23 Aug
Vor ein paar Tagen hatte mir eine studentische Mitarbeiterin einer PR-Agentur eine nette – wenn auch größtenteils wohl standardisierte – E-Mail geschrieben, um mir einen japanischen Film, der demnächst in die Kinos kommt, schmackhaft zu machen. Nun werde ich im Gegensatz zu so manchen Schwergewichten der Blogosphäre mit derartigen Ansinnen nicht gerade täglich bombardiert und habe mich sogar darüber gefreut. Denn Kern der Mail war das Angebot, mir eine Screener-DVD des besagten Films zuzusenden, ganz unverbindlich. Klar, immer her damit!
Und heute war das gute Stück dann in der Post, meine erste Screener-DVD, schön handbeschriftet:
Es geht übrigens um den Film Sakuran, der bereits auf der Berlinale lief. Werde mir das Machwerk am Wochenende zu Gemüte führen und dann meine Meinung kundtun, ob sich der Gang ins Kino lohnt, ab 28. August tourt er durch ausgewählte Kinos zahlreicher deutscher Großstädte:
BERLIN – Festival „Ausgezeichneter Sommer 2007“ in der BAR 25: 28.08.
BERLIN – Babylon Berlin-Mitte: 30.08.-03.09.
BOCHUM – Endstation Kino: 04.10.-10.10.
DRESDEN – KiD-Kino im Dach: 27.09.-3.10.
DÜSSELDORF – Bambi: 27.09.-3.10.
FRANKFURT – mal sehn Kino: 30.08.-12.09.
HAMBURG – 3001 Kino: 13-09.-26.09.
KÖLN – Filmhaus (Open Air), bei Regen im Kino: 05.09.
KÖLN – Filmhaus: 08.09. + 14.09.-19.09.
LEIPZIG – Passage Kinos: 11.09.
MANNHEIM – Cinema Quadrat: 01.11.-03.11.
MÜNCHEN – Neues Arena: 30.08.-12.09.
NÜRNBERG – Filmhaus 13.09.-25.09.
OBERHAUSEN – Kino im Walzenlager: 18.10.-31.10.
REGENSBURG – Filmgalerie: 18.10.-31.10.
WIESBADEN – Caligari: 26.10.-31.10.
Viel habe ich über diese Anime-Serie nachgedacht, zweimal habe ich sie mir angesehen, und doch ist es unglaublich schwer, sie zusammenzufassen, auf ihre wesentlichen Bestandteile und die Kernaussagen herunterzubrechen. Genau das war ja auch der Grund, warum ich mich gleich in einer fünfteiligen Artikelreihe dem Phänomen Neon Genesis Evangelion gewidmet habe. Und das ist noch keineswegs der Schlusspunkt, denn es gibt da ja noch einen Film, und weitere sind im Anmarsch.
Fünf Artikel, in denen ich mich mit den wichtigsten Charakteren beschäftigt habe. Ganz außen vor blieben dabei (offensichtlich für jeden, der die Serie kennt) nicht nur eine Reihe von Nebenfiguren, die in einzelnen Episoden durchaus von zentraler Bedeutung sind, wie etwa Misatos Liebhaber Kaji oder Shinjis Schulkameraden.
Vor allem aber habe ich die eigentliche Handlung komplett links liegen lassen: Kein Wort zu den Engeln, die der Prophezeiung eines sagenumwobenen antiken Dokuments zufolge die Vernichtung der Menschheit herbeiführen und dem verzweifelten Kampf, den Shinji und die anderen gegen diese Bedrohung führen. Auch die aus der Prophezeiung erwachsenden mythologischen Aspekte sowie die Science-Fiction-Elemente blieben unerwähnt. Ebenso die Verschwörungen und Rivalitäten zwischen den verschiedenen Organisationen, welche den Kampf gegen die Engel vorantreiben und organisieren (neben den fiktiven SEELE und NERV wären da vor allem die Vereinten Nationen zu erwähnen).
Mir ging es hier ausschließlich um die Charaktere, ihre Probleme und Ängste, ihre Vergangenheit und ihre Beziehungen zueinander. Denn um diese geht es eigentlich in Neon Genesis Evangelion. Die Kampfszenen, die immer wieder an die biblische Symbolik angelehnte Bildsprache und Mythologie (sowie die daran anknüpfenden wilden Interpretationsversuche) und all das ganze Ballyhoo außenrum, ist zwar wunderbar anzusehen, immer wieder spannend, manchmal (sehr) verwirrend, aber letztlich nur der Honig, der die Fans auf den Leim führen soll. Im eigentlichen Zentrum der Serie stehen so Langweiler-Themen wie die Familie, das Erwachsenwerden und wie sich beide gegenseitig beeinflussen.
