10 Sep
Die gerade zu Ende gegangene Biennale hatte ihren Überraschungsieger: Nachdem Ang Lee bereits vor zwei Jahren mit Brokeback Mountain den goldenen Löwen gewonnen hatte, konnte er diesen Erfolg nun mit seinem – vor allem wegen seiner hart an der Grenze zur Pornographie liegenden Sexszenen – debattierten Spionagedrama Lust, Caution wiederholen.
Weniger erfolgreich, aber für Japancineasten umso interessanter, war die Aufführung von Takashi Miikes neuestem Streich Sukiyaki Western Django. Björn hat jetzt als meines Wissens erster Blogger eine deutsche Review online gestellt. [Ja, ich bin mir bewusst, dass ich für eine deutsche Filmbesprechung einen Anglizismus verwende, und auch, dass das einer gewissen Ironie nicht entbehrt.] Großartigerweise hat er auch gleich noch das Echo in der Presse zusammengetragen, das wohl nicht zuletzt wegen des Mitwirkens von Quentin Tarantino für einen japanischen Film erstaunlich umfangreich ausfiel.
8 Sep
Original: Tsuma yo bara no yo ni (1935) von Mikio Naruse
Nicht nur, dass Wife! Be like a rose! der erste von insgesamt fünf (!) Filmen war, die der junge Naruse im Jahr 1935 drehte, er war auch der erste japanische Film überhaupt, der in den USA aufgeführt wurde. Naruse und seine Hauptdarstellerin Sachiko Chiba wurden später übrigens auch privat ein Paar.
Sie spielt Kimiko, eine junge Büroangestellte, die mit ihrer Mutter, einer Dichterin, zusammen wohnt und gern ihren Freund heiraten möchte. Zur Anbahnung der Hochzeit müsste jedoch Kimikos Vater Shunsaku (Sadao Murayama) die Eltern des Bräutigams treffen. Doch Shunsaku lebt bereits seit langer Zeit mit einer ehemaligen Geisha zusammen auf dem Land, worunter Kimikos Mutter, immerhin seine angetraute Ehefrau, sehr leidet. So entschließt sich Kimiko, ihren Vater zu besuchen und zur Rückkehr nach Tokyo und zu seiner „wahren“ Familie zu überreden.
Vor Ort muss sie jedoch erfahren, dass die Dinge in Wirklichkeit ganz anders sind, als sie aus der Ferne wirkten. Die ehemalige Geisha nutzt keineswegs Shunsakus Großzügigkeit auf Kosten seiner „eigentlichen“ Familie aus. Ganz im Gegenteil, sie arbeitet hart, um den erfolglosen Goldschürfer zu unterstützen und bietet ihm genau das einfache, ursprüngliche Familienleben, das ihm seine intellektuelle, zur Trübsal neigende erste Frau nicht bieten konnte. Dennoch erklärt er sich bereit, Kimiko nach Tokyo zu begleiten, um ihre Hochzeit in die Wege zu leiten. Für eine kurze Zeit scheint es Kimiko, als würde ihr Traum von Familienglück nun wahr werden. Doch sie muss erkennen, dass ihre Eltern einfach nicht zusammenpassen.
Wie gewohnt zeichnet Naruse seine Charaktere mit viel Liebe zum Detail und schafft es ganz ohne plakative Effekte, den Zwiespalt, in dem sowohl Kimiko als auch ihr Vater gefangen sind, glaubhaft und eindringlich zu inszenieren. Dabei erweist dich die junge Kimiko nicht nur als sehr moderne Frau (wie auch der ganze Film sehr modern wirkt), sondern auch als reife Persönlichkeit, die erkennt und versteht, dass es für ihren Vater kein Zurück mehr gibt.
Die letzte Einstellung zeigt Kimikos allein und verlassen zurückbleibende Mutter, die tragische Figur des Films. Sie ist nunmal wer und was sie ist, und kann allein deshalb Sunsaku nicht das geben, was er zum Glücklichsein braucht. So ist sie zum Leiden verdammt, ohne dass sie oder sonst jemand etwas dafür könnte. Das Leben ist manchmal einfach grausam.
