Byebye 1blu

Für diejenigen, die in den letzten Tagen versucht haben, Japankino aufzurufen und eine Fehlermeldung (oder eine Wiese mit Countdown) bekommen haben: Ich habe die Domain über Weihnachten zu einem neuen Provider umgezogen, hatte endgültig genug von 1blu. Mal sehen, ob Strato besser ist, die Verwaltung der Domains, Datenbanken etc. ist auf jeden Fall schonmal komfortabler und übersichtlicher gelöst, und schlechter kann der Service auch nicht sein. Aber lassen wir das, jetzt geht es darum, das Jahr produktiv zu beschließen und das neue Jahr mit Schwung einzuleiten!

Es gibt viel zu tun! 🙂

PS: Da ich jetzt schonmal die Finger unter der Motorhaube habe, werde ich auch gleich versuchen, die WordPress-Installation zu aktualisieren. Also nicht wundern, wenn’s manchmal noch ein bisschen knirscht oder irgendwas komisch aussieht.

Original: Onna ga kaidan wo agaru toki, (1960) von Mikio Naruse

1960 war ein sehr produktives Jahr für Naruse, nicht weniger als vier Filme brachte er auf die Leinwand. Bei zwei dieser Filme bietet sich ein direkter Vergleich an, um das Spannungsfeld, in dem Naruse arbeitete, zu verdeutlichen. Los geht’s mit When a woman ascends the stairs, seinem wahrscheinlich bekanntesten Werk überhaupt, der zweite Teil ist dann die Rezension zu Daughters, wives and a mother.

Keiko (Hideko Takamine), eine junge Witwe, arbeitet als Barhostess in Ginza. Jeden Tag steigt sie die Stufen zur Bar hinauf und überwindet sich, den verhassten Job zu tun. Sie ist gut, sehr gut, aber ihre etwas konservativen Ansichten und die Weigerung, mit Kunden intim zu werden, verhindern größeren finanziellen Erfolg. Doch genau diese Distanziertheit, um nicht zu sagen „Unbeflecktheit“, macht auch einen Teil ihrer Anziehungskraft aus und bringt ihr bei ihren Kolleginnen, Kunden und dem Barmanager Komatsu (Tatsuya Nakadai) Respekt und Anerkennung. Ihre einzigen möglichen Auswege aus dem verhassten Hostessen-Leben wären die Ehe oder eine eigene Bar, doch die Versuche, das Geld für die Bar zusammen zu bekommen, scheitern an ihrer Weigerung, reichen Kunden zu Willen zu sein – und daran, dass sie nebenbei auch noch ihre Familie unterstützt.

Dann ergibt sich plötzlich die lang ersehnte Gelegenheit: Ein Kunde, mit dem sie sich gut versteht, hält um ihre Hand an. Doch Keikos Freude ist kurz: Sie muss erfahren, dass ihr Ehemann in spe ein verheirateter, mittelloser Schwindler ist, der ständig anderen Frauen Heiratsanträge macht. Für Keiko bricht eine Welt zusammen, sie fühlt sich gedemütigt, die Situation ist hoffnungsloser als je zuvor. In ihrer Verzweiflung betrinkt sie sich und öffnet Fujisaki (Masayuki Mori), einem alten Kunden den sie wirklich liebt, ihr Herz. Auch er gesteht ihr seine Liebe und entgegen all ihrer Prinzipien verbringt sie die Nacht mit ihm.

Doch der nächste Nackenschlag folgt postwendend: Fujisaki erklärt Keiko, dass er am nächsten Tag nach Osaka versetzt wird und dass er nicht den Mut hat, seine Familie ihr zuliebe aufzugeben. Nun ist sie völlig alleingelassen, hat noch dazu ihre Überzeugungen und Prinzipien aufgegeben und dadurch auch den Respekt und die Wertschätzung von Komatsu verspielt, der sie bei ihren Plänen immer unterstützt hatte. Schließlich fügt sie sich in ihr Schicksal: Sie verabschiedet sich am Bahnhof respektvoll und höflich von Fujisaki, und steigt die Stufen zur Bar hinauf, wo sie lächelnd die Kunden begrüßt.