Vier Zusammenhänge weisen auf die zentrale Bedeutung der Familie hin:
Besonders der letzte Punkt rückt nun die Verbindung zum Erwachsenwerden in den Vordergrund. Denn die traumatischen familiären Erlebnisse (sei es der Selbstmord der Mutter bei Asuka, das Verlassenwerden durch den Vater bei Shinji) liegen in der frühen Kindheit, die Piloten selbst stehen mit 14 Jahren nun am Übergang zum Erwachsenwerden. An den in der Serie präsenten Erwachsenen wird aber deutlich gezeigt, wie sehr diese unter ihren eigenen, ähnlich gelagerten Kindheits- und Jugenderlebnissen leiden und durch diese geprägt werden.
Die zentrale Frage, die über den Kindern schwebt, ist also: Können sie ihre familiären Altlasten im Zuge des eigenen Erwachsenwerdens so verarbeiten, dass es ihnen gelingt, die daraus resultierenden Komplexe, Ängste und die Unfähigkeit zu zwischenmenschlichen Beziehungen zu überwinden? Oder bleibt es bei einer reinen Verdrängung (besonders von Asuka praktiziert), die letztlich aber dazu führen muss, dass ihre Persönlichkeitsentwicklung leidet, ihr Charakter sich verbiegt, und am Ende doch alles wieder hervor bricht (wie bei Misato)? Besonders die bereits im Erwachsenen-Post besprochenen Parallelen von Asuka und Misato lassen diesen Zusammenhang klar hervortreten.
Wie diese Frage zu beantworten ist, bleibt – wie eigentlich alles in NGE – ein Stück weit offen. Die Original-Serie endet zwar mit einem Shinji, der scheinbar den Schlüssel zur Überwindung seiner Probleme und den Weg zum Glücklichsein gefunden hat: Die Erkenntnis, dass zwischen Realität und Wahrheit die Selbstperzeption steht, die letztlich darüber entscheidet, welches Bild von sich selbst als wahr empfunden wird. Ob aber allein diese Erkenntnis schon die Lösung aller Probleme sein kann?
Symbole der Beschwernis des Wegs zum Erwachsensein und zur Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit sind in NGE, und hier kommen wir zum wahrscheinlich gewagtesten Teil meiner Interpretation, die EVAs selbst. Für mich stehen diese oft unverständlichen, von Geheimnissen umgebenen, zugleich aber mit großer Macht ausgestatteten Monstren für den sich in der Pubertät verändernden, voller Geheimnisse steckenden Körper, der sich manchmal nur schwer beherrschen lässt (siehe die wiederholten Andeutungen in der Serie auf so rätselhafte Vorgänge wie Menstruation und Erektion), zugleich aber fantastische neue Möglichkeiten bietet.
Im Mittelpunkt des Umgangs der Kinder mit diesen fremdartigen Körpern, in die sie im wahrsten Sinne des Wortes hineingesteckt werden, steht denn auch die „Synchronisierung“. In einem mehr oder weniger langwierigen Lernprozess müssen sie ihre Gedanken und Gefühle mit den EVAs synchronisieren, sie auf die neue Umgebung abstimmen. Damit schließt sich dann der Kreis zur oben erwähnten Überwindung von Ängsten und Unsicherheit mittels einer veränderten Selbstwahrnehmung: Denn sind Denken und Gefühlswelt erst einmal mit den neuartigen körperlichen Gegebenheiten „synchronisiert“, ergibt sich die neue Perspektive auf die eigene Person ganz von selbst. Und die alten Probleme werden auf einmal unbedeutend und obsolet.
Damit komme ich zum Ende meiner persönlichen Verarbeitung dieser außergewöhnlichen Serie, die gerade deshalb so außergewöhnlich ist, weil sie so viel unserer Fantasie überlässt und dadurch Auslegungen und Interpretationen Tür und Tor öffnet. Weshalb ich mich natürlich auch gern mit anderslautenden Ansichten in den Kommentaren auseinandersetze. In diesem Sinne:
Thankyou to my father
Goodbye to my mother
And to all the readers…
Congratulations!