Wife! Be like a rose! ist der erste Vorkriegsfilm Naruses, den ich bisher gesehen habe. Einige typische Elemente seiner späteren Filme sind sofort wiederzuerkennen: Die Szenen mit von Häusern eingefassten Straßenzügen, die Kontrastierung von Stadt und Land, der Enge und der Weite, sowie kurze Großaufnahmen von Objekten, etwa um eine bestimmte Stimmung zu transportieren.
Als ungewöhnlich fielen mir dagegen zahlreiche Einstellungen auf, in denen der Blick auf die Personen durch Objekte im Vordergrund teilweise verdeckt ist. Ich interpretiere dies als eine Anknüpfung an die Botschaft des Films, nämlich dass man Personen nicht auf Grund von Hörensagen und Vermutungen basierend aus der Ferne beurteilen kann, sondern dass dazu immer das direkte, persönliche Erleben, also quasi der unverstellte Blick, gehören.
Bemerkenswert außerdem die häufig niedrig positionierte Kamera, so dass wir als Zuschauer oft regelrecht an den Personen hinaufschauen müssen. In manchen, in geschlossenen Räumen spielenden Szenen erinnert dies stark an Ozus typischen Stil der sitzenden Perspektive. Doch Naruse verwendet sie auch in einigen anderen Szenen. Am auffallendsten ist dies bei der Begegnung von Kimiko und ihrem Vater. Auf offenem Felde stehend unterhalten sich die beiden, wobei wir sie in einer klassischen shot-reverse-shot Konstellation zu sehen bekommen. Allerdings scheint der Kameramann seine Kamera dabei unter dem Arm gehalten zu haben.
Dadurch, dass wir zur freudestrahlenden Kimiko und ihrem ebenfalls überglücklichen Vater aufsehen, beide Personen gegen den Himmel gezeigt werden, entsteht ein regelrecht erhebendes Gefühl. Das Wiedersehen von Vater und Tochter, der emotionale Höhepunkt des Films, wird so auch visuell unterstrichen.
Anscheinend war der junge Naruse recht experimentierfreudig und versuchte sich an verschiedenen Stilmitteln. Ob die genannten sowie weitere Mittel in seiner frühen Schaffensphase häufig eingesetzt wurden, werde ich schon bald etwas genauer einschätzen können. Als nächstes steht nämlich Street without end auf meiner Liste, der unmittelbar vor Wife! Be like a rose! entstand.
Am 1. September startete Evangelion 1.0 – You are (not) alone in den japanischen Kinos und übernahm mit einem Einspielergebnis von 280 Mio. Yen (1,8 Mio. Euro) auch gleich die Spitze der Box Office Charts. Und das, obwohl Toho KlockWorx nur 84 Kopien des Films zum Start auflegte, wie Mark Schilling berichtet. Zum Vergleich: Hollywood-Blockbuster starten in den USA gewöhnlich mit mehreren Tausend Kopien, und allein in Tokyo dürfte es mehr als 84 Kinos geben.
Bedenkt man dazu die große Heimlichtuerei, die Toho KlockWorx und das Produktionsstudio Gainax vorher um das Mammutprojekt der Neuauflage des Anime-Klassikers Neon Genesis Evangelion betrieben haben, stellt ich mir die Frage, ob hier eine Strategie der künstlichen Verknappung vorliegt. Ziel könnte es sein, den Hype um den Film dadurch zu steigern, dass das Sehen des Films einerseits ein Muss ist, gleichzeitig aber so wenig Tickets zur Verfügung stehen, dass man sich dafür gedulden muss.
Das wäre eine diametral andere Strategie als die von US-Studios zum Start ihrer Blockbuster angewendete. Diese versuchen üblicherweise, durch eine möglichst große Zahl von Kopien besonders gute Einspielzahlen am ersten Wochenende zu erzielen und den Film so ins Gerede zu bringen und die mediale Aufmerksamkeit zu erhöhen.
