Wobei „spielen“ schon fast zuviel gesagt ist, denn eigentlich besteht sein Auftritt hauptsächlich darin, auf einer Noh-Bühne sitzend sich den Magen aufzuschlitzen. Darstellerisch wird der Film vor allem von seiner Frau Reiko (Yoshiko Tsuruoka) getragen.
Tony Rayns vertritt die Auffassung, dass Mishima mit Patriotism vor allem seine Bekanntheit in Europa und den USA steigern wollte, weshalb der Film seine Premiere auch nicht in Japan sondern in Paris hatte. Diese These lässt sich durch eine ganze Reihe von Besonderheiten des Films und der Situation Mishimas untermauern. Zunächst zur Person Mishimas: In Japan gehörte er seit den 50er Jahren zu den bekanntesten Schriftstellern, er galt sogar als Kandidat für den Literaturnobelpreis. Doch er betrachtete sich offenbar als Gesamtkunstwerk und arbeitete stetig an seinem Ruf des schillernden, absonderlichen Genies und bediente sich dazu der verschiedensten Gags bis hin zu sadomasochistischen Nacktaufnahmen. Doch dieser Ruf war vorwiegend auf Japan beschränkt.
Ein in seiner Radikalität aufsehenerregender Kurzfilm wie Patriotism passte da als „Werbeclip“ in eigener Sache natürlich bestens ins Konzept. Mishima schrieb sogar selbst die englischen, französischen und deutschen Fassungen der erläuternden Schriftrollen und verzichtete in der filmischen Umsetzung seiner Kurzgeschichte auch auf deren ausgeprägten Realismus. Statt dessen verlegte er das Setting in den hochgradig stilisierten Rahmen einer Noh-Bühne. Auch die Verwendung von Wagners „Liebestod“ als Soundtrack deutet darauf hin, dass der Film für ein westliches Publikum möglichst einfach zugänglich sein sollte.
Diese einfache Zugänglichkeit soll jedoch vor allem den Weg bereiten für die einerseits schockierende Darstellung des Selbstmords, bei dem natürlich das Blut in Strömen fließt und auch die Gedärme nicht fehlen dürfen, der andererseits aber zugleich moralisch überhöht und idealisiert wird. Reikos Tränen angesichts ihres sterbenden Mannes könnten sowohl Tränen der Trauer wie der Rührung oder des Stolzes sein.
Patriotism könnte man als harmlosen und nicht weiter beachtenswerten Marketinggag eines Egomanen abtun, wären da nicht die grandios fotografierten Schwarzweissbilder und die bedenkliche reaktionär-nationalistische Botschaft. Denn ganz im Gegensatz zum wenige Jahre zuvor gedrehten Meisterwerk Harakiri von Masaki Kobayashi, in dem die eigentliche Bedeutung, der tiefere Sinn des rituellen Selbstmords im Kontrast zu dessen Instrumentalisierung durch die Mächtigen betrachtet wird, sieht Mishima den Akt an sich als Statement, und zwar vor allem als eines im Dienst des Kaisers. Dazu passt auch die Inszenierung seines eigenen, wirklichen Selbstmords, den er 1970 nach der gescheiterten Besetzung des Hauptquarties der japanischen Armee verübte, und der bis heute von rechtsextremen Gruppierungen als Heldentat verehrt wird.
Patriotism sorgte für erhebliches Aufsehen, nicht zuletzt wegen der schockierenden Darstellung des Selbstmords (bei den Aufführungen in Frankreich sollen Zuschauer in Ohnmacht gefallen sein). Insofern war der Film aus Sicht des Regisseurs sicher ein Erfolg, aus heutiger Sicht ist er aber vor allem ein Dokument des Narzissmus des Künstlers und der ideologischen Überhöhung eines grausamen Rituals.