Die weiteren Artikel meiner NGE-Reihe:
Umfragen und die daraus resultierenden Listen geben ja immer wieder wunderbare Anlässe für Blogposts, und so greife ich diese Nachricht nur zu gern auf: Ein japanisches Meinungsforschungsinstititut ging der Frage nach, welche Anime-Serien der 90er Jahre die Japaner gern noch einmal sehen möchten. Heraus kam eine Liste mit 30 Titeln, von denen ich die meisten nicht einmal dem Namen nach kenne. Aber trotzdem kann man auf Grund des zeitlichen Abstands wohl davon ausgehen, dass die genannten Serien (zumindest die in der oberen Hälfte der Liste) das Potenzial zu Klassikern haben:
Dass Master Keaton in dieser Liste auftaucht, wundert mich etwas, der ist doch nicht aus den 90ern? Auf den weiteren Plätzen tummeln sich noch ein paar sehr bekannte Serien wie Cardcaptor Sakura oder Cowboy Bebop (letztere sehe ich mir derzeit an und das mit sehr viel Spaß)! Die ins Englische übersetzte komplette Liste inklusive der transkribierten japanischen Original-Titel und Verlinkungen aller Serien zu Seiten mit mehr Infos hat Ken.
15 Aug
Neben den drei jugendlichen Piloten gibt es noch drei spiegelbildlich aufgestellte erwachsene Charaktere, die eine wichtige Rolle in Neon Genesis Evangelion spielen: Shinjis Vater Gendo Ikari sowie Misato Katsuragi und Ritsuko Akagi, die genau wie Asuka und Rei so etwas wie gegensätzliche Pole darstellen. Von diesen drei nimmt Misato mit Abstand den größten Raum in der Serie ein, Ritsuko und Gendo spielen zwar wichtige Nebenrollen, aber eben doch nur Nebenrollen, so dass man vergleichsweise wenig über sie erfährt. Ich werde alle drei kurz (Misato ausführlicher) vorstellen und dann auf einige Gemeinsamkeiten untereinander eingehen und einen Vergleich mit den Piloten ziehen.
Misato Katsuragi:
Als taktische Offizierin kommandiert sie die Kampfeinsätze der EVAs und ist somit die direkte Vorgesetzte der drei Piloten. Da sie Shinji und Asuka nach deren Ankunft in ihrer Wohnung unterbringt, entwickelt sie sich speziell für Shinji zudem zu einer Art großer Schwester oder fast Ersatzmutter. Sie ist sehr attraktiv, verhält sich aber häufig wenig damenhaft, was Shinji öfters peinlich ist. Sie selbst ist davon gänzlich unberührt und wirkt überhaupt äußerst selbstbewusst, sowohl was ihre Arbeit bei NERV angeht als auch in ihrem Privatleben.
Dieses Selbstvertrauen wird jedoch in den späten Folgen der Serie mehrfach erschüttert, als sie zunächst eine alte Affäre mit dem undurchsichtigen Kaji wiederbelebt und dann versucht – teilweise auf Hinweis Kajis – hinter die Geheimnisse der EVAs zu kommen. Zudem erfahren wir Zuschauer, dass Misato ebenso wie die Piloten einen Elternteil (bei ihr den Vater) verloren hat und in der Folge eine schwere Kindheit verbrachte. Vor diesem Hintergrund macht sie sich selbst Vorwürfe, hinterfragt die Beziehung zu Kaji und das Bild von sich selbst, das sie anderen gegenüber geschaffen hat.
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Dass Misato ihre „dunkle“ Seite, und damit sind wohl vor allem die Aspekte ihrer Persönlichkeit gemeint, die ihr Sexualleben bestimmen, Shinji gegenüber unterdrücken will, untermauert die Mutterrolle, in der sie sich selbst ihm gegenüber sieht. Aus diesem Gegensatz erwachsen jedoch ein Rechtfertigungsdruck und große Selbstzweifel.
Damit bildet Misato gewissermaßen das erwachsene Gegenstück zu Asuka. Beide treten nach außen hin sehr selbstbewusst auf, lassen ihrer Emotionalität freien Lauf und sind nicht zuletzt attraktiv, sie unterdrücken jedoch Aspekte ihrer Persönlichkeit, die diesem Bild widersprechen könnten. Außerdem haben beide mit einem traumatischen Verlust in ihrer Kindheit zu kämpfen, dem jeweils große Strahlkraft auf die Charakterentwicklung zugeschrieben werden.