Bin mal gespannt, ob Toho KlockWorx diese Strategie konsequent weiterfährt oder ob die Zahl der Kopien bei anhaltendem Erfolg erhöht wird. Und wieviel der Film am Ende einspielt. Und wie das mit dem internationalen Release dann wird…
Update: Das endgültige Einspielergebnis lag bei 2 Mrd Yen (12,7 Mio Euro), womit er immerhin auf Rang 15 der japanischen Produktionen in diesem Jahr landete und eine Reihe von Blockbustern wie 300 oder Shrek the Third deutlich hinter sich ließ. Bei den Erlösen pro Kopie lag Evangelion 1.0 mit rund 15.000 Euro ganz vorne, die Strategie scheint also aufgegangen zu sein. Nur von einem internationalen Release hat man leider noch nichts gehört…
2 Sep
Original: Meshi (1951) von Mikio Naruse
Diese Verfilmung einer Vorlage von Fumiko Hayashi, Naruses Lieblings- schriftstellerin, an deren Drehbuch auch der spätere Literaturnobelpreisträger Yasunari Kawabata mitwirkte, war Naruses erster großer Nachkriegserfolg. Garant dafür dürfte nicht zuletzt Hauptdarstellerin Setsuko Hara gewesen sein.
Hara spielt die ursprünglich aus Tokyo stammende Hausfrau Michiyo, die nun mit ihrem Ehemann Hatsunosuke (Ken Uehara), einem unterbezahlten Wertpapierhändler, in Osaka lebt. Eines Tages kommt Hatsunosukes Nichte Satoko (Yukiko Shimazaki) zu Besuch, die von Michiyo zunächst herzlich aufgenommen wird. Das junge, ungebundene Mädchen, das noch nichts über Verantwortung und die Härten des Lebens weiß und das Leben so gut es geht genießt, führt Michiyo jedoch bald die Eintönigkeit ihres Hausfrauendaseins und ihrer Ehe eindrücklich vor Augen.
Dazu kommt die große Aufmerksamkeit, die ihr Ehemann seiner hübschen Nichte zukommen lässt, so dass Michiyo zunehmend eifersüchtig wird, ihr Leben als unerfüllt und vergeudet wahrnimmt und sich in einer Sackgasse sieht. Schließlich packt Michiyo ihre Sachen und reist nach Tokyo zu ihrer Familie, begleitet von Satoko. Hatsunosuke, der von all dem völlig überrumpelt wird, bleibt verständnislos im schnell im Chaos versinkenden Haus zurück. Michiyo ist unterdessen hin- und hergerissen zwischen der Möglichkeit, in Tokyo zu bleiben und dort eine Arbeit zu suchen, oder zu ihrem Mann in ihr altes Leben zurückzukehren.
Schließlich sind es wieder Satoko und ihr zielloses, sprunghaftes Verhalten sowie der daraus erwachsende Ärger mit ihren Eltern, die Michiyo ins Grübeln bringen und eine Entscheidung in ihr reifen lassen. Ihr wird klar, dass sie im Gegensatz zu dem jungen Mädchen ihren Platz im Leben gefunden hat und nicht noch einmal von vorn beginnen will. Wie häufig in Naruses Filmen wird dieser entscheidende Moment unter freiem Himmel in einer offenen Landschaft inszeniert und steht somit im starken Kontrast zum eingeengten Alltag der Protagonistin.
Als dann auch noch Hatsunosuke nach Tokyo kommt, vorgeblich wegen einer Geschäftsreise, und die beiden sich nach längerer Zeit wieder begegnen, löst sich die angesammelte Spannung zwischen den Eheleuten schnell und sie finden sogar ein Stück des ursprünglichen gemeinsamen Glücks wieder.
Symbolisiert wird dies durch einen gemeinsamen Besuch in einer Bar, bei dem die beiden das erste Mal im Film überhaupt gemeinsam lachend zu sehen sind. Dabei etabliert Naruse eine auffällige Parallele zu einer ganz ähnlichen früheren Szene, in der Michiyo von einem an ihr interessierten entfernten Verwandten zum Essen eingeladen wurde, zu einer Zeit, als sie noch mit dem Gedanken spielte, auf der Suche nach Glück ein neues Leben zu beginnen.