When a Woman Ascends the Stairs ist neben Mother der beste Naruse, den ich bisher gesehen habe. Neben der vertrauten Thematik einer Frau, die versucht, ihrem Schicksal zu entrinnen, aber von sozialer Verantwortung (für ihre Familie), ausbeuterischen Systemen (der geldeintreibenden Barbesitzerin) und ihren eigenen Gefühlen (die von Männern ausgenutzt werden) daran gehindert wird, finden sich auch hier wieder großartig gezeichnete, absolut glaubhafte Charaktere. Trotz der Art, wie Keiko von den Männern und ihrer eigenen Familie behandelt wird, kann man ihnen nie wirklich böse sein, weil sie selbst nicht aus Bösartigkeit heraus handeln sondern selbst Gefesselte sind, die aus einer situationsgebundenen Notwendigkeit heraus das tun, was von ihnen erwartet wird.

Stellvertretend dafür steht ihre Familie, die nur das nach außen hin luxuriöse Leben sieht, das Keiko führt, und nicht begreifen will, dass dies zum einen hart erarbeitet ist, und sie zum andern darauf überhaupt nichts gibt. Statt Unterstützung und Verständnis hört sie von ihrer Familie nur Vorwürfe und Aufforderungen, zu helfen, etwa bei der notwendigen Operation ihres an Polio erkrankten Neffen. Und selbstverständlich gibt sie dem Drängen nach, ordnet ihre eigenen Pläne und ihr individuelles Streben nach Glück den Bedürfnissen der Familie unter.

Dieses Gefangensein in gesellschaftlichen Zwängen, persönlichen Erwartungen und zwischenmenschlichen Rollen ist das große Thema Naruses, und in keinem anderen seiner Filme hat er dies so kristallklar auf den Punkt gebracht, gerade auch visuell. Denn in vielen seiner Filme werden seine Charaktere in enge Gassen und dunkle Korridore gezwängt, doch das Bild der langsam die Treppe hinaufsteigenden Keiko erinnert wie kein anderes an ein düsteres Gefängnis, ja, an den Aufstieg zum Schafott.

Damit sind wir auch schon bei einem der Faktoren, die When a woman ascends the stairs zu einem selbst für Naruse herausragenden Film machen. Die meisten seiner Filme sind nämlich relativ „unscheinbar“ in dem Sinne, dass sie nicht durch eine spektakuläre, bemerkenswerte Bildsprache gekennzeichnet sind. Hier dagegen nutzen Naruse und sein Kameramann Masao Tamai das Widescreen-Format für brillante Kompositionen und beeindruckende Bilder, von denen sich mir einige unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt haben.

Ein weiteres Beispiel dafür wäre die Szene, in der Keiko durch die Frau ihres „Bräutigams“ von dem Heiratsschwindel erfährt, dem sie aufgesessen ist. Zunächst sehen wir die beiden sich unterhaltenden Frauen in der Halbtotalen, dann Keiko in Großaufnahme, wie sie realisiert, dass sie gedemütigt wurde, dass alle Hoffnungen und ihre Freude auf Lügen basierten. Schnitt auf eine Totale, die beiden Frauen mitten in einer kargen Industriebrache, rauchende Schornsteine im Hintergrund: Symbol für Keikos Isolation, Einsamkeit, Verzweiflung und die Ausweglosigkeit ihrer Situation. Ein echter Gänsehaut-Moment!

Gleiches gilt natürlich die Schlussszene, als Keiko wie unter einem tonnenschweren Gewicht leidend die Treppenstufen zur Bar und damit zurück in ihr altes, verhasstes Leben hinaufsteigt, die Tür öffnet und aus dem Nichts das bezauberndste Lächeln aufsetzt, das man sich vorstellen kann.

[Hinweis: Dies ist die überarbeitete und erweiterte Fassung eines Artikels, der ursprünglich am 9. März 2007 gepostet wurde.]

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Karigurashi no Arrietty der nächste Film aus dem Studio Ghibli sein wird, und dass Hiromasa Yonebayashi damit sein Regiedebut geben wird. Das große Geheimnis um den nächsten Regisseur im Hause Ghibli war damit gelüftet, aber wird damit endlich auch die Nachfolgefrage der beiden Altmeister angegangen?