Ritsuko Akagi:
So wie Rei der Gegenpol zu Asuka ist, so verhält sich Dr. Ritsuko Akagi, die wissenschaftliche Leiterin des EVA-Projekts, zu Misato, wenn auch nicht in vergleichbar extremer Ausprägung. Generell erfährt der Zuschauer relativ wenig über Ritsuko, sie tritt zumeist nur als distanzierte, kühl berechnende und weitgehend emotionslose Wissenschaftlerin auf. Doch auch sie hatte eine schwierige Beziehung zu ihrer (verstorbenen) Mutter, in deren Fußstapfen sie gleich in mehrerer Hinsicht trat.
Zum einen setzt sie die Arbeit ihrer Mutter fort, die an den Grundlagen des EVA-Projekts arbeitete und dabei auch die gigantischen Computergehirne entwickelte und programmierte, die alles in Neo-Tokyo 3 kontrollieren. Zum anderen liebt sie den gleichen Mann wie ihre Mutter: Gendo Ikari, und das schon seit ihrer Jugend. Dass sie wie ihre Mutter ein Verhältnis mit ihm hat und diese zu deren Lebzeiten sogar um die Beziehung beneidete, macht Ritsuko zur reinsten Verkörperung des Elektrakomplexes unter all den komplexbehafteten Charakteren der Serie.
Gendo Ikari:
Shinjis hartherziger Vater ist so etwas wie die Spinne im Netz der NGE-Geheimnisse: Er ist der Leiter des gesamten EVA-Projekts und Verbindungsperson zur Geheimorganisation SEELE, zugleich verfolgt er aber im Verborgenen eigene Pläne, die nie näher umrissen werden. Es lässt sich nur vage erahnen, dass diese irgendwie mit Rei und einer geplanten evolutionären Weiterentwicklung der Menschheit zu tun haben. Zur Umsetzung seiner Pläne ist Gendo zu allem bereit und geht eiskalt vor, was ihm besonders von seinem vernachlässigten Sohn Shinji angekreidet wird.
Über Gendos Persönlichkeit erfährt der Zuschauer kaum etwas, und das wenige, das wir erfahren, stammt überwiegend aus den Erzählungen anderer Personen, insbesondere von Shinji und Rei. Als die einzige zentrale starke männliche Person in der Serie (Kaji spielt eher eine untergeordnete Nebenrolle) ist er somit für die Deutung der Serie sehr wichtig, die vielen Unbekannten machen dabei aber zugleich viele verschiedene Ansätze möglich.
Mir scheint jedoch klar, dass die Charakterisierung Gendos und seine zentrale (und mit Macht ausgestattete) Rolle in der Serie auf eine Symbolisierung der Figur des Vaters und Familienoberhaupts hinauslaufen. Er wird dieser Rolle und den damit verbundenen Anforderungen jedoch in keiner Weise gerecht, ist nur auf seine eigenen Ziele aus und ordnet diesen auch rücksichtslos die Bedürfnisse anderer Menschen, sogar die seines eigenen Sohnes, unter. Die von Gendo ausgehende Kälte und Ablehnung gegenüber Shinji ist zu einem großen Teil für dessen emotionale Probleme und psychische Instabilität verantwortlich.
Fazit:
Die Erwachsenen, zumindest die beiden Frauen, sind genauso komplexbehaftete Persönlichkeiten wie die drei Kinder, es wird sogar wiederholt deutlich, dass es familien- und erziehungsbezogene Vorkommnisse wie Verlust eines Elternteils oder Vernachlässigung waren, die für die Probleme der Erwachsenen (mit)verantwortlich sind. Dass sich diese Probleme bei Misato und Ritsuko in einer explizit sexuellen bzw. ihre Beziehungen beeinflussenden Weise äußern, ist ein bei den Kindern nur vage angedeuteter Aspekt der Probleme.