Überhaupt arbeitet Naruse in Repast sehr häufig mit parallelen Szenen, die durch mehr oder weniger subtile Abweichungen und Änderungen die sich wandelnde Stimmung der Charaktere und ihr Verhältnis zueinander unterstreichen. Sehr typisch dafür wäre etwa die Eröffnungssequenz, in der (ein Markenzeichen Naruses) die engen Straßen und kleinen Häuser des Viertels in Osaka zu sehen sind, die am Anfang sehr sympathisch, freundlich und liebenswert erscheinen. Eine spätere fast exakte Wiederholung transportiert dann aber eine komplett andere Stimmung und trägt damit zur Charakterisierung von Michiyos Leben als eintönig, freudlos und ausweglos bei.
Neben der außergewöhnlichen Fähigkeit Naruses, seinen Filmen durch die besondere Aufmerksamkeit für kleine Details eine sehr dichte Atmosphäre zu verleihen, ist es besonders die großartige Setsuko Hara, die Repast zum Leben erweckt. Indem sie die zweifelnde, am Scheideweg ihres Lebens stehende Hausfrau nicht nur glaubwürdig sondern sehr nuanciert spielt und ihr mittels ihres unnachahmlichen Lächelns in vielen Szenen etwas zutiefst rätselhaftes verleiht, wird der gesamte Film sehr wahrhaftig und unaufgesetzt.
Aus heutiger Sicht mag jedoch die durch den Schluss scheinbar vermittelte Botschaft des Films („Vielleicht liegt das Glück einer Frau ja darin, sich für ihren Mann aufzuopfern“) vielen – und da nehme ich mich nicht aus – übel aufstoßen. Allerdings bin ich mit Naruses Werken vertraut und weiß sehr wohl, dass ihm Frauenschicksale und die Frauen angetane Ungerechtigkeit sehr am Herzen liegen, weshalb ich Repast unter etwas anderen Gesichtspunkten betrachte.
Im Gegensatz zu vielen anderen Protagonistinnen Naruses ist Michiyo nämlich in der glücklichen Lage, ihr Schicksal selbst bestimmen zu können. Sie wird nicht wie die Bardame Keiko in When a Woman ascends the stairs oder wie die Witwe Yae in Summer Clouds durch äußeren Druck seitens der Familie, finanzielle Nöte oder gesellschaftliche Zwänge am Ausbrechen aus ihrem festgefahrenen Leben gehindert. Ganz im Gegenteil, Michiyos Familie ist sehr verständnisvoll und geduldig, und dass sie und ihr Mann ein eher karges Leben führen spielt keine Rolle bei ihrer Entscheidung. Sie folgt einfach ihren Gefühlen, tut das was ihr als richtig erscheint und genießt damit eine Freiheit, die fast allen anderen Frauenfiguren Naruses verwehrt blieb.
Seinen 75. Geburtstag feiert der Gigant unter den japanischen Filmstudios dieses Jahr. Marc Schilling nimmt dies zum Anlass, in einer vierteiligen Serie einen Überblick über Geschichte, Struktur und Strategie von Toho zu geben und einen Ausblick auf die Zukuft zu wagen. Ich habe mir erlaubt, jeden Teil kurz zusammenzufassen:
Teil 1: Toho remains a giant in Japanese biz
Als Teil eines gewaltigen Konzerns verfügt Toho über eigene Kinos sowie privilegierte Distributions- und Marketingkanäle und kann so seine Dominanz auf dem japanischen Markt sichern. Dabei kam der Firma auch ihr vorsichtiges, langfristiges Denken in der Boomphase der 1980er Jahre zu Gute, als Konkurrenten zu große Risiken eingingen und nach dem Platzen der Blase in Schieflage gerieten.