Das inzwischen zur Ikone gewordene Studio Ghibli wurde 1985 ursprünglich mal gegründet, um den beiden Animationsgenies Hayao Miyazaki und Isao Takahata die Umsetzung ihrer außergewöhnlichen Qualitätsansprüche zu ermöglichen. Mit hoher Qualität kommen aber immer auch hohe Kosten, daher waren die Projekte sehr riskant und in den frühen Jahren nach der Gründung hätte daher nach jedem Film Schluss sein können.

Das begann sich ab 1989 zu ändern: Kikis kleiner Lieferservice war der erfolgreichste japanische Film des Jahres, gleichzeitig begann Ghibli regelmäßige Umsätze mit Totoro-Merchandising zu machen. Das ermöglichte eine bis dahin einzigartige Personalstrategie: Anders als bei anderen japanischen Animationsstudios wurden Zeichner nicht mehr nach der Anzahl ihrer Zeichnungen bezahlt und immer nur für die Dauer eines Projekts beschäftigt. Statt dessen ging Ghibli dazu über, seine Zeichner fest anzustellen, ein regelmäßiges Gehalt zu zahlen und in die Ausbildung seiner Mitarbeiter zu investieren. Dieser Strategiewechsel war im Einklang mit dem Anspruch des Studios, allerhöchste Qualität zu produzieren.

Trotz dieser einzigartigen Personalpolitik des Studios schien sich aber lange Zeit an der Konzentration auf Hayao Miyazaki und Isao Takahata als den führenden kreativen Köpfen nichts zu ändern. Yoshifumi Kondo, der 1995 sein Regiedebut mit Whisper of the Heart gegeben hatte, starb 1998 in jungen Jahren unerwartet an einem Aneurysma. Miyazakis Sohn Goro versuchte sich in den letzten Jahren ebenfalls als Regisseur, sein Spielfilmdebut Gedo Senki enttäuschte allerdings viele Ghibli-Fans und warf angesichts des fortgeschrittenen Alters von Miyazaki Senior (geboren 1941) und Takahata (1935) Fragen zur Zukunft des Studios auf. Hatte Ghibli es versäumt, die unbestritten im Studio vorhandenen Talente zu fördern und aufzubauen?

Anscheinend haben die Studio-Bosse diese Gefahr auch gesehen. Die Wahl des Regisseurs für Karigurashi no Arrietty schien laut Toshio Suzuki zwar sehr spontan auf Yonebayashi gefallen zu sein, aber dafür wird er ganz behutsam aufgebaut:1996 war er zum Ghibli-Team gestoßen und hatte zunächst als Inbetweener gearbeitet, bevor er Key-Animator und bei Gedo Senki schließlich Regieassistent wurde.

Trotz dieser Mitarbeit an mehreren Großprojekten ist Yonebayashi mit 36 Jahren immer noch sehr jung (der jüngste Regisseur in der Geschichte des Studios), die Wahl könnte also riskant gewesen sein. Dafür wird er offenbar stark von Hayao Miyazaki unter die Fittiche genommen: Das Projekt wurde von Miyazaki vorbereitet, der auch zusammen mit Keiko Miwa das Drehbuch schrieb. Es wurde ein Produktionsprozess gewählt, der Yonebayashi bei seinem Debut entlasten sollte und auch aus der Presse wird er konsequent herausgehalten. Ich bin schon sehr gepannt, ob dieses Debut vielleicht einen Blick in die Zukunft von Ghibli wird, die Voraussetzungen scheinen jedenfalls günstiger als bei Goro Miyazaki, der ja ziemlich ins kalte Wasser geworfen wurde.

PS: Der Film Karigurashi no Arrietty basiert übrigens auf Mary Nortons Romanreihe „Die Borger“ und wird die Geschichte der 14jährigen Borgerin Arrietty erzählen. Allein auf Grund der bekannten Vorlage dürfte der Film also gute Chancen auf dem internationalen Markt haben.