Besonders Misato und Ritsuko, die zu Beginn der Serie mit ihrem Selbstbewusstsein, ihrer Professionalität und ihrer Kompetenz wie potenzielle Vorbilder präsentiert werden, erfahren zum Ende ein komplette Dekonstruktion. Von diesen nach außen präsentierten Rollen bleibt kaum etwas erhalten, sie zerfallen komplett. Darin steckt eine heftige Kritik an der nur allzu menschlichen Taktik, sich im Laufe der Zeit bestimmte Images zurechtzulegen um entweder vor sich selbst oder anderen besser dazustehen und unangenehme Aspekte der eigenen Persönlichkeit auszublenden.
Dass diese Persönlichkeitsprobleme immer mit Erziehung und kaputten Familienverhältnissen zusammenhängen, und Gendo gewissermaßen eine idealtypische – wenn auch übersteigerte – Verkörperung des schlechten Vaters darstellt, impliziert nicht nur, dass die geschilderten Probleme der Kinder sich auf dem Weg zum Erwachsensein verfestigen. Es wird auch eine klare kausale Verbindung hergestellt und eine Wertung vorgenommen, die meiner Meinung nach der eigentliche Kern der ganzen Serie ist. Mehr dazu im letzten Teil der NGE-Reihe!
Weitere Artikel aus der NGE-Reihe:
Noch in dieser Woche wechsle ich Job und Arbeitgeber, eine Veränderung in meinem Berufsleben, die bei aller Freude über die neue Herausforderung natürlich auch Auswirkungen auf mein Privatleben haben wird. In den ersten Wochen und Monaten im neuen Job werde ich sicherlich einige Zugeständnisse machen müssen, um erstmal in der neuen Umgebung richtig Fuß zu fassen. Darunter wird dann auch der Blog leiden, denn den (doch ganz erheblichen) Aufwand an Zeit, den ich inzwischen fürs Bloggen verwende, werde ich wohl nicht beibehalten können. Deshalb gehe ich davon aus, dass in der nächsten Zeit auch mal eine Woche ganz ohne neuen Artikel vergehen kann.
Aber auch was die Themen meiner Posts angeht, werde ich Konsequenzen ziehen. In der letzten Zeit habe ich mich ja mit einer großen Bandbreite vom klassischen Mizoguchi über den spektakulären Miike bis hin zu Anime-Serien beschäftigt, was eigentlich auch meinem breiten Interesse an der Kinokultur und Filmszene Japans entspricht. Mangels Zeit werde ich mich hier aber etwas einschränken und in der näheren Zukunft – notgedrungen – nun wieder stärker auf die Wurzeln, sprich: die Klassiker, besinnen.
Einige meiner geschätzten Leser werden das sicher gern hören!? 😉
11 Aug
Rei Ayanami ist die dritte Pilotin neben Shinji und Asuka und zugleich die undurchsichtigste Gestalt im ohnehin nebulösen NGE-Kosmos. Lange konnte ich mir überhaupt keinen Reim auf sie machen, bis ich kürzlich von einem guten Freund und Anime-Fan eine mögliche Deutung erzählt bekam, auf der aufbauend ich endlich zu einer sinnvollen (?) Interpretation gefunden habe. Danke Stefan!
Rei zeigt so gut wie nie Emotionen, ihre Gesichtszüge bleiben permanent unverändert – erst gegen Ende der Serie sieht man sie mal kurz lächeln – und ihre Stimme ist immer gleich monoton. Mit ihren Mitschülern und anderen Mitmenschen hat sie kaum Kontakt, sie ist introvertiert und wirkt auf Grund ihres neutral-distanzierten Umgangs mit anderen Menschen fast schüchtern. Sie lebt allein in einer an ein Krankenhauszimmer oder eine Gefängniszelle erinnernden kleinen Wohnung.
Über ihre Vergangenheit und ihre Herkunft werden nur vage Andeutungen gemacht, die darauf hinweisen, dass sie eine geklonte Version von Shinjis verstorbener Mutter Yui ist. In einer der letzten Folgen opfert sie sich, um Shinji zu retten, nur um wenig später in einer neuen „Kopie“ ihres Körpers, in den ihr Geist implantiert wurde, wieder aufzutauchen. Zu dieser rätselhaften Person passt, dass „rei“ im Japanischen auch „null“ bedeutet. Aber nicht nur der Zuschauer steht bezüglich Rei oft vor einem Rätsel, auch sie selbst hinterfragt wiederholt ihre Identität, den Zweck ihrer Existenz und sich selbst.
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Mit ihrer Introvertiertheit und Ausgeglichenheit ist Rei das genaue Gegenteil von Asuka, für die diese Gegensätze im Lauf der Serie immer mehr zum Anlass von Ablehnung, ja Aggressivität werden. Weil Rei kaum Gefühle zeigt und widerspruchslos Befehle akzeptiert und umsetzt, beschimpft Asuka sie häufig als seelenlose Puppe oder Roboter. Rei lässt dies völlig kalt, von ihrer Seite besteht keinerlei Interesse an Asuka, von ihrer „professionellen“ Zusammenarbeit als Piloten natürlich abgesehen.
Völlig anders entwickelt sich ihr Verhältnis zu Shinji. Der ist von der ersten Begegnung an von der geheimnisvollen Rei fasziniert, weiß aber nicht so recht, worauf diese Faszination basiert und was er damit anfangen soll. Sein Interesse an ihrer Person, seine Zuneigung und dass er sich für sie einsetzt, ihr im Kampf sogar das Leben rettet, können die Distanziertheit und Gefühlslosigkeit schließlich durchbrechen. Ihm gegenüber kann Rei erstmals Dankbarkeit, Zuneigung und so etwas wie Freundschaft entwickeln.
Diese freundschaftlich-sorgende Beziehung erhält vor dem Hintergrund, dass Rei fast so etwas wie eine Wiedergeburt von Shinjis Mutter ist, eine ganz besondere Note. Die fast übernatürliche Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübt, wird so verständlich. Da auch sexuelle Aspekte zu dieser Anziehungskraft beitragen, wird die ohnehin komplexe Beziehung der beiden noch durch einen ödipalen Aspekt erweitert.
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Neben Reis zurückhaltendem, manchmal fast unterwürfigem Auftreten sind ihre scheinbar unzerstörbare Loyalität zu Gendo, Shinjis Vater, und die Bereitschaft, sich selbst zu Gunsten eines größeren Ziels bis zur Selbstaufgabe einzusetzen, kombiniert mit großer Willensstärke die herausragenden Eigenschaften, die ihre Person ausmachen. Damit entspricht sie in vieler Hinsicht dem klassischen japanischen Idealbild der Ehefrau.
Da sie jedoch gleichzeitig als weitgehend emotionsloser Klon präsentiert wird, immer wieder von Zweifeln bezüglich ihrer Identität und des Sinns ihres Daseins geplagt wird, erscheinen diese typischen Ideale in einem ganz anderen Licht. Verstärkt wird diese Kritik noch dadurch, dass Rei sich nach dem Tag sehnt, an dem sie wieder eins werden kann mit dem Nichts, also dem Ende ihrer Existenz. Diese tiefe Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer eigentlich von vielen klassischen Idealvorstellungen geprägten Persönlichkeit wird so zu einer beißenden Kritik an eben diesen Idealen.
Die weiteren Artikel der NGE-Reihe:
8 Aug
Heute ist ein schwerer Tag für mich, ich muss wirklich ganz stark sein, denn ich werde 30! Jetzt kann ich mir zwar den Spitznamen „Sanjuro“ zulegen, aber so wirklich glücklich macht mich das auch nicht. Aufmunternder war da schon eine sehr liebe Glückwunschkarte von Freunden, die ich heute morgen aus dem Briefkasten gefischt habe:
Wir stehen dir an deinem schweren Tag natürlich seelisch und moralisch bei und verkneifen uns jeglichen dummen Spruch über dein fortgeschrittenes Alter. Daher senden wir einfach herzliche Geburtstagsgrüße und wünschen uns, dass du so bleibst, wie du bist: jugendlich-attraktiv, welt- und redegewandt, unglaublich sexy und erfolgreich – aber vor allem: immer ein wenig älter als wir…
Die habens wirklich drauf, erst Bauchpinselei vom allerfeinsten und dann im Nachgang, wenn man nicht mehr damit rechnet, noch mal schön im Vorbeigehen den Ellbogencheck rausholen! 😉
Um erst gar keine Depressionen aufkommen zu lassen, möchte ich mir heute noch selbst einen blogbezogenen Wunsch erfüllen, und zwar ein Filmquiz, das ich im Lauf des Tages starten werde. Angesichts der besonderen Umstände hat sicher jeder Verständnis, dass es sich in diesem Fall auch mal um nicht-japanische Filme handeln darf, oder?