Teil 2: Toho sees no challengers in distribution game
Wichtiger Erfolgsfaktor ist das projektgebundene, auf production committees beruhende Produktionssystem von Toho. Dieses folgte auf das bis in die 1960er und 70er Jahre vorherrschende Studiosystem, das untrennbar mit fest an die Studios gebundenen Namen wie Kurosawa oder Naruse verbunden ist. Ziel der production committees dagegen ist es, externe Talente und Experten zusammenzubringen und diesen den gewaltigen PR- und Marketingapparat von Toho zur Verfügung zu stellen.
Teil 3: „Godzilla“ not the only gem in Toho’s back catalogue
Die alten Toho-Klassiker wie Die Sieben Samurai oder Godzilla werden von Toho nicht selbst international (Schilling meint damit vor allem den US-Markt) vertrieben, sondern in einer Kooperation mit Janus, dem Herausgeber der Criterion Collection. Für den Erfolg auf dem US-Markt waren dabei vor allem die Kurosawa-Filme und ihre Remakes entscheidend, obwohl das Studio so seine Probleme mit AK hatte.
Teil 4: Exhibition business in Toho’s favor
Zur zukünftigen Strategie gehört vor allem eine Diversifizierung der Publikumsattraktionen über das reine Kinoerlebnis hinaus. Dazu gehört die Verbindung mit Shopping-Centers, aber auch, dass man im Multiplex von Roppongi für 25$ direkt im Kino ein vollwertiges Abendessen genießen kann. Außerdem soll die Kinotechnik kräftig aufgerüstet werden, um dem Heimkino Konkurrenz zu machen.
28 Aug
Original: Sakuran (2006) von Mika Ninagawa
Mein Fazit zum Debutfilm der früheren Fotografin Ninagawa, der ab heute, 28. August, in einer sehr überschaubaren Zahl deutscher Kinos zu sehen ist: Schade, dass ihn wahrscheinlich nur so wenige Filmfans sehen werden. Sakuran ist sicherlich kein Meisterwerk für die Ewigkeit, aber ein richtig guter Film, dem ich es wünschen würde, dass er einen umfangreicheren Release bekommen hätte.
Das Mädchen Tomeki wird an ein Bordell in Edos berühmtem Rotlichtbezirk Yoshiwara verkauft. Das widerspenstige kleine Ding gerät schnell mit seiner Ziehmutter, einer Oiran – der ranghöchsten Kurtisane – aneinander, ist zugleich aber von deren Ausstrahlung, Selbstbewusstein und Souveränität beeindruckt. Im Lauf der Jahre wird aus Tomeki unter dem Namen Kiyoha (Anna Tsuchiya) selbst eine Prostituierte, die durch ihr Flair und ihr besonderes Händchen im Umgang mit den Freiern schnell in der Hierarchie des Bordells emporsteigt, deren Drang nach einem freien, selbstbestimmten Leben aber ungebrochen bleibt.
Ihr Aufstieg wird begleitet von einer tragischen Affäre mit einem Kunden, in den sich Kiyoha hoffnungslos verliebt. Doch für Gefühle ist in Yoshiwara kein Platz, sie wird zum Ziel einer Intrige und muss erfahren, dass ihr Geliebter sie lediglich ausnutzte. Aber Kiyoha lässt sich nicht unterkriegen und wird schließlich selbst Oiran. Als ein reicher Adliger ihr einen Heiratsantrag macht, scheint sich endlich die Möglichkeit aufzutun, aus Yoshiwara zu entkommen, doch dann wird Kiyoha schwanger – und weiß natürlich nicht, von wem.
Sakuran ist ein überaus farbenprächtiger Film, der die beschwingte und lebensfrohe, zugleich aber hektische Atmosphäre des Bordells wunderbar zum Leben erweckt. Nahezu allgegenwärtig ist dabei die Farbe, die wie keine andere für das Leben an sich steht: Rote Lippen, rote Gewänder, rote Blumen, rote Sonnenuntergänge, rotes Blut, rote Lampen, rote Goldfische und natürlich dürfen auch die berühmten japanischen Ahorne in ihrem rotleuchtenden Herbstlaub nicht fehlen.