Original: Shiawase no kiiroi hankachi (1977) von Yoji Yamada

Zwischen den Folgen 19 und 20 der „Tora San“-Reihe drehte Yoji Yamada noch schnell – basierend auf einer Erzählung von Pete Hamill – ein mit nicht weniger als 27 Preisen überschüttetes Roadmovie. Darin macht sich der von seiner Freundin sitzen gelassene Kinya (Tetsyua Takeda) mit seinem fahrbaren Untersatz auf nach Hokkaido, wo er an einem Bahnhof die Touristin Akemi (Kaori Momoi) aufliest. Genau wie Kinya hat auch sie gerade eine zerbrochene Beziehung hinter sich. Zu den beiden stößt dann noch Yusaku (Ken Takakura), der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Die drei könnten kaum unterschiedlicher sein: Während Kinya ein groß geratenes, gutherziges Kind ist, allzeit den Clown spielt und kaum weiter als bis zum Lenkrad in seinen Fingern denkt, ist Akemi völlig verunsichert und labil, mal in sich gekehrt, mal jauchzend und dazwischen der eine oder andere Heulanfall. Yusaku betrachtet die beiden jungen Leute anfangs mit offensichtlicher Skepsis und schweigt und grübelt die ganze Zeit vor sich hin. Als einziger der drei scheint seine Reise allerdings ein Ziel zu haben, das einerseits eine magische Anziehungskraft auf ihn ausübt, vor dem er sich aber auch zu fürchten scheint.

Immer wieder reiben sich die drei aneinander, kabbeln sich, stehen kurz davor, getrennter Wege zu gehen und wollen – oder können – dann doch nicht auf einander verzichten und raufen sich wieder zusammen. Als bei einer Polizeikontrolle auf der Landstraße Yusaku eingesteht, dass er wegen Totschlags im Gefängnis war, und anschließend seinen beiden Begleitern das Geheimnis hinter seinem Reiseziel offenbart, nimmt der bis dahin langsam vor sich hinfließende Film richtig Fahrt auf.

Im Kern des Films, auf den sich auch der Titel bezieht, steht letztlich Yusakus Geschichte. Seine Einführung ist auch gleich einer der ersten Höhepunkte und ein Paradebeispiel für die simplen, unaufdringlichen Mittel mit denen Yamada seine Charaktere ausformt: Gerade aus dem Knast entlassen geht Yusaku in der Stadt in ein kleines Restaurant, bestellt Ramen und ein Bier. Als das Bier serviert wird, umklammert er mit zitternden Händen das Glas und stürtzt es in einem Zug hinunter. Er kostet zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Freiheit, den Geschmack hat er schon fast vergessen, doch der fühlt sich offenbar gut an. Takakura spielt wunderbar und einige der 27 Preise des Films gingen an ihn für seine Leistung.

The Yellow Handkerchief lässt uns viel Zeit, die drei Hauptcharaktere kennenzulernen und angesichts der kleinen, ungekünstelten, erfreulich menschlichen Details, die Regisseur Yamada während der Reise einstreut, nehmen wir uns diese gern. Es macht einfach Spaß, den dreien zuzusehen, wie sie – verunsichert wie sie alle sind – sich langsam aneinander herantasten und sich dabei auch mal auf die Füße treten. Aber letztlich ist es kein Zufall, dass sie in einem Mazda der Modellreihe Familia unterwegs sind: Sie lernen, zu vergeben und füreinander da zu sein und überwinden so gemeinsam ihre Einsamkeit.

Das gelbe Taschentuch, das dem Film seinen Titel gibt, wird so am Ende zu einem Symbol der Hoffnung. Dabei kommt The Yellow Handkerchief trotz des Happy-Ends, bei dem wohl fast jeder die eine oder andere Träne verdrücken dürfte, völlig ohne die unnötig kitschigen, sich wie Kaugummi ziehenden „Jetzt bitte Taschentuch rausholen“-Momente aus, von denen wir leider in so vielen Filmen geplagt werden. Ein Feelgood-Movie im allerbesten Sinne, der zugleich auch noch Tiefe hat – Regisseur Yamada ist hier wirklich ein kleiner, feiner Film für die Ewigkeit gelungen.

Vor ein paar Tagen habe ich nebenbei aufgeschnappt, dass ein mir bisher nicht bekanntes asiatisches Filmfest, die Asiexpo in Lyon, in diesem Jahr wohl zum letzten Mal stattfindet. Die Gründe scheinen, so mich die Überbleibsel meines Schulfranzösisch nicht in die Irre führen, hauptsächlich wirtschaftlicher Natur zu sein. Gerade mal 8000 Euro will die staatliche Kulturförderung für das Festival wohl noch locker machen, angesichts der Größe und Wirtschaftskraft der Stadt ein lächerlich niedriger Betrag.

Und doch ist das eine Situation, die ich vom JFFH nur zu gut kenne. Als nicht-kommerzielles Nischenfestival sind auch wir sehr stark auf Förderung mit staatlichen Mitteln angewiesen und wir sind sehr froh, dass wir uns bisher auf diese Unterstützung verlassen konnten. Aber die Stadt Hamburg ist als Handelsstadt von der Wirtschaftskrise natürlich besonders betroffen, so dass auch hier um jeden Euro gekämpft werden muss.

Angesichts solcher Nachrichten (oder auch angesichts des Cineasia Filmfest, das schon vor zwei Jahren eingestellt wurde) macht man sich natürlich schon seine Gedanken: Wie stellen wir sicher, dass es dem JFFH nicht genauso geht? Wie sieht die Zukunft von Filmfesten und speziell asiatischen Filmfesten aus?

Mit der ersten Frage beschäftigt sich zugegebenermaßen nur eine überschaubare Gruppe von Menschen, aber die Zukunft der Filmfeste war im Frühjahr Thema der 54. Ausgabe von Schnitt, in der mehrere Festivalmacher aus aller Welt ihre Meinung und ihre Prognosen schilderten. Vielen der dort zu Papier gebrachten Gedanken kann ich nur zustimmen, zum Beispiel auch diesen beiden Zitaten (die ich abgetippt habe, also bitte die Typos ignorieren):

Ein Filmfestival muß wahre Interventionskraft auf das Kino ausüben können, indem es die Anerkennung eines Filmemachers oder das Erscheinen eines Landes auf der Karte des Weltkinos vorantreibt oder begünstigt. Eine Rolle, die lange der Kritik zugefallen war und die diese seit einem Jahrzehnt an die Verantwortlichen der großen, einflußreichen Festspiele abgegeben hat. (Olivier Père, Festival de Cannes)

Wenn kleine Festivals überleben sollen, muß man daher eingestehen, daß ihre Funktion nicht notwendigerweise die eines Profiterzeugers ist, sondern die eines Fürsprechers: aufzuzeigen, warum die Arbeit verkäuflich ist und der Künstler weitere Aufträge verdient; zu fördern, zu interpretieren, zu kontextualisieren und, dies ist entscheidend, diejenigen Künstler zu unterstützen, deren Werke vielleicht kommerziell riskant oder sogar unhaltbar sind, aber künstlerisch bedeutsam. Dies ist von allerhöchster Wichtigkeit. (Adam Pugh, Aurora Filmfest)

Natürlich sollen Festivals Vorreiter sein, neue, innovative Kräfte fördern und vergessene Juwelen ans Tageslicht fördern. Die Frage nach dem Profit, den man aus einem Filmfest zieht, stellt sich aber nunmal unausweichlich vor allem bei Sponsoren aus der Privatwirtschaft, und ohne die geht heutzutage auch bei kleinen Festivals kaum noch etwas. Insofern finde ich die Aussage, Festivals sollten nicht als Profiterzeuger sondern als Fürsprecher gesehen werden, natürlich richtig, zugleich angesichts der wirtschaftlichen Realitäten aber auch ein Stück weit naiv.

Sehr interessant fand ich die folgende Beobachtung:

Auch in Deutschland hat es in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante Zunahme von Filmfestivals gegeben, allein seit 1990 sind an die 30 größere und kleinere neue Veranstaltungen entstanden. Neben ihrer Bedeutung als weiche Standortfaktoren spielen viele von ihnen kaum eine Rolle in der kommerziellen Filmverwertung. Gleichwohl erfüllen sie aber den ursprünglichen kulturellen Auftrag: das Sichtbarmachen von Filmen, die kaum eine Chance in deutschen Kinos haben, die Begegnung von Publikum und Künstlern, die Begegnung mit internationaler Filmkunst. Gerade diese Festivals sind es, die in den letzten 10-15 Jahren immer öfter die Lücke geschlossen haben, die durch das Verschwinden kommunaler oder Programmkinos entstanden ist. So stellen Filmfestivals einen wichtigen Faktor dar, um das Kino als Ort der Begegnung mit Filmkultur zu stabilisieren und ein neugieriges Kinopublikum zu fördern.  (Silke Johanna Räbiger, Internationales Frauenfilmfestival Dortmund)

Am Kinosterben führt kein Weg vorbei, allein in der Zeit, die ich in Hamburg lebe, wurde hier jedes Jahr ein Kino geschlossen. Dass Festivals ein Stück weit diese Lücke füllen könnten, ist ein interessanter Gedanke. Vor allem für die großen Kinoketten, die selbst kein Programmkino bieten, könnte es perspektivisch durchaus interessant werden, mit Nischenfestivals zusammenzuarbeiten, um ohne großen eigenen Aufwand ein (zahlungskräftiges?) Publikum zu erreichen, das sonst die Mainstream-Multiplexe eher meidet. Und ganz nebenbei könnte ein austauschbares Multiplex durch ein solches Festival auch den Ruf aufpolieren.

Auf die Frage, ob Festivals in einer Welt mit vielen Plattformen, in der die meisten Filme elektronisch gesehen werden, bereits anachronistisch sind, würde ich mit einem vorsichtigen Nein antworten. (Sandra Hebron, BFI Film Festival)

Beim JFFH machen wir zwar auch die Erfahrung, dass viele Fans gerade von Anime sich nicht für Festivals interessieren, weil sie sich ihre Filme/Serien aus dem Netz besorgen. Aber ich bin überzeugt, dass der soziale Aspekt des Festivals als geteiltes, gemeinsam erlebtes Ereignis, durch nichts ausgeglichen werden kann. Wenn es aber zunehmend vor allem dieser „Event-Charakter“ ist, der das Besondere an Festivals ausmacht, weil die Filme im Sinne des Long Tail immer auch irgendwo in den Tiefen des Netzes gefunden und gesehen werden können, dann müssen Festivals dieses Alleinstellungsmerkmal hegen und pflegen. Und mehr noch:

Wenn es den Filmfestivals nicht gelingt, ihr Produkt zu entwickeln und den sozialen Mehrwert eines Filmfestivals nachhaltig und überzeugend zu formulieren, werden sie verzichtbar. Filmfestivals müssen lernen, die Beschränkung auf Ort und Zeit zu überwinden; sie müssen Bücher und DVDs machen, Partys und Konferenzen, sie müssen das bessere Fernsehen sein und die bessere Universität. (Lars Henrik Gass, Kurzfilmtage Oberhausen)

Ich glaube, dass diese Weiterentwicklung von Filmfesten zur „Marke“, die in verschiedenen Lebensbereichen vertreten und aktiv ist, ein zentraler Baustein ist, um die Zukunft eines Filmfestes zu sichern. Deshalb sind wir beim JFFH seit diesem Jahr auch bemüht, mehr als nur Filme zu bieten, das Rahmenprogramm auszuweiten, den Erlebnisfaktor zur erhöhen und unsere Besucher, Gäste und Filmfans stärker am Filmfest zu beteiligen und zu integrieren.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wird für uns sein, dass wir bald einen Filmfest-Blog starten werden, der sowohl einen Blick hinter die Kulissen des JFFH als auch einen Einblick in die japanische Kultur erlauben wird. Erstaunlicherweise habe ich bisher praktisch keine vergleichbaren Blogprojekte von Filmfesten gefunden, wir scheinen an dieser Front also schonmal Vorreiter zu sein. Wenn uns das darüber hinaus auch noch im einen oder anderen Bereich gelingt, dann ist mir nicht länger bange um die Zukunft meines geliebte JFFH!

Nicht nur, dass nochmal pünktlich zu Weihnachten einige neue DVD-Releases in den Handel kommen, der japanophile DVD-Sammler kann auch noch das eine oder andere Schnäppchen mitnehmen. Daher hier ein kurzes Update in Sachen Weihnachtsgeschenke 🙂

Beispielsweise hat Amazon.com den Vorbestellpreis der AK100-Box nochmal gesenkt, auf aktuell 284,99 US-$. Außerdem gibt es gerade Winterangebote aus der „Masters of Cinema“-Reihe  bei Eureka, unter denen besonders der 70% Rabatt der Naruse-Box heraussticht. Außerdem gibt es die beiden Ichikawas Kokoro und Alone across the Pacific günstig zu haben, die allerdings auch bei Amazon.uk kaum teurer sind.

Original: Yotsuya kaidan (1965) von Shiro Toyoda

Der verarmte Ronin Iyemon (Tatsuya Nakdai) ist von Ehrgeiz zerfressen und schreckt nicht davor zurück, seine Frau Oiwa (Mariko Okada) wegen der Aussicht auf eine Ehe mit der Tochter eines wohlhabenden Händlers zu vergiften. Doch Oiwa verflucht ihren hinterhältigen Ehemann und sucht ihn und seine Eingeweihten fortan als Geist heim.

Erstes Opfer wird seine neue Frau, die er in der Hochzeitsnacht selbst mit dem Schwert niederstreckt weil sie für eine Sekunde die Gestalt Oiwas annimmt. Doch damit geht das Blutvergießen erst richtig los, als nächstes sind weitere Beteiligte an der Vergiftung dran, die Iyemon alle im Wahn ermordet. Auch er selbst fällt durch sein eigenes Schwert, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Das war die absolute Kurzfassung der etwas konfusen Story, die noch eine ganze Reihe weiterer Nebenhandlungen enthält, allen voran die von Oiwas Schwester, die ebenfalls Opfer einer großen Lüge wird. Etwas unübersichtlich bleibt außerdem vor allem Iyemons Motivation, die manchmal ein krankhafter, übersteigerter Ehrgeiz zu sein scheint und manchmal einfach nur eine Art kindische Bosheit, wie ein kleiner Junge der Käfern die Beine ausreißt. Dass er sich dabei unter schlechtem Einfluss verändert, wie in manchen Rezensionen zu lesen, konnte ich im Film nicht erkennen.

Oiwa wird gleich in der Einführung als eine geisthafte Erscheinung gezeigt, als Iyemon glaubt, sie zwischen einer Reihe rotierender Regenschirme zu sehen. Dieses Motiv taucht später immer wieder auf, bis es sich ganz am Schluss fast identisch wiederholt, nur dass die weißen Regenschirme durch einen eingeschneiten Garten ersetzt werden.

Tatsuya Nakadai dürfen wir wieder mal in der Rolle des langsam aber sicher dem Wahnsinn verfallenden, ruchlosen Mörders bewundern. Seine Performance wirkt hier teilweise wie ein Warmlaufen für den im Folgejahr entstandenen Sword of Doom, so ähnlich sind sich die Rollen speziell im letzten Drittel des Films. So wirkt Illusion of Blood wie eine Mischung aus Ugetsu Monogatari und Sword of Doom, ohne aber auch nur nahe an die Qualität einer dieser beiden FIlme heranzukommen.

Cinematographisch ist Illusion of Blood ordentlich umgesetzt und er bietet auch solide Unterhaltung. Interessant dürfte der Film vor allem vor dem Hintergrund der Geistergeschichten sein, die in Japan eine große Tradition haben; wer sich damit beschäftigen will dürfte hier einen guten Einstieg ins Genre haben (das ich zugegebenermaßen nicht wirklich kenne). Ansonsten hat der Film abgesehen von ordentlicher Handwerksarbeit nicht allzu viel zu bieten.

Heute hat mich Tobias darauf hingewiesen, dass zwei Klassiker des japanischen Films in den nächsten Wochen in Karlsruhe auf der großen Leinwand zu sehen sind, und zwar auf einer ganz besonderen, nämlich der der Schauburg. Ach ja, die gute alte Schauburg, mit der ich eine ganze Reihe denkwürdiger Kinoerlebnisse verbinde, wie den Besuch von Men in Black mit Freunden, alle von uns in schwarzem Anzug, Hemd und Krawatte. Oder die Jubiläums-Ausgabe der ersten und einzig wahren Star Wars Trilogie. Den Bildern nach zu urteilen hat sich die Schauburg ganz schön verändert seitdem… aber ich schweife ab!

Kommen wir zu den Filmen:

(An dieser Stelle ein kurzes Wort an den Verleiher Kool: Super, dass ihr den Film in die deutschen Kinos bringt, aber welcher Teufel hat euch geritten, einen so bekannten Titel eines Oscar-Preisträgers durch einen deutschen Titel ohne jeden Wiedererkennungswert zu ersetzen? Ich meine, sogar die Domain wäre noch zu haben gewesen!)

Aber das soll niemanden aufhalten! Also an alle Liebhaber japanischer Filme im Südwesten: Auf in die Schauburg!