Das zweite immer wieder auftauchende Element neben der Farbe Rot ist das des Gefangenseins und der Sehnsucht nach Freiheit. Bereits zu Beginn des Films schwört sich die kleine Tomeki unter einem blütenlosen Kirschbaum, eines Tages aus Yoshiwara, über dessen Tor ein riesiges Aquarium mit Goldfischen prangt, herauszukommen. So werden die Kirschblüten, die dem Film auch seinen Titel geben, zum Symbol für die Freiheit, und die Goldfische repräsentieren die im goldenen Käfig gefangene Kurtisane.
Als solche wird Kiyoha immer wieder halb verborgen durch Schiebetüren oder Blumen oder hinter den Gittern der Fenster gezeigt. Die umgekehrte Perspektive durch die Gitter ist zugleich diejenige der Freier, welche die zur Schau gestellten Prostituierten begutachten oder schlicht begaffen.
Neben der konsequenten, lebensfrohen Ästhetik des Films sind es außerdem die Musik und die Modernität der Hauptcharakterin, welche die Schwächen des eher konventionellen Scripts ausgleichen. Der Soundtrack bietet einen stimmungsvollen Mix aus allerlei Musikrichtungen – von Elektropop über Gitarrenriffs und Jazz bis hin zu Geigensolos reicht das Spektrum – der exzellent die Wirkung der Bilder unterstreicht.
Ein Detail, das dem deutschen Kinogänger wohl verborgen bleiben dürfte, ist der besondere Gebrauch der Sprache. Wie mir eine des Japanischen mächtige Freundin (danke Sandra!) verriet, wird in Sakuran das alte Japanisch der Edo-Zeit mit seinen vielfältigen Höflichkeitsformen gesprochen – nur Kiyoha bedient sich des modernen Japanischen und das in einer reichlich mit Kraftausdrücken und Slang angereicherten Version, was ihre hervorgehobene Stellung und ihre moderne, individualistische und freiheitsliebende Lebenssicht nochmal betont.
Definitiv also ein Film, der einiges zu bieten hat. Nicht zuletzt übrigens auch für einen japanischen Film erstaunlich viel nackte Haut, so dass trotz der eher für einen Frauenfilm typischen Geschichte auch Männer auf ihre Kosten kommen dürften… 😉
Und das ganz legal! Das Internet Archive bietet die beiden Klassiker aus der frühen Phase von Akira Kurosawas Schaffen in mehreren Versionen zum Download an. Alternativ kann man sie auch direkt im Browser in voller Länge ansehen. Rashomon liegt bereits seit längerem in einer 1 GB und einer 4 GB (!) Version bereit, Sanshiro Sugata gibt es immerhin in einer 760 MB großen Divx-Version.
Außerdem scheinen Ikiru und Stray Dog ebenfalls in Vorbereitung zu sein!
25 Aug
Einen Leckerbissen im wahrsten Sinne des Wortes habe ich diesmal in der Blogschau: Chopstick Cinema. Wie der Name schon verrät, begeistert sich die Autorin offensichtlich gleichermaßen für asiatische Küche und Filme (scheinbar mit einem Schwerpunkt auf Südostasien, Japan ist nach meinem Eindruck nicht besonders stark vertreten), was zu einer sehr delikaten Mischung führt. Für Puristen ist der Blog aber freundlicherweise in Themenbereiche aufgegliedert, man kann sich also entweder die sehr lecker klingenden und wunderbar bebilderten Rezepte oder die Filmberichte ansehen.
Mein zweiter Tipp für heute ist eigentlich schon viel mehr als ein Blog. Cinema Strikes Back bietet neben aktuellen News und Infos viele Hintergrundberichte, Reviews, Interviews nicht nur zu japanischen und asiatischen Filmen, aber eben auch dazu. Sehr praktisch finde ich insbesondere den Bereich People, vielleicht sollte ich mir so ein Verzeichnis auch irgendwann mal zulegen.
Und das war’s für heute